Predigt zu Jesaja 66 am 22.3.2019 von Pfarrer Jan-Peter Hanstein
„Wir werden durch Corona unsere gesamte Einstellung gegenüber dem Leben anpassen – im Sinne unserer Existenz als Lebewesen inmitten anderer Lebensformen.“
(Slavoj Žižek, März 2020)
Gnade und Friede sei mit euch, von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.
Wir beten in der Stille um den Segen
des Wortes Gottes.
Erhör uns lieber Herr Gott!
Liebe
Gemeinde,
Ich werde zur Zeit oft gefragt, wann Corona denn „vorbei sein wird”, und alles wieder zur Normalität zurückkehrt. Die Antwort: vielleicht gar nicht. Es gibt historische Momente, in denen die Zukunft ihre Richtung ändert. Die Zeit wird sozusagen untreu. Ein Impuls verändert den gewohnten Lauf der Zeit. Wir erwarten immer, dass alles so bleibt wie es ist. Aber dieser Einschnitt vergisst sich nicht mehr. So etwas nennen wir Epoche (von altgriechisch epoché „Haltepunkt, Abschnitt“.)
Eine Zeit
des bangen Wartens. Die Welt scheint still zu stehen. Eine echte globale
Katastrophe.
Wir müssen
alles anhalten. Gleichzeitig rast die Entwicklung scheinbar ungebremst vorwärts.
Fast täglich verdoppeln sich die Zahl der Neuinfizierten. Viele fühlen sich
nach dieser Woche leer und erschöpft. Diese Phase kennen wir Pfarrer von der
Begleitung von Trauernden. Die Leere kommt nach der Phase des Aktivismus, wenn
unser Leben sich schicksalhaft wendet. Zuerst war da noch Hektik wie die
Hamsterkäufe und die Organisation der veränderten Umstände und dann kommt die
Leere. Halt. EPOCHE. Und wir beginnen uns zu fragen: wie wird es weitergehen?
Wenn die
Umstände Humor zuließen, würde ich sagen: Wir haben gerade eine Situation, wie
sie sich gerade manche Christen vor allem Pfarrer gewünscht haben:
Absolute
Stille in der Passionszeit. Kein Konsumrausch mit Eiern und Osterhasen. Noch
nie bin ich so still zu einem Gottesdienst gefahren. Zu einer leeren Kirche.
Manche Menschen
haben plötzlich unendlich viel Zeit, über sich und über ihr Leben nachzudenken.
Andere sind
plötzlich systemrelevant: Pflegerinnen, Erzieherinnen, Verkäuferinnen! Frauen
und Mütter. Ihre Männer können zu Hause bleiben, soweit sie nicht Polizisten,
Feuerwehrleute oder Fernfahrer sind! All die Büro- und Bullshitjobs spielen
jetzt in der Zeit der Bedrohung keine Rolle mehr. Vielleicht deutet sich hier
schon eine Änderung an!
Manche
Kollegen haben im Vorfeld zu mir gesagt:
Janosch,
warum machst du das mit dem Gottesdienst-Streamen? Was soll der Stress? Lass doch mal die Lücke offen. Wüstenzeit … Warum
der Anschein der Normalität? Halt doch
mal den Mund. Lass Gott selbst reden. Hab Geduld. Alles entwickelt sich …
Aber hier bin ich … Sorry. Warum sollen wir das Internet Amazon und den Pornos überlassen? Gottes Wort findet seinen Weg. Ich kann nicht anders… als heute und jetzt zu predigen. Mir kamen die vergangenen Tage unendlich lang, angefüllt und merkwürdig vor.
Denn die
Welt, wie wir sie kennen, löst sich gerade auf. Aber dahinter fügt sich eine
neue Welt zusammen, der Umrisse wir vielleicht erahnen können. Und diese wichtige
Erfahrung wird uns und unsere Kinder stärker und mutiger machen. Glaubt ihr
das?
Dafür möchte
ich eine geistige Übung anbieten.
Ich möchte
euch mitnehmen in die Welt der Bibel und
der Propheten. Ich möchte euch mit einer Methode vertraut machen, die der
Prophet Jesaja anwendet in Zeiten größter Not. Jahrtausende haben die
LeserInnen aus der Erfahrung der Bibel gelernt. denn welches Volk kennt sich
besser aus als Israel mit Krisen?
Der Zukunftsforscher Matthias Horx, dem ich entscheidende Impulse verdanke, nennt diese Methode Re-Gnose*. Im Gegensatz zur PRO-Gnose schauen wir mit dieser Technik nicht »in die Zukunft«. Sondern von der Zukunft aus ZURÜCK ins Heute. Klingt verrückt, oder? Aber das ist wahre Prophetie, von der Zukunft auf unsere Zeit zu schauen. Da müssen wir hin! Denn diese neue Welt ist die Zukunft Gottes! (Allerdings ist diese Version die optimistischste von 4 Szenarien …)
Hört Jesaja,
das 66. Kapitel: Verse 6-9 EINBLENDUNG
Hört ihr den Lärm in der Stadt? Er kommt vom Tempel her. Ich, der HERR, halte Gericht! Mein Vergeltungsschlag trifft alle meine Feinde. Kann eine Frau ein Kind gebären, noch ehe die Wehen über sie kommen? Wer hat so etwas schon gesehen oder davon gehört?
Kann ein ganzes Land an einem einzigen Tag zur Welt kommen? Wird ein Volk in einem Augenblick geboren?
Ja, Zion wird es so ergehen!
Kaum spürt sie die ersten Wehen – schon sind ihre Kinder da. Warum sollte ich diese Geburt erst einleiten und dann im letzten Moment noch verhindern? Meint ihr, ich verschließe den Mutterleib, damit das Kind nicht zur Welt kommt – ich, euer Gott?
Jes 66,6-9 HAT
Mitten hinein
spricht Jesaja in die Urkatastrophe Israels: Die Zerstörung des Tempels, der
totale Sieg Babylons. Das Triumphgeheul der Feinde. Die Schreie der Verletzten
und Gefolterten, Jerusalem eingenommen und zerstört – und in diesem Moment,
sagt Jesaja im rückblickenden Vorblick – wird ein ganzes Volk geboren in einer
Blitzgeburt. Ein neues Volk ist geboren! Re-Gnose!
Viele Alttestamentler sind sich einig, dass es das Volk Israel nicht geben würde, ohne diese Katastrophe. Sie wären ein Volk mit Tempeln und wechselnden Göttern geblieben und untergegangen wie alle anderen Kulturen der Antike. Hebräisch hätten wir entziffern müssen wie die Hieroglyphen.So aber sehen sie in der Katastrophe Gott am Werk. Als Geburtshelfer. Und jeder, der bei einer Geburt dabei war, weiß, dass auch eine Blitzgeburt richtig weh tut.
Im Exil werden
die Juden nicht müde, alles von diesem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs zu
sammeln und zu beschreiben. Von dem Gott Moses, der gesagt hat:
ICH BIN, ICH
BIN DER ICH SEIN WERDE, ICH BIN DA! Ich bin der Herr.
So eine Katastrophe erleben wir gerade. Klar. Das tut richtig weh. Ich muss das nicht beschreiben. Was das wirtschaftlich bedeutet für viele von uns. Und noch mehr, wie gefährdet die Gesundheit von vielen ist. Schaut hin, was geschieht! Die Corona-Zeit wird nicht vergessen werden.
Nach der Katastrophe: Die ganzen Apokalypse-Serien auf Netflix schaut kein Mensch mehr. Sogar die endlos brutalen finsteren Krimis haben ihren Höhepunkt überschritten. Prophezeie ich mal mit Matthias Horx…
Wir werden
feststellen, dass man sogar Lösungen für das leidige Klopapier finden wird, nachdem
der Ipad die Zeitung abgelöst hat …
Wir halten auch fest: Die ganze künstliche Intelligenz hat keinem Politiker helfen können, schwere Entscheidungen zu treffen und war grandios überschätzt worden.
Ja es ist
ernst. Wir werden Tote zu beklagen haben. Niemand weiß, wie viele. Wir Pfarrer
stellen uns mental schon darauf ein.
Wir sind mit
einer Krankheit konfrontiert, für die wir noch kein medizinisches Mittel haben.
Die Älteren und Vorerkrankten jeglichen Alters sind besonders gefährdet.
Ich finde es unglaublich ermutigend, dass dafür eine Gesellschaft anhält und sagt: Leben geht vor. Leben geht vor Wirtschaft. Leben geht vor Kalkulieren. Das ist zutiefst christlich. Unmögliches wird mit menschlichen Mitteln möglich gemacht. Das macht Mut! Vielleicht siond noch ganz andere Dinge möglich!
Sicher – vielleicht
schon im Sommer werden wir vielleicht Medikamente und Impfungen haben und bis zum
Ende nächsten Jahres ist dann Corona überwunden. Solange aber befinden wir uns
in Gottes Hand.
In Holland
dagegen sagt ein Minister öffentlich:
Normalerweise
zahlen wir für ein gewonnenes Lebensjahr in der Krankenversicherung bis zu
60.000€ – alles darüber ist zu teuer. Sie lassen es einfach laufen. Aber wer so
rechnet, nimmt den Kauf von hunderttausenden Toten in Kauf. Liebe Gemeinde! – Gott
schütze die Niederlande!
Wir aber in
Deutschland wollen, dass das Leben Vorrang hat vor allem anderen. Wir fordern, dass
mutige Entscheidungen getroffen wurden, die sich niemand jemals hat vorstellen
können! Denn jedes Leben zählt!
Aber die Angst? Wenn wir die Krise überwunden haben, werden wir zurückblicken – REGNOSIS und sehen:
Auch die Tage der Apokalyptiker sind gezählt: Apokalyptiker sind die, die jedes Mal das Ende der Welt heraufbeschwören. Die von der Angst der Menschen in der Zeit der Katastrophe zehren:
Ich möchte euch ein Erlebnis von den Ökumenischen
Bibelabenden in Lauf 2020 erzählen. Ich begegnete nach dem Vortrag beim
Stehimbiss zwei Männern. Ich frage, wie es ihnen gefallen hat. Ich spüre dass
sie sehr erregt sind. Sie beben vor Zorn
auf ihrer Meinung nach zu laue Theologen, die das Gericht auslassen, weil durch
diese Unterlassung so viele Menschen verloren gehen werden. Sie wollen Angst
machen vor dem Gericht Gottes. Eine Lust auf Strafe, auf Zerstörung spüre ich
in Ihnen. Solche Menschen sind mir unheimlich. Gerade weil sie sich auf
Christus berufen.
Haben diese 2 Männer recht gehabt, die mir vielleicht
gerade zuschauen! Würdet jetzt wirklich sagen: Corona ist jetzt das Gericht?
Die Endzeit?
Ich sage nein: Nein. So sieht Gottes Gericht nicht aus! Weil das Virus hauptsächlich, die Ärmsten, Ältesten und Schwächsten trifft. Das ist es noch nicht das Ende. Aber eine Katastrophe, biblisch eine Plage ist es schon!
Jesus sagt: (Wochenspruch – nehmt den mit auch wenn
ihr alles andere vergesst!)
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es ein einzelnes Korn.
Aber wenn es stirbt, bringt es viel Frucht.
Wie anders spricht Jesus als diese zornigen jungen
Männer, wie liebevoll und abgeklärt. Er
setzt auf Veränderung statt Strafe! „Fürchtet euch nicht“ wiederholt er gegen
die Angstmacher. Die Katastrophe geschieht außerhalb unserer technischen
Möglichkeiten. Aber überwinden werden wir sie durch den Glauben und die Liebe! Auch
das Weizenkorn muss hindurch den Tod zum Leben, um Frucht zu bringen.
Nicht Angst und Isolation, oder Strafe und Zorn. Sondern Vergebung und Solidarität … Und Jesus selbst sagt: “Vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.”
Re-Gnosis: Aus der Zukunft auf das Jetzt geschaut. Vergleichen wir mal unsere Ängste vor der Corona-Zeit! Wer erinnert sich jetzt noch an das Stürmchen namens Helga? Als fast die Welt unterging weil in Kitas und Schulen einen ganzen Tag ausfielen?
So ist Gott am Werk. Das ist Re-Gnosis.* Die Methode Jesaja, könnte ich auch sagen. Hören wir den Propheten weiter:
Wie er weit
in die Zukunft schaut und mit wem er Gott vergleicht:
Gott
spricht:
9 Warum sollte ich diese Geburt erst einleiten und dann im letzten Moment noch verhindern? Meint ihr, ich verschließe den Mutterleib, damit das Kind nicht zur Welt kommt – ich, euer Gott?
Nein – Freut euch mit Jerusalem! Jubelt über diese Stadt, alle, die ihr sie liebt! Früher habt ihr um sie getrauert, doch jetzt dürft ihr singen und jubeln vor Freude. Lasst euch von ihr trösten wie ein Kind an der Mutterbrust. Trinkt euch satt! Genießt die Pracht dieser Stadt!
12 Denn ich, der HERR, sage euch:
Frieden und Wohlstand werden Jerusalem überfluten wie ein großer Strom. Ich lasse den Reichtum der Völker hereinfließen wie einen nie versiegenden Bach. Und an dieser Fülle dürft ihr euch satt trinken.
In dieser Stadt werdet ihr euch wie Kinder fühlen, die ihre Mutter auf den Armen trägt, auf den Schoß nimmt und liebkost.
Jes 66 HAT
Was für wunderbare
Worte. Das Bild: die schwere Geburt. Aber dann das Baby an der Brust der
Mutter. Wie groß war die Angst vor der Geburt. Jetzt ist alles vergessen.
Ich will euch trösten
wie eine Mutter ihr Kind.
Wir werden uns erinnern, vor was und wem alles wir Angst hatten in der Zeit vor Corona und über uns lächeln.Davor waren wir ein Volk von Angsthasen und Angstmachern. Winzige Details versetzte die Menschen in Panik. Aber seht genau hin.
In der
physischen Isolation sind diejenigen die Solidarität zeigen und Barmherzigkeit
so viel wichtiger und anerkannter, als die Hetzer, Spalter und Mäkler. Sie
werden sich auflösen. Die einzige gute Nachricht: AFD zum ersten Mal seit Jahren unter 10%!
Trump hat endgültig ausgespielt!
Wenn wir
diese Krise überstanden haben, dann werden wir Glück empfinden. Ich nenne das
Glauben an Gott! Die Psychologen nennen es Coping-Gefühl: Die Welt wirkt wieder
jung und frisch und wir sind plötzlich voller Tatendrang. Wir haben es
geschafft. Gemeinsam. Wir alle kennen das Gefühl der geglückten
Angstüberwindung.
Überwinden heißt:
Wir kommen damit zurecht – coping. Wie ein hungriges Baby schreit und wütet und
dann die süße Muttermilch bekommt. Diese neue Welt zeigt uns Jesaja. Er blickt
zurück aus der Zukunft – mitten im Lärm, in der Angst, in der Zerstörung,
mitten in der Geburt. So etwas vermag der Glauben aus Gottes Wort. Das können
wir erlernen von der unendlichen tausendjahre alten Erfahrung der Bibel mit
unserem Gott.
Jesus sagt: Jetzt habt ihr Angst. Aber seid getrost. Ich habe die Welt für euch überwunden. Nikeka: ich habe gesiegt. Ich weiß nicht, ob das so kommt wie Jesaja es sagt.
Aber wenn
Menschen auf den Balkonen sich schon ujetzt gegenseitig Lieder zusingen, dann
habe ich keine Angst vor der Zukunft. Das sind Lieder der Freiheit mitten im
Gefängnis der Isolation.
Ich glaube, dass die Methode Jesajas funktioniert, seine Prophetie der Rücksicht – der Re-gnosis: Weil wir Gottes Handeln schon kennen und erkennen. Sein Ziel ist nicht die Zerstörung sondern Bewährung in Liebe. Wenn diese Leidenszeit, diese Passion ein Ziel hat, einen Sinn hat, dann den: Wir sehen, was sich bewährt in der Zeit von Angst und Bedrängnis.
Wir fürchten jetzt den Tod von lieben Angehörigen, vielleicht gehört ihr selbst zur Risikogruppe. Eine Welt vergeht, wie wir sie kennen. Aber im Blick auf Gott und auf Jesus werden wir überwinden. Wir mögen physisch voneinander getrennt sein, aber emotional rücken wir einander näher. Auch als Kirchengemeinde Lauf. Es ist schwer, vor diesen leeren Stühlen zu predigen. Aber ich sehe euch vor Augen zu Hause. Allein oder mit Familie. In Krankenhäusern. Zu euch allen sagt Gott, der nicht zufällig wie eine Frau, wie eine Mutter geschildert wird:
13 Ich will euch trösten wie eine Mutter
ihr Kind. Die neue Pracht Jerusalems lässt euch den Kummer vergessen. 14 Wenn ihr das alles seht, werdet ihr wieder von
Herzen fröhlich sein, und neue Lebenskraft wird in euch aufkeimen wie frisches
Gras.«
AMEN
Und er Friede Gottes, der größer ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus!
*Begriff von Matthias Horx.
Geschrieben am
22. März 2020