Karfreitags- und Oster-Termine heuer historisch richtig

Von 35 möglichen Oster-Terminen ist dieses Jahr der historisch richtige, zum ersten Mal seit 1950 und dann erst wieder 2034: An einem 7. April wurde Jesus gekreuzigt, im Morgengrauen des 9. April ist er vom Tode auferstanden. Diese Angaben des Johannes-Evangeliums halten moderne Historiker für die wahrscheinlichsten gegenüber der Berechnung anhand der synoptischen Evangelien, die nur einen Tag später liegt.

Ostern ist ja ein so genanntes bewegliches Fest. Vereinfacht gesagt, gilt seit dem christlichen Konzil von Nicäa im Jahr 325: Osterdatum ist der erste Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling.

Egal, auf welchen Tag sie fallen, bieten Karfreitag (von althochdeutsch “kara” = ‚Klage’, ‚Kummer’, ‚Trauer’) und Ostern jedes Jahr die zentralen Heils-Wahrheiten des christlichen Glaubens, das richtige Datum kann dies nicht “toppen'”. Es erinnert aber daran, dass Christinnen und Christen weder Mythen noch Legenden folgen, sondern aufgrund zuverlässiger Überlieferung glaubwürdiger Augenzeugen an Jesus Christus glauben, den gekreuzigten, auferstandenen und darum noch heute erlebbaren Herrn.

In den präsentisch UND online stattfindenden C1-Gottesdiensten mit Pfarrer Thomas Hofmann an Karfreitag und Ostersonntag, jeweils um 10.30 Uhr wird auch dieser seltenen Termin-Übereinstimmung gedacht. Im Mittelpunkt stehen aber der erlösende Tod bzw. die leibliche Auferstehung unseres Herrn und Heilands.

Meditative Karandachten

3. – 8. April 2023 I 19.00 – 19.30 Uhr I Kunigundenkirche

Auf dem Weg zur Osterfreude

Es ist eine alte christliche Tradition, sich in der Woche vor Ostern, der Karwoche, auf Ostern vorzubereiten. Dabei führt der Weg über das Gedenken an Gründonnerstag und Karfreitag hin bis zur Auferstehungsfreude am Morgen des Ostersonntags.

Gestaltet werden die Andachten mit Gesängen aus dem Gesangbuch, aus der orthodoxen Tradition und aus Taizé, mit Lesungen zur Passion und Momenten der Stille. Das Kreuz in der Mitte erinnert uns an Jesu heilbringendes Leiden und Sterben. Herzliche Einladung!

Deshalb finden heuer in der Karwoche wieder die meditativen Andachten in der Kunigundenkirche statt. Wir treffen uns in diesem Jahr von Montag, 3. April bis Samstag, 8. April (außer am Gründonnerstag), jeweils von 19.00 bis 19.30 Uhr.

Weitere Infos bei Ruth Kolb:

3. Fastenpredigt 2023: “Suchet der Stadt Bestes“ – zum Nachlesen

Die Fastenpredigt vom So, 26.03.2023 Pfr. Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing zum Nachlesen

Pfarrer Udo Hahn ist bekannt als Rundfunkprediger und Publizist. Er leitet seit 2011 die Evangelische Akademie Tutzing. Er war u.a. Redakteur beim Rheinischen Merkur und Oberkirchenrat der EKD. Für die Fastenpredigt kehrt er zurück zu seinen Wurzeln. In Lauf geboren hat er hier Abitur gemacht, in Neunkirchen am Sand ist er aufgewachsen.

PREDIGT:

Gnade sei mit euch von dem, der da war und der da ist und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

heute auf dieser Kanzel zu stehen, ist ein besonderer Moment. Es ist ein bewegender Augenblick für mich, denn hier zu Ihnen zu sprechen, bedeutet: Ich bin zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Ich bin ein Laufer. Hier hat alles begonnen. Ich bin hier geboren. Und ich habe hier mein Abitur gemacht. Das Staatliche Gymnasium, wie es damals, 1982, noch hieß, hat meinen Horizont erweitert. Die Jahre am Gymnasium waren nicht immer einfach, aber ich verdanke der Schule viele Impulse, die ihre Wirkung erst im Laufe der Jahre entfalten sollten. Ohne diese Schule wäre ich nicht Journalist geworden und hätte auch nicht Theologie studiert.

Wurzeln sind wichtig. Sie geben Stabilität. Es ist gut zu wissen, wo man herkommt. Und sich immer wieder einmal seiner Wurzeln zu vergewissern. Heute ist so ein Moment. Ich habe mich sehr gefreut, lieber Herr Hanstein, als Sie mir die Einladung schickten, eine Fastenpredigt zu halten. Mich hier einreihen zu dürfen in die Liste der Predigerinnen und Prediger, ist mir eine Ehre.

Mit dem Thema für die Predigtreihe in diesem Jahr liegt die Messlatte nach meinem Empfinden besonders hoch. Die Herausforderungen der Zeit, um die es geht, sind gewaltig: Kriege, Klimawandel, Künstliche Intelligenz – jedes für sich hat sein eigenes Gewicht. Dass sie uns gleichzeitig beschäftigen, unterstreicht ihre Bedeutung. Und die Liste ließe sich mühelos erweitern. Die Fragen, die auf unserer Tagesordnung stehen, sind nicht trivial. Es geht um viel. Und es geht auch um mich selbst, um uns alle: Wie begegnen wir den genannten Themen? Wozu genau sind wir herausgefordert? Und welche Rolle könnte der Glaube spielen?

Ich spreche heute früh zu Ihnen als Theologe. Das ist die Expertise, die ich einbringe. Ich möchte Ihnen – mit einem Blick in die Bibel, konkret: ins Alte Testament, mit einem Text im Buch des Propheten Jeremia – Menschen vorstellen, die eine große Herausforderung zu bewältigen hatten. Man könnte von einer Zeitenwende sprechen, die sie erlebten. Die plötzlich von ihren Wurzeln abgeschnitten wurden. Die alles verloren haben, was ihnen Halt und Hoffnung gegeben hatte.

Wir gehen in das Jahr 597 vor Christus. Der babylonische Herrscher Nebukadnezar erobert Jerusalem. Die Stadt wird geplündert und zerstört. Bilder des Krieges – z. B. aus der Ukraine oder Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs, die viele noch ins sich tragen – vermitteln uns eine Vorstellung, welches Entsetzen, wie viel Gewalt, menschliches Leid dies bedeutete. Nach der Eroberung Jerusalems zwingt der Eroberer das gesamte Königshaus, die Oberschicht, Gelehrte, Handwerker und Fachleute, nach Babylon zu gehen. Der Plan ist klar: Sind sie weit weg, die Stadt Jerusalem wird nicht so schnell nicht wieder aufgebaut werden können.

In Babylon sitzen die Deportierten nun fest, während der Prophet Jeremia mit einem kleinen Rest im zerstörten Jerusalem verbleibt. Die Verbannten sind trostlos, wie gelähmt, traumatisiert. Sie wissen nicht weiter und können ihr Entsetzen kaum bewältigen. Schreckliches haben sie erlebt. Eine Perspektive für ihr Leben sehen sie nicht. Getrieben sind sie von Entsetzen über das Erlebte, von der Klage über ihr Schicksal und der Sehnsucht nach ihrer alten Heimat.

In diese Situation hinein schreibt ihnen Jeremia (29,4-7): „Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; … Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s auch euch wohl.“

Was wir lesen – sind Worte des Trostes und der Ermutigung!

Die erste und wichtigste Botschaft des Jeremia lautet: Gott ist bei euch! Natürlich haben sich die Verbannten gefragt: Wie konnte Gott das zulassen? Warum wir? Wo war denn Gott, als das alles passierte?

Es ist die große Frage des Glaubens. Wo war Gott? Wo ist Gott? Die Verbannten meinten, Gott sei nur in Jerusalem zu finden. In der Babylonischen Gefangenschaft sind sie von Gott verlassen. Jeremia weitet ihr Gottesbild und sagt: Gott ist doch da, auch bei euch in Babylon. Das Volk Israel hat einen Lernprozess durchlaufen. Erst meinte es, Gott in der so genannten Bundeslade bei sich zu haben auf dem Weg durch die Wüste – nach dem Aufbruch aus der Knechtschaft in Ägypten. Später war es wichtig, Gott im Tempel in Jerusalem zu verehren. Jetzt musste es lernen, dass Gott auch in der Verbannung ist, an jedem Ort der Erde. Dieses Bewusstsein, dass Gott mitgeht, an jeden Ort dieser Erde zu finden ist, das war entscheidend für den Glauben des Judentums. Und es ist entscheidend für das Christentum. Du kannst Gott an jedem Ort finden. Du findest ihn auch dort, wo du es gar nicht für möglich hältst, wo du Kranke besuchst oder Gefangene, wo du Obdachlose und Geflüchtete beheimatest und Hungrigen zu essen gibst. Genau da findest du Gott, heißt es im Neuen Testament, im Matthäusevangelium.

Wo ist Gott? Er ist da. „Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“ – so hat es der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer formuliert, Weihnachten 1944, als er seiner Verlobten und seiner Familie schrieb. Das sind die letzten schriftlichen Worte Bonhoeffers, geschrieben im Gefängnis. Bonhoeffer wurde wenige Monate später, am 9. April 1945, im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet.

Gott ist da – und deshalb könnt ihr an einem neuen Ort, an jedem neuen Ort Wurzeln schlagen. Beheimatet euch, empfiehlt Jeremia Er tröstet die Verbannten ganz praktisch: Nun findet euch da ein, wo ihr seid! Pflanzt Bäume, baut Häuser, gründet Familien. Wahrscheinlich war das nicht das, was die Verbannten hören wollten. Keine Rückkehrperspektive, die es anbietet. Vielmehr will er ermutigen, sich auf die neue Situation einzulassen. Verzagt nicht, auch wenn es euch schlecht geht! Macht das, was gerade möglich ist. Lasst euch nicht einflüstern, wie schlimm alles ist, sondern packt an.

In der Ermutigung, der Stadt Bestes zu suchen, ist der Brief auch politisch. Polis – das ist die Gemeinschaft, in der Menschen leben, die Kommune, die Stadt, das Dorf, der Verein. Da bin ich selbst gefordert und nicht nur Zuschauer. Was zu tun ist, was geschieht, es geht mich persönlich etwas an. Und ich kann selbst etwas beitragen. Jeder und jede kann etwas beitragen. Zum Glauben gehört der Auftrag zur Gestaltung der Welt. In einer Zivil- und Bürgergesellschaft wird dieser Auftrag als Einladung und Aufforderung zugleich betrachtet, sich einzubringen – als Einzelner und zusammen mit anderen.

Suchet der Stadt Bestes ist ein Leitmotiv der Arbeit, für die ich seit zwölf Verantwortung trage. Dort bearbeiten wir in Tagungen die Themen, von denen schon eingangs die Rede war: Wie lassen sich Kriege verhindern? Wie sieht ein gerechter Frieden aus? Was können wir gegen die Erdüberhitzung tun? Wie wird Künstliche Intelligenz unser Leben prägen? Das sind nur vier Themen von mehreren Dutzend Fragen, die wir in Tagungen aufgreifen, zu denen Menschen aus ganz Bayern und auch aus anderen Bundesländern kommen. Interessierte, die ein ganzes Wochenende diskutieren, ein Thema von allen Seiten betrachten, manchmal auch streiten, die sich orientieren, ihren eigenen Horizont erweitern, ein eigenes Urteil bilden möchten, mitreden wollen. Die nach Lösungen suchen, wenigstens nach Teillösungen, die ausprobieren, wie nächste Schritte, wie ein vernünftiger Kompromiss aussehen könnte.

Gott ist da – engagiert euch. Wir spüren: Hier geht es um die Haltung – meine Haltung, meine Einstellung. Wie ich den Herausforderungen begegne. Darin liegt auch eine Ermutigung zum kritischen Denken. Sich nicht verführen zu lassen von den Vereinfachern, von denen, die die Abgrenzung betonen – wir und die. Sich nicht verführen zu lassen on denen, die hasserfüllt andere abwerten. So kommen wir in unserer Gesellschaft nicht weiter.

Hoffnung auf Zukunft entsteht dort, wo Menschen sich zusammenfinden, das Gemeinsame herausarbeiten und nicht zuerst das Trennende betonen. Für einen allein sind die Herausforderungen natürlich zu groß, eine Überforderung. Deshalb ist es gut, sich mit anderen zu verbinden.

Und welche Rolle könnte der Glaube spielen? Er ist – wie wir bei Jeremia oder bei Bonhoeffer sehen – eine Ressource. Ich könnte auch sagen: Motivation. Die Welt verändern zu wollen – mit anderen und für andere –, das ist Motivation. Diese Ressource macht Glaubende nicht zu Besserwissern. Sie macht Glaubende aber zu Menschen, die im Vorfindlichen noch nicht das Endgültige sehen. Die vom Leid anderer nicht unberührt bleiben. Die sich interessieren für das, was um sie herum geschieht. Die Spielräume ausloten, sich beteiligen, mit anpacken, Verantwortung übernehmen. Die den ersten oder den nächsten Schritt wagen. Die im Wir einen Mehrwert für die Gesellschaft der Verschiedenen sehen. Die sich durch Scheitern nicht entmutigen lassen. Die immer wieder neu anfangen.

Der tröstende und ermutigende Ton der biblischen Worte klingt über die 2600 Jahre hinweg nach. Gott ist da, sagt Jeremia. Auch wenn du im Moment nicht weiterweißt: Lass dich nicht irre machen in deinem Glauben. Dein Gottvertrauen gibt dir Kraft. Das ist Trost, den wir uns gegenseitig zusprechen und die Ermutigung, mit unserem Engagement der Platzanweisung Gottes zu folgen und der Stadt Bestes zu suchen. Darauf liegt viel Segen für die Gemeinschaft, in der wir leben! Amen.

Fastenpredigten 2023 in der Johanniskirche

Akademiedirektor Udo Hahn, © Haist/eat archiv

Fastenpredigt III: “Suchet der Stadt Bestes“ mit Musik von JohannisBrass

So, 26.3.2023 mit Pfarrer Udo Hahn

Pfarrer Udo Hahn ist bekannt als Rundfunkprediger und Publizist. Er leitet seit 2011 die Evangelische Akademie Tutzing. Er war u.a. Redakteur beim Rheinischen Merkur und Oberkirchenrat der EKD. Für die Fastenpredigt kehrt er zurück zu seinen Wurzeln. In Lauf geboren hat er hier Abitur gemacht, in Neunkirchen am Sand ist er aufgewachsen. Die FastenpredigerInnen in der Johanniskirche Lauf 2023 geben Orientierung in aktuellen Herausforderungen, getragen von persönlichen und beruflichen Erfahrungen.

Der Gottesdienst findet am 23.3. um 9:30 Uhr in der Johanniskirche statt und werden musikalisch von JohannisBrass gestaltet. Danach gibt es die Möglichkeit zur persönlichen Begegnung mit den PredigerInnen beim Kirchenkaffee im Johannis-Saal.

“Herausforderungen unserer Zeit”

Kriege, Klimawandel und Künstliche Intelligenz sind wahrscheinlich die größten Themen im Jahr 2023 in unserer Gesellschaft. Wie begegnen wir ihnen? Wozu sind wir herausgefordert? Welche Rolle könnte Glaube spielen?

Diese Gottesdienste in der Passionszeit finden alle 14 Tage jeweils um 9:30 Uhr in der Johanniskirche statt und werden musikalisch umrahmt. Danach gibt es die Möglichkeit zur persönlichen Begegnung mit den PredigerInnen beim Kirchenkaffee im Johannis-Saal.

Elke Kaufmann ©Elaine Schmidt

Hier die Fastenpredigten 2023 zum Nachlesen!

Fastenpredigt I: „Wut und Beistand bei Hiob und heute“

So, 26.2.2023 mit Dr. Elke Kaufmann.

Elke Kaufmann ist geschäftsführende Vorständin des Diakonischem Werks der Dekanate Neumarkt, Altdorf und Hersbruck. Als gelernte Sozialpädagogin begann sie in der Dekanats­jugend, arbeitete als Gerontologin im Sozialdienst und Quartiersmanagement bei DIAKONEO und übernahm am Zentrum für Altersmedizin zunehmend mehr Geschäftsführungsaufgaben.

Unsere FastenpredigerInnen in der Johanniskirche Lauf 2023 geben Orientierung und machen Vorschläge, getragen von persönlichen und beruflichen Erfahrungen.

David Geitner ©privat

Hier zum Nachlesen!

Fastenpredigt II: „Berühre meine Wunden“ – Anteilnahme als Auftrag Christi in unserer Gesellschaft?!“

So, 12.3.2023 mit Diakon David Geitner. David Geitner ist seit Februar 2023 Berater für Kirchenasyl der Evangelischen Landeskirche in Bayern. Er arbeitete sieben Jahre bis Ende 2020 als Jugendleiter und in der Flüchtlingsberatung in unserer Kirchengemeinde Lauf. Zuletzt war er Geschäftsführer für Kindertagesstätten im Dekanat Hersbruck. Er ist Rummelsberger Diakon und hat zusätzlich einen Abschluss als Betriebswirt (VWA)

2. Fastenpredigt 2023: „Berühre meine Wunden“ – Anteilnahme als Auftrag Christi in unserer Gesellschaft?!“ – zum Nachlesen

Die Fastenpredigt vom So, 12.3.2023 mit Diakon David Geitner. zum Nachlesen

David Geitner ©privat

David Geitner ist seit Februar 2023 Berater für Kirchenasyl der Evangelischen Landeskirche in Bayern. Er arbeitete sieben Jahre bis Ende 2020 als Jugendleiter und in der Flüchtlingsberatung in unserer Kirchengemeinde Lauf. Zuletzt war er Geschäftsführer für Kindertagesstätten im Dekanat Hersbruck. Er ist Rummelsberger Diakon und hat zusätzlich einen Abschluss als Betriebswirt (VWA)

PREDIGT:

Liebe Gemeinde,

ein warmer Tag im vergangenen Sommer, als ich einen plötzlichen Anruf erhielt: Einer irakischen Familie mit drei Kindern droht die Abschiebung nach Polen. Die Kinder bereits zur Schule, sprachen deutsch und waren bei uns angekommen. Traumatische Erfahrungen hatten diese bereits hinter sich. Und nun zurück in ein Land, indem ihnen Obdachlosigkeit und Armut drohten. Bis kurze Zeit zuvor waren Abschiebungen ausgesetzt, da die polnischen Behörden mit der Unter-bringung überfordert waren.

Ein paar Telefonate später war klar, dass wir die Familie in den Kirchenräumen aufnehmen werden. Ehrenamtliche, Hauptamtliche – alle halfen zusammen.

Als ich die verängstige Familie schließlich in ihre neue Bleibe brachte und alle ihre Betten bezogen waren, kam die neunjährige Tochter auf mich zu. Umarmte mich, weinte und sagte dann leise: „Dankeschön! Jetzt sind wir in Sicherheit.“ Von dieser Begegnung war ich tief ergriffen und sie hat den heutigen Predigttext für mich lebendig werden lassen. 

26Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! 27Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!

Thomas erkennt Jesus den Retter der Welt an dessen Wunden. In ihnen nimmt er das Wesen Gottes, die allesumfassende Liebe war.

Das spannende für mich an dieser biblischen Geschichte ist, dass es dabei nicht um eine theologische Überlegung über die physische Präsenz Jesu geht. Nein, es geht vielmehr um eine tiefere Dimension unseres christlichen Glaubens: Thomas ist emotional ergriffen, als er angesichts der Wunden erkennt und begreift, dass der Auferstandene und der Gekreuzigte der Gleiche sind.

Auch mir ging es in der Situation mit der Familie und in zahlreichen anderen Gesprächen und Begegnungen mit Geflüchteten, die sich in emotionalen Ausnahmesituationen befinden so. Gott ist da!

In den Wunden der Welt kann auch ich Christus erkennen. Überall dort wo ich der Aufforderung Gottes, dem Evangelium folge und mich den Wunden unserer Welt zuwende: Dort IST Gott. Gott ereignet sich überall dort wo Menschen sich vom Leid der Welt ansprechen und in Bewegung bringen lassen.

Hinsehen und Hingehen, zu den Menschen die Not leiden, ausgeschlossen werden und ausgegrenzt sind wird so zur Gotteserkenntnis.  

Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!

Liebe Gemeinde,

es ist gerade Passionszeit: Eine Zeit, die uns zeigt, dass der gnädige Gott gleichzeitig der gekreuzigte, leidende, grausamst möglich von Menschen hingerichtet und erniedrigt, aller Menschenwürde beraubte Gott ist.

Das Glaube an Christus und der Blick auf das Kreuz von der Empfindsamkeit, von der Anteilnahme für den Schmerz der Welt leben.

Thomas hat das erkannt. Er musste dafür die Wunden nicht tatsächlich berühren, sondern allein die Zuwendung, der Anblick haben ausgereicht, dass er in ihnen das Wesen Gottes erkannt hat

Wenn ich mich den Verwundeten dieser Welt zuwende, weisen mich diese verlässlich und einmalig auf Christus hin. Denn mit ihnen und ihnen ist Gott präsent.

Dann bekommt die Passionsgeschichte mit dem Leiden Jesu für mich plötzlich einen Sinn.

Gott ist in dieser Welt gegenwärtig. Er wirkt in und durch Liebe – manchmal trotz allem Augenschein – sorgt er inmitten und trotz scheinbaren Chaos für die Heilung der Welt.

Er zeigt uns dabei, dass er sich am Kreuz einmalig und letztmalig auf einen konsequenten Weg der Liebe und Zuwendung mit den Menschen einlässt.

Indem er sich aus der Welt herauskreuzigen ließ, indem er die Brutalität von Leid und Tod offengelegt hat, hat er gleichzeitig dem Leid und Schmerz die Macht genommen. Mit Blick auf das Kreuz dürfen wir wissen, dass Gott selbst inmitten des Schmerzes der Welt präsent ist.

Ein solcher Glaube und eine solche Zuversicht erscheinen vielleicht als eine Zumutung angesichts der Bilder aus der Ukraine oder anderen Kriegsgebieten und angesichts der Flüchtlingssituation an den europäischen Außengrenzen. Aber das Wort Zumutung trifft vielleicht genau, worum es beim Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit geht.

Denn Glaube ist keine esoterische Praxis mit Jesus Christus als Spiritual-Leader für ein besseres und sorgenfreieres Leben. Glaube entsteht und bewährt sich vielmehr genau dort, wo das Dunkel uns umstellt und keine menschliche Hoffnung zu sehen ist.

ZuMUTung meint: Dass den Menschen angesichts der Begegnungen mit den Wunden der Welt auch Mut erwachsen kann, Kraft zum Leben, Hoffnung auf Gottes Liebe und Barmherzigkeit.

Unser Kirchenvater Martin Luther hat es einmal folgt formuliert: „Christus kommt nicht so, dass er äußerliche Dinge ändern oder seine Schöpfung zerstören und anders machen wolle. […] Das ist aber ist die rechte Änderung, um welcher Christus gekommen ist: Das ein Mensch inwendig im Herzen anders werde.“

Denn die Passionsgeschichte ist der Beginn der Heldenerzählung unseres Gottes: Eine Erzählung des Glaubens, deren Held der menschenfreundliche Gott ist, der uns in Gemeinschaft ruft, der die Welt aus Liebe erlöst hat, der sich behutsam, zärtlich und leidenschaftlich mit der geballten Macht des Bösen auseinandergesetzt hat und der das Reich Gottes errichten wird, indem es weder Leid noch Tod noch Schmerz gibt.

Ostern zeigt mir, perspektivisch an Jesus – dass all das Böse eines Tages verschwunden sein und die Gemeinschaft mit Gott – vollendet werden wird. Wenn wir im Licht der Auferstehung auf die Welt blicken, sehen wir unser Schicksal:

Das wir bei Gott, eine Zukunft haben. Dann erfahren wir die Gewissheit, dass die Liebe Gottes nicht scheitern wird.

Und: Wenn wir die Auferstehung als wahrhaftig sehen, dann spüren wir die weltrevolutionäre Kraft, die von ihr ausgeht. Dann erfahren wir das Programm, welches Gott mit uns in dieser Welt vorhat: Die Welt zu verwandeln: An-Zu-Lieben in und gegen diese Welt

„An-Lieben“ verstanden als ein verwandelter Blick – im Geiste Gottes – auf und in diese Welt hinein. Als Vorgriff und mit einem glaubenden Geist verbunden mit der Gewissheit, dass der Mensch – ja die Schöpfung – eine Zukunft hat:  Das ewige Leben – Bei Gott!

Denn Gotteserkenntnis ist in der Bibel niemals nur ein kühles, objektives Wissen über Gott und die Welt. Es ist mehr als eine ontologische Bestimmung. Man kann Gott nicht aus der Distanz wahrnehmen.

Gott zu erkennen, führt zu einem verwandelten Herzen, einer Verwandlung unserer selbst, einer Angleichung unseres Lebens an das Wesen Gottes. Man kann es auch so sagen: Das Herz, mit dem man Gott erkennt, muss selbst vom Herzschlag der Barmherzigkeit, dem Recht und der Gerechtigkeit Gottes bestimmt sein. Wer Gott erkennt, wird von ihm verwandelt werden.

Wir selbst, die wir Gott zu erkennen suchen, werden Künder und Trägerinnen, Botinnen und Praktiker von Gottes Barmherzigkeit, Gottes Recht und Gottes Gerechtigkeit in der Welt.

Hier liegt die Aufgabe: Wir sind Instrumente für Gottes Barmherzigkeit, wir wollen uns von Gott gebrauchen lassen und den Menschen dienen.  

Nicht aus der Distanz, nicht durch bloße Almosen sondern verstanden als Bestimmung sich selbst hineinzustellen in den Strom der Liebe, Treue, Ehrlichkeit und Zuwendung Gottes zu den Menschen.

Als Christ kann ich nicht anders als empfindsam zu sein für die Sorgen und Nöte der Armen und Schwachen.

Liebe Gemeinde,

  • „Ich kann gar nicht anders“

…. sagte z.B. die Benediktinerin Mutter Mechthild, als sie vor zwei Wochen vor Gericht gefragt wurde, warum Sie mehreren Frauen welche in Italien schwer misshandelt wurden Kirchenasyl gewährt hat.

  • „Ich kann nicht anders: Als Helfen, immer wieder“…

… sagt ein Mitarbeiter der Drogenberatung, nachdem gerade ein Klient die Entgiftung ein weiteres Mal abgebrochen hat und zum wiederholten Mal traurig vor Ihm steht.

  •  „Ich kann nicht anders“

… sagte im vergangenen Jahr die Bayreuther Regionalbischöfin Dr. Greiner, als sie die Initiative ergriff zum Schutz iranischer Christen vor Abschiebung in ein tödliches Regime

„Wir können nicht Menschen taufen und sie dann allein lassen, wenn Gerichte ihren Glauben bezweifeln“.

  • „Wir können nicht anders“

…. sagen die „See Eye“-Mitglieder, die ihr Seenotrettungsschiff nach dem kleinen dreijährigen Jungen benannt haben, der im September 2015 an den Strand angespült wurde: Alan Kurdi. Seine Eltern waren mit ihm vor Krieg und Folter geflohen.

Liebe Gemeinde,

als Christ kann auch ich nicht anders, als in allen persönlichen, gesellschaftlichen und politischen Prozessen auf Gottes Gerechtigkeit hinzuweisen. Mich aufzumachen zu den Wunden der Welt. Anteil zu nehmen. Und in dieser Anteilnahme, im Dialog erfahre und erlebe ich das Wesen Gottes immer wieder neu

Als Beschenkter, habe ich selbst seine Barmherzigkeit erfahren. Er hat mein Leben zurechtgebracht. Da stehe ich nun unter dem Kreuz und bin ein begnadigter Sünder, und als solcher darf ich mich auf den Weg zu den Wunden in dieser Welt machen.

Und hoffe auf Menschlichkeit angesichts des Unmenschlichen, liebe verzweifelt, glaube dem unverhofften Guten, trotz und gegen alle Wahrscheinlichkeit, stehe ich im Vertrauen auf dem schwankenden Boden in der Hoffnung, dass Gott auch in einer Welt voll Bösen “eine feste Burg ist”, wie es in dem Kirchenlied von Martin Luther heißt.

Und so schließe ich mit einem Gebet.

  • Möge Gott dich segnen mit Unbehagen Gegenüber allzu einfachen Antworten, Halbwahrheiten und oberflächlichen Beziehungen, damit Leben in der Tiefe deines Herzens wohnt.
  • Möge Gott dich mit Zorn segnen Gegenüber Ungerechtigkeit, Unterdrückung Und Ausbeutung von Menschen, damit du nach Gerechtigkeit Gleichberechtigung und Frieden strebst.
  • Möge Gott dich mit Tränen segnen, zu vergießen für die, die unter Schmerzen, Ablehnung, Hunger und Krieg leiden, damit du deine Hand ausstreckst, um sie zu tröten und ihren Schmerz in Freude zu verwandeln.
  • Und möge Gotte dich mit der Torheit segnen, daran zu glauben, dass du die Welt verändern kannst, indem du Dinge tust, von denen andere meinen, es sei unmöglich sie zu tun.

Und der Friede, welcher höher ist als all unsere menschliche Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Einzelne Textpassagen sind aus:

Frisch, Ralf „Was können wir glauben – Eine Erinnerung an Gott und den Menschen“ erschienen im Kohlhammer-Verlag

Halik, Thomas: „Berühre die Wunden – Über Leid, Vertrauen und die Kunst der Verwandlung“ erschienen im Herder Verlag

MUSIK UND TEXTE ZUR STERBESTUNDE

Karfreitag, 7. April,   15.00 Uhr Johanniskirche, Lauf an der Pegnitz

Musik:  Michaela Aichele (Sopran), Silke Kupper (Orgel)

Eva Maria Küttner, Lina Kupper (Violine)       

Jan-Peter Hanstein, Texte

Musik und Texte laden dazu ein, den Leidensweg und das Sterben Jesu Christi zu bedenken. In der Frömmigkeit evangelischer Christen kommt dem Karfreitag ein besonderer Rang zu. Er gilt vielfach als höchster Feiertag des Kirchenjahres. In der Andacht wird dem Leidensweg Jesu mit Lesungen und Musik nachgespürt. Die Sängerin Michaela Aichele musiziert gemeinsam mit Silke Kupper an der Orgel und Eva Maria Küttner und Lina Kupper (Violine) Arien und Lieder von Johann Sebastian Bach. Lieder und die Orgelwerke drücken das Passionsgeschehen musikalisch aus. Der Gottesdienst wird liturgisch von Pfarrer Jan-Peter Hanstein gestaltet.
 
Der Eintritt ist frei.

1. Fastenpredigt 2023: „Wut und Beistand bei Hiob und heute“ zum Nachlesen

Die Fastenpredigt vom So, 26.2.2023 mit Dr. Elke Kaufmann zum Nachlesen

Elke Kaufmann ©Elaine Schmidt

Elke Kaufmann ist geschäftsführende Vorständin des Diakonischem Werks der Dekanate Neumarkt, Altdorf und Hersbruck. Als gelernte Sozialpädagogin begann sie in der Dekanats­jugend, arbeitete als Gerontologin im Sozialdienst und Quartiersmanagement bei DIAKONEO und übernahm am Zentrum für Altersmedizin zunehmend mehr Geschäftsführungsaufgaben.

PREDIGT:

Liebe Schwestern und Brüder,

Welcher Versuchung können Sie nicht widerstehen?

Schokolade? Mal schnell die neuesten Nachrichten am Handy checken?

Das letzte Wort zu haben?

Immer wieder erliegt der Mensch den Versuchungen von Besitz, Macht und Geltungsdrang.

Auch Jesus war diesen Versuchungen ausgesetzt; doch er hat sie überwunden. Er wanderte ohne Habe durch die Welt, er wollte die Macht über Leben und Tod nicht und er wollte auch nicht als großer Heiler dastehen.

In unserem heutigen Predigttext geht es um die wohl größte Versuchung, die man sich vorstellen kann: Das Leid.

Hiob 2, 1-13

21Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den Herrn traten, dass auch der Satan mit ihnen kam und vor den Herrn trat.
2Da sprach der Herr zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen. 3Der Herr sprach zu dem Satan: Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben.

4Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. 5Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht fluchen! 6Der Herr sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben!

 7Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des Herrn und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel. 8Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche. 9Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb! 10Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?
In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.

11Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn sie wurden eins, dass sie kämen, ihn zu beklagen und zu trösten. 12Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt 13und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.

Amen.

Hiob leidet – unverschuldet.

Ganz viele Beispiele fallen mir dazu ein und nicht wenige erst aus den letzten drei Jahren: Das qualvolle Ersticken der Menschen am Anfang der Covid-Pandemie, die Einsamkeit vieler auf dem Höhepunkt der Lockdowns, die Bomben auf die Ukraine, die Verschütteten in der Türkei und in Syrien jetzt bei uns die zunehmende Armut in manchen Familien, weil das Geld nur für Strom oder Kinderschuhe in der richtigen Größe reicht.

Das Leid gehört zum Leben dazu.

Das Leid wirft verschiedene Fragen auf, Fragen des Miteinanders und des gelingenden Lebens:

Erstens: Was kann ich als Freund oder Freundin, als Verwandte, als Nächster tun?

Zweitens: Wie gehe ich als Betroffene gut damit um?

Drittens: Die Frage nach dem Warum? Wie kann Gott das zulassen?

– Bitte sehen Sie es mir nach: Diese letzte Frage will ich den Experten, den Theologinnen und Theologen überlassen.

Ich stehe hier als Sozialarbeiterin, als Dienstgeberin, als Mensch und suche nach Antworten auf die ersten beiden Fragen.

Die Geschichte erläutert die Fragen nach dem Leid nicht nur, ja sie inszeniert sie richtiggehend wie in einem dramatischen Bühnenstück.

Hiob wird in Szene gesetzt als das Opfer eines bizarren Handels zwischen Gott und dem Satan. Der Satan argwöhnt: Hiob sei nur fromm, weil es ihm gutgeht. Gott glaubt an die Treue Hiobs, er glaubt daran, dass Hiob sich nicht in Versuchung führen lässt – Deshalb lässt er sich darauf ein.

Das Buch Hiob erzählt keine Wirklichkeit, sondern ist eine Art „geistlicher Roman“, wie ich gelesen habe. Ein Roman, der uns Antworten geben kann, auf unsere Fragen.

Also sehen wir mal:

Zur ersten Frage, was kann ich als – Freund oder Freundin, als Nächster – tun?

Zwei Beispiele bietet der Text: Die Ehefrau und die Freunde.

Zunächst zu den Freunden: Sie reagieren schockiert, sie solidarisieren sich, sie schweigen mit ihm.

Die Freunde sind die Sympathieträger in diesem Stück.

Sie stehen Hiob wortlos bei, 7 Tage und Nächte lang. So viel Mitgefühl und Stärke muss man erst einmal aufbringen. Dabei­bleiben, sich dazusetzen, Schweigen, Stille und Tränen aushalten, auch wenn man sich hilflos fühlt. Die Freunde bieten keinen schalen Trost, sondern setzten sich zu ihm in den Dreck. Eigentlich sind sie gekommen, um ihn zu trösten, aber angesichts seines Elends bleibt ihnen jeder lapidare Zuspruch im Hals stecken. Sie sehen wie begrenzt ihre Möglichkeiten sind, sie spüren die Grenzen ihrer Macht.

Meiner Erfahrung nach liegt hier die erste große Versuchung im Umgang mit dem Leid: Zu glauben, dass man die Macht hat, zu retten. In der Sozialen Arbeit nennt man das „Helfersyndrom“: Wenn jemand anderen hilft, nicht aus Erbarmen oder Solidarität, sondern weil es ihm oder ihr selbst ein gutes Gefühl gibt.

Die Freude hingegen leisten Hiob Beistand, so gut es eben geht. Beistand leisten – das ist das, was wir als Nächste tun können!

Das zweite Beispiel für den Umgang mit dem Leid, liefert die Ehefrau:

Sie hat die wenig attraktive Rolle in dem Bühnenstück, ein wenig wie der Hofnarr an früheren Fürstenhäusern. Sie spricht aus, was alle denken, aber keiner zu sagen wagt; sie ist wütend, provokant, latent aggressiv – und – wenn wir uns Hiob wirklich auf dem Müllberg vor dem Dorf vorstellen – in aller Öffentlichkeit.  

Ist sie ihm darin nicht auch eine Nächste? In dem sie nüchtern zur Sprache bringt, was auch eine Möglichkeit wäre – und Hiob damit den Anstoß gibt, sich zu positionieren.

Ich glaube, die Ehefrau wird ihm zum Nächsten durch ihr ehrliches Aussprechen, durch ihre Wut.

Er kommt nämlich erst mit den provokanten Äußerungen seiner Frau aus seiner Wortlosigkeit, die vielleicht auch eine innere Erstarrung war. Sie bringt Bewegung in die Sache! Manchmal bringt uns erst eine klare Forderung von außen dazu, uns zu überlegen, was wir eigentlich wollen und denken.

Seine Frau wird ihm darin zur Nächsten, dass sie ihn in Bewegung bringt. Seine Frau empfiehlt gerade das, was die Absicht des Satans war. Hiob schilt sie deshalb „töricht“, das ist – so hab ich es gelesen, nach der Bibel jemand, der nicht mit Gott rechnet.

Vermutlich wird hier eine weitere Versuchung, die das Leid anderer mit sich bringt, in Szene gesetzt: Nämlich aufzugeben, die Hände in den Schoß zu legen  und zu jammern: Es hilft doch alles nichts! Wenn man in den Nachrichten von all dem Elend rings um uns her hört, von dem politischen HickHack, kommt man schon leicht in Versuchung zu sagen: Ich kann eh nichts ändern.

Doch: Wir können etwas ändern! Wie können den Leidenden zum Nächsten werden! Ich glaube, Beides tut Not: Wut und Beistand.

Die Wut, um auf die Straße zu gehen und Ungerechtigkeiten zu benennen, Veränderungen auf den Weg zu bringen, die Erstarrung und den Verdruss aufzulösen. Die Wut hilft, einen Missstand öffentlich zu machen und nicht wegzusehen. Der öffentliche Aufschrei rüttelt manchmal auch die Betroffenen selbst wach, die sich des Unrechts, das ihnen geschieht, gar nicht bewusst sind.

Und natürlich braucht es auch den Beistand, Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Es braucht das Pflegen, das Kleiden, das Beherbergen, das Beraten, das Begegnen.

Als Diakonie ist das genau unsere Aufgabe: Hinzusehen, Ungerechtigkeiten zu erkennen und klar zu benennen und den Leidenden beizustehen, sich zu solidarisieren und Hilfe anzubieten

Nun zur zweiten Frage:

Wie kann ich als Betroffene besser mit eigenem Leid umgehen? Wie geht Hiob mit dem Leid um, das ihm widerfährt?

Hiobs Reaktion auf seine Erkrankung wird in V. 8 fast teilnahmslos geschildert. Kein Wort über die Schmerzen, kein Wort über die Verzweiflung, keine Klage, keine Frage, überhaupt kein Laut kommt aus seinem Mund.

Eine ganz normale erste Reaktion auf Leid, Schicksalsschläge und Traumata ist das.  Elisabeth Kübler-Ross beschreibt in ihrem Buch über Sterben und Trauer die Erstarrung als eine notwendige Reaktionsform auf eine fürchterliche Nachricht. Der Gedanke „Jetzt reicht es, ich mag nicht mehr!“ ist ganz normal.

Die Versuchung liegt wohl darin, in dieser Erstarrung steckenzubleiben, jeden Vorschlag, jeden Beistand abzulehnen, weil es ja doch nichts bringt und zu glauben, dass man auch selbst nichts ändern kann.

Hiob fügt sich in sein Schicksal: Seine Hautkrankheit verlangt, dass er die menschliche Gemeinschaft verlassen muss, er setzt sich außerhalb des Dorfes auf den Aschen – und Abfallhaufen.

Er übt sich in Demut –  Bewundernswert mutig fügt er sich in sein Schicksal.

Das mit der Demut fällt mir selbst – offen gesagt – nicht so leicht. Ich sehe hier Hiobs Verhalten als Einladung, als Anregung auszuprobieren, wie sich das anfühlt, das Vertrauen in den Mittelpunkt zu stellen. Der gläubige Hiob geht weiter, als ich es mir vorstellen kann und will. Hiob nimmt das Leid an.

Erst auf die Vorhaltungen seiner Frau hin, löste er sich aus seiner Erstarrung. Und im darauffolgenden Kapitel findet Hiob Worte für sein Elend. Immer entschiedener verlangt Hiob schließlich Antwort von Gott selbst. Er klagt Gott an:  Er hat meinen Weg vermauert … und Finsternis auf meinen Steig gelegt. … Er hat mich zerbrochen und meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum…Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch und nur das nackte Leben brachte ich davon.

In seiner Klage kann Hiob uns ein weiteres Beispiel geben. Er schimpft, er zetert, er fordert Gott heraus und er bleibt im Kontakt mit ihm. Er glaubt daran, dass Gott Gutes und Böses in seiner Hand hält und jedes Schicksal wenden kann.

Also, was kann ich als Betroffene versuchen, wenn ich leide?

Ich kann mich in Demut üben, die kann die Erstarrung überwinden, mich trösten lassen, Hilfe annehmen

und – wie wir bei Hiob sehen – wichtig ist es, in Verbindung mit Gott zu bleiben  – wenn es sein muss mit Weinen und Wehklagen, so wie es in dem Lied heißt: All Eure Sorge werft auf ihn.

Wie kann also es gelingen mit Leid umzugehen – mit dem eigenen und mit dem eines anderen?

Das Beispiel Hiob zeigt, wie im Angesicht des Leides, ein Weiterleben und vor allem ein Bleiben im Glauben möglich ist. Mit Demut und Klage, mit Wut und Beistand.

Amen.

Wochenlied: 347, 1-4 Ach bleib mit deiner Gnade

Predigtlied: 369, 1-6 Wer nur den lieben Gott lässt walten

631 All Eure Sorge werft auf ihn

Quellen:

Gottesdienstinstitut der ELKB, Lesegottesdienst 2023_02_26, Autorin: Christiane Murner

Bergmoser & Höller (Hrsg.), 2023, Invokavit

Erschütternde Schönheit und große Meisterschaft von Kilian Langrieger.

Erfolgreicher Start der neuen Reihe „passion:piano::st. jakob“

Kilian Langrieger beim Einspielen am Bechstein-Flügel in St. Jakob. Foto: Hanstein

Etwa 45 bis 50 Zuhörer erlebten am vergangenen Samstag den 11.2. einen fulminanten Konzertabend der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Lauf a. d. Pegnitz. Der 24 Jahre junge Pianist Kilian Langrieger aus Schierling im Landkreis Regensburg, Absolvent des Konservatoriums F. A. Bonporti Trient/Italien, begeisterte sein Publikum in St. Jakob mit vier Präludien und Fugen von J. S. Bach, zwei Sonaten von W. A. Mozart und F. Chopin am Flügel und einer Zugabe.

Pfarrer Jan-Peter Hanstein begrüßte unter den Gästen auch die Eltern des Pianisten, die ihm seit seiner ersten Pfarrstelle in Neustadt/Donau seit 20 Jahren freundschaftlich und musikalisch verbunden sind.

Kilian Langrieger gab zunächst vier Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier Band 1 von Bach. Darunter waren die beiden ersten in C-Dur und c-Moll, deren Präludien vielen aktiven Klavierspielern bekannt sein dürften, deren Fugen jedoch gehobene Anforderungen stellen. Dagegen sind Nr. 12 in f-moll und Nr. 20 in a-moll nur von geübten Pianisten zu bewältigen. Bach ist für Langrieger elementar für alle nachfolgende Musik. Er spürte mit Emotion und Intensität den überwältigenden Wendungen und Lösungen nach, die für Bach charakteristisch sind. Hierbei blitzte schon die tiefe Gestaltungskraft und Darstellungsgabe Langriegers auf, die zu luzider Entflechtung der kompositorischen Dichte der beiden vierstimmen Fugen in C-Dur und a-moll führten. Die monumentale Größe der letzten in a-moll, die er in berückender Geschwindigkeit anging, brachte ihm den ersten begeisterten Applaus. Hier zeigte er erstmals die Klangfülle, die das für die Orgel komponierte Stück erfordert und die Möglichkeiten des etwas verstimmten Bechstein-Flügels bis an dessen Grenzen erprobte.

Es folgte die Sonate Nr. 12 in F-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart. Bei Mozart ist gleichsam jeder Ton weltberühmt. Alles ist bei seinen Kompositionen perfekt: keine Note zu viel, keine zu wenig und alles am richtigen Platz. Es klingt so leicht und ist gleichzeitig so schwer. Rein und klar glitzerten Langriegers Läufe, niemals den für Mozart angemessenen zurückhaltenden Kammerton überschreitend. Die drei Sätze mit dem Allegro zu Beginn, dem folgenden Adagio und dem Allegro assai perlten makellos von den Tasten ins Oval von St. Jakob. So mitreißend jugendlich zeigte Kilian Langrieger seinen höchst entwickelten Anschlag, dass manchem Zuhörer der Atem stockte. Danach ging man geistig beschwingt in die Pause und konnte sich an der Bar erfrischen.

Aufmerksame Spannung lag vor der dritten Sonate in h-moll von Frédéric Chopin, dem unbestreitbare Hauptwerk des Abends, das schon drei Jahre nach seinem öffentlichen Erscheinen in Druckform vom Pariser Konservatorium zum Pflichtstück der Abschlussprüfungen aller Pianisten angesetzt wurde. Langrieger nahm die zunehmend staunenden Zuhörer auf eine spirituelle Reise mit. Episoden emotionaler Ausbrüche wechseln sich ab mit fröhlichen tänzerischen Erinnerungen und abgründigen Reflexionen. Sogar eine Fuge als Hommage an Bach ist eingebaut. In jeder Passage spürte man die Dichte und jahrelange Auseinandersetzung mit diesem Werk, das Kilian Langrieger mit seinem ganz eigenem Ausdruck und Stil meisterhaft interpretierte. funkelnde Läufe und wahnwitzige Kaskaden wechseln sich ab mit unerhörten Inversionen, in dem sich Hörer in einer dunklen Unterwasserhöhle wähnen. Der 38-jährige Chopin hat diese letzte von nur drei Sonaten nach dem Tod seines Vaters komponiert und sie stellt emotional und technisch höchste Anforderungen an die Pianisten. Unendlich große Schwierigkeiten sind zu überwinden. Ob Chopins Klangreichtum oder seine Melodien von hinreißender Schönheit, schließlich seine kraftvollen Akkordkaskaden: alles, wirklich alles ist dem jungen Pianisten hier in überzeugender Weise gelungen. Im Scherzo vivace, das noch immer gestandene Pianisten vor manches technische Rätsel stellt, ließ Langrieger dieses aufs knappster Strecke sich entfaltende Tongedicht brillant aufblitzen. Das Largo erschütterte manchen Zuhörer in Innersten, es gelang so elfenhaft zart und paradiesisch schön, wie man sich es nicht schöner hätte vorstellen können. Das Finale „Presto man non tanto“ hob im notierten Marcatissimo an, verharrte kurz auf der Fermate, ehe das Agitato in einem wahren Höllenritt ausartete.

Am Ende stand ein langer Applaus der faszinierten Zuhörer, die sich einig waren, dass sie dem Anfang der großen Zukunft eines jungen Meisters beiwohnen durften, der hoffentlich bald wieder in Lauf Piano spielt und sie in nie gehörte Welten führen wird. Mit einer innig-mystischen Zugabe von Arvo Pärt schloss der künstlerische Teil des Abends.

Der Beginn der neuen Reihe „passion:piano::st. jakob“ in Lauf ist fulminant gelungen und macht Lust auf mehr!

Text: Jan-Peter Hanstein mit Zitaten aus Gesprächen und Texten von und mit Hannes und Kilian Langrieger

Kilian Langrieger  ©Foto Michael Vogl

Die neue Reihe passion:piano :: st. jakob bietet Ihnen Musik im ansprechenden Ambiente von St. Jakob, einem modernen Ort der Gemeinschaft und des Gebets. In St. Jakob präsentieren professionelle KünstlerInnen wunderbare Stücke aus ihrem Repertoire am Bechstein-Flügel. Begleitet z.B. von einem Akkordeon, einem Cello, einer Geige, der Stimme einer Sopranistin, einer Tänzerin oder ganz allein, kann das Piano mit Passion gehört werden und Kunst uns beflügeln.
 

Gemeinde: Fair und nachhaltig

Unsere Kirchengemeinde bekommt die Auszeichnung „Gemeinde: Fair und nachhaltig“ verliehen.

Die Überreichung von Urkunde und Plakette erfolgt im Gottesdienst am 5. Februar um 10.45 Uhr im Gemeindezentrum St. Jakob.

Die neue Auszeichnung für bayerische evangelische Kirchengemeinden vereint die Themen fairer Handel, weltweite Partnerschaft und Umweltverantwortung. Brot für die Welt, Mission EineWelt und die Umwelt- und Klimaarbeit in der ELKB arbeiten bei diesem Projekt zusammen und haben die Auszeichnung „Gemeinde: Fair und nachhaltig“ entwickelt. Der Glaube an den Schöpfer-Gott, der in Christus Mensch und nahbar geworden ist, begeistert Christinnen und Christen, der Frage nach einer gerechteren Welt nachzugehen: Einer Welt, in der Arbeit fair entlohnt wird, genug für die Bedürfnisse aller da ist und in der mit den uns geschenkten, wertvollen Ressourcen bedacht umgegangen wird. Viele Kirchengemeinden engagieren sich bereits heute ganz selbstverständlich. Dafür sollen sie jetzt durch die Auszeichnung „Gemeinde: Fair und nachhaltig“ gewürdigt werden.

Bei uns in Lauf hat sich ein kleines Nachhaltigkeitsteam gebildet und den Katalog von 38 Einzelkriterien durchgearbeitet, von dem mindestens ein Drittel erfüllt sein muss, um die Auszeichnung zu bekommen. Diese Bedingung haben wir erfüllt. Zusätzlich ist noch für die nächsten zwei Jahre ein Schwerpunktprojekt vonnöten, bei dem sich die Kirchengemeinde mit der Frage nach einer fairen, partnerschaftlichen und nachhaltigeren Welt beschäftigt.

Diesbezüglich hat das Team vorgeschlagen, gerade diese Themen verstärkt auch im gottesdienstlichen Leben und im Bildungsbereich aufzugreifen. Der Kirchenvorstand hat dem zugestimmt und so wurde der Antrag gestellt, unserer Kirchengemeinde die Auszeichnung „Gemeinde: Fair und nachhaltig“ zu verleihen. Dieser Antrag wurde akzeptiert und die „Insignien“ werden uns am 5. Februar überreicht.

Darüber freuen wir uns. Allerdings ist die Auszeichnung nur ein Zwischenschritt, der uns anspornen soll, uns immer wieder mit diesen Themen zu beschäftigen und weitere Schritte hin zu einer fairen und nachhaltigen Gemeinde zu gehen. Deshalb werden Sie auch in den nächsten Ausgaben des „blick“ immer wieder davon lesen. Wer sich gerne aktiv in das noch kleine Nachhaltigkeitsteam mit einbringen will, kann sich gerne im Pfarramt oder direkt bei unserem Umweltbeauftragten Heiner Schächtele (Tel. 81350) melden.