“Stell dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin”
20.11.25 | Ein Gespräch mit Soldaten und Kriegsdienstverweigerern
HORCH AMOL – Gespräche im Wirtshaus
Zum Zweiten Mal wurde im Rahmen der Veranstaltungsreihe „VerständigungsOrte“ von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Lauf und dem CVJM Lauf ins Wirtshaus zum „Wollner“ in Heuchling eingeladen. Diesmal ging es um das hochaktuelle Thema „STELL DIR VOR ES IST KRIEG UND KEINER GEHT HIN“.
Der Wollner war brechend voll. Über 80 Interessierende hatte das Thema angelockt. Sie erlebten einen spannenden Abend voller kontroverser Gedanken und fairer Debatten. Es wurde leidenschaftlich über die Themen Wehrpflicht, Pazifismus und Friedensicherung in einer Welt voller Spannungen mit vier eingeladenen Gästen und dem Publikum diskutiert. Professionell moderiert wurde der Abend von Christian Kempf vom CVJM. An einem Wirtshaustisch saßen die vier Gäste und der Moderator. Auf einem weiteren, freien Stuhl konnten im Wechsel Gäste aus dem Publikum Platz nehmen.

Einführungsrunde
Die vier eingeladenen Diskussionsgäste hatten Gelegenheit, kurz ihren Hintergrund sowie ihre Haltung zum Thema darzustellen.
Christian H. Werner (45) ist Familienvater, gläubiger Katholik und Reserveoffizier. Er hat sich vorübergehend freiwillig zur Bundeswehr gemeldet und ist derzeit Kompanie-Chef der Panzerbrigade 45 „Litauen“. Er bringt Erfahrung aus Ehrenämtern ein. Seine Haltung begründet er damit, dass es die aktuelle geopolitischen Lage erforderlich mache, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu schützen und zu verteidigen. „Aus Freiheit erwächst Verantwortung.“
Leon Utz (27) ist als Oberleutnant aktiver Soldat auf Zeit, absolviert gerade die Ausbildung zum Jugendoffizier und befasst sich mit sicherheitspolitischer Bildung. Er ist 2017 als Gebirgsjäger zur Bundeswehr gekommen. Er schätzt die Bundeswehr als Ort, an dem junge Menschen Führungsverantwortung übernehmen und sich persönlich weiterentwickeln können.
Diakon Siegfried Laugsch (74) engagiert sich in der kirchlichen Friedensarbeit und war hauptamtlich in der Begleitung von Kriegsdienstverweigerern tätig. Er ist der Überzeugung, dass Konflikte regelbasiert und ohne Waffen gelöst werden müssen. „Wer das Schwert führt, wird durch das Schwert umkommen.“
Magnus Nockemann (21) ist ehrenamtlich im CVJM Lauf aktiv und sagt: „Ich würde nicht zur Bundeswehr gehen“. Er sieht seinen Beitrag zur Gesellschaft nicht in der Waffe, sondern im Stärken demokratischer Werte. „Wir sind keine Feiglinge – wir riskieren unser Leben für den Frieden.“
Gibt es aktuell eine akute Bedrohungslage?
Ein Gast aus dem Publikum setzte sich an den Wirtshaustisch und ergriff das Wort. Er sei lange Zeit davon ausgegangen, dass die Bundeswehr unnütz sei. Er stellte sich die Frage, warum es eine Armee in Friedenszeiten brauche? Aber mit dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine habe sich seine Meinung geändert. Er sehe jetzt angesichts der Bedrohungslage ebenfalls die Gefahr für unsere freiheitliche Werteordnung. Es entstand eine lebhafte Diskussion. Laugsch meinte, „der Russe stehe nicht vor unserer Tür“ und die Bedrohungslage sei nicht so relevant, wie sie in den Medien dargestellt werde. Utz bezog sich auf Erkenntnisse der Nachrichtendienste, die darauf hinweisen, dass Russland auf eine Kriegswirtschaft umgestellt habe und sich befähige, im Jahre 2029 Nato-Staaten angreifen zu können. Auch die heute schon existierende hybride Kriegführung mit Drohnen, Cyber-Angriffen und gezielter Destabilisierung stünden damit im Zusammenhang. „Wir befinden uns nicht mehr im Frieden, sondern in einer multipolaren Welt voller Risiken“, so Werner.
Ist Abschreckung das richtige Mittel der Wahl?
„Wir müssen verteidigungsfähig sein, um uns nicht verteidigen zu müssen“, sagen viele Politiker. Es wurde, auch mit Gästen aus dem Publikum darüber diskutiert, ob Abschreckung als Mittel zum Friedenserhalt geeignet ist. Utz und Werner bejahten diese Frage und wiesen auf die Notwendigkeit hin, den Frieden durch Bündnisse zu sichern. Angesichts der Entwicklung in der Nato sei dabei Europa besonders wichtig. Laugsch widersprach dem und verwies auf die Friedenslogik. Danach solle anders als beim Konzept der Sicherheitslogik der Wille zum Frieden durch Alternativen zur Rüstung und zu militärischen Drohpotenzialen erreicht werden.
Kann die Friedensbewegung das Problem lösen?
Kontrovers wurde über das Konzept der Friedensbewegung diskutiert, die sich für regelbasierte politische Konfliktlösungen, Diplomatie und Abrüstung einsetzt. Auch die Initiative „Sicherheit neu denken“ kam zur Sprache. Die Initiative verfolgt, so Laugsch, die Idee, dass Deutschland und Europa bis 2040 militärische Aufrüstung zugunsten ziviler Sicherheitsstrategien überwinden sollten. Dies umfasse die Förderung nachhaltiger Entwicklung und gerechtes Wirtschaften sowie Sicherheitsgarantien durch die Vereinten Nationen. Nockemann und Vertreter der Friedensbewegung kritisierten die „Kriegslogik“ und die wirtschaftlichen Interessen hinter Rüstung. Sie setzten auf zivile Verteidigung und gesellschaftliche Resilienz statt militärischer Eskalation.
Auch die aktuelle Denkschrift der Evangelischen Kirche Deutschlands wurde angesprochen, die den Einsatz militärischer Mittel als „ultima ratio“ legitimiert, um Menschen vor Gewalt zu schützen. Werner und Utz pflichteten dem bei und warnten davor „Putin Tor und Tür zu öffnen“.
Fazit
Die Diskussionen auf hohem Niveau, mit guter Gesprächskultur und tiefen Einblicken machte deutlich, dass es einfache Antworten nicht gibt. Aber alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig, den Frieden und unsere Werteordnung unbedingt erhalten zu wollen. Aber das „Wie“ war umstritten!
Annemarie Wiehler, Mitveranstalterin von „HORCH AMOL“ bedankte sich bei den vier Diskussionsgästen für die eingebrachten Perspektiven und Antworten und beim Publikum, das sich eingebracht und zugehört und hat.
Text: Hans Dieter Munker
Foto: Annemarie Wiehler
