Jesaja 40, 1-8 Rudolf Landau

11.12.1988 3. Advent in Neunkirchen am Brand

FIDELIO, Seebühne Bregenz 1995 copyright Bregenzer Festspiele

Diese Predigt habe ich selbst gehört 1988 als junger Theologiestudent und ich habe sie nie vergessen. Was soll ich predigen? Was kann ich predigen? Wie soll ich je besser predigen als mein freundlicher Lehrmeister Rudolf Landau, der in unserer Kirchengemeinde wohnte und versuchte, in Erlangen über die “Christologie der heutigen Predigt” zu habilitieren. Wer seine Predigt hört, wird verstehen, warum er sich nach einiger Zeit angeödet von der lauen Christologie seiner Zeitgenossen von diesem Thema abwendete… JPH 2022

Liebe Gemeinde! Auch über das von Erdbeben und Kriegen und vom Flugzeugabsturz verwüstete Land ruft es:

Tröstet!

Auch über die Rätsel menschlicher Not und über die Dunkelheiten und Ängste eines Menschenherzens ruft es:

Tröstet!

Alle, alles ist umfangen von diesem Ruf, der eine Wendung, um­ greifend und wohltuend, ansagt. Anfang und Ende umgreift er, Thema gibt er: Tröstet!, und noch einmal, damit niemand sagen kann, er habe es nicht gehört oder er habe sich verhört: Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott! Darin und dadurch ist er unser Gott, dass er tröstet, am Anfang und am Ende und mittendrin auch, tröstet, »wie einen seine Mutter tröstet«.

Ach, wie gut das tut: dass zum Herzen geredet wird! Nicht geredet, um Kopf- und Gedankenspiele zu treiben; einmal nicht, um zu argumentieren und Gründe und Gegengründe zu erforschen und aufzuzählen gegen all die Not und Todesgebanntheit in der Welt; nicht, um sich zu verlieren im Nachgrübeln und Überdenken, sondern um es dahinein zu sagen und da zu hören, wo ja doch alles Schwere und Dunkle, alle Grübeleien Wurzeln schlagen wollen in uns, dorthinein, wo alles dumpf und hart uns manchmal umstricken will, dahinein, wohin es längst abgesunken ist aus dem Kopf und wo es Atmen und Denken und Tun und Lassen und Sehnen und Hoffen bestimmt: ins Herz! Dahinein, in die Mitte unserer Existenz hinein, von wo aus wir leben und sind: Tröstet! Redet freundlich!

Liebe Gemeinde: Adventsbotschaft fasst sich zusammen in diese Worte, nichts anderes wird gesagt, gepredigt, gerufen, geseufzt in diesen Adventswochen; alles fasst sich zusammen in diese Worte – vom geschlagenen, verängstigten, zukunftslosen Volk Israel in der babylonischen Gefangenschaft her bis hin zu den Rätseln und den Gefangenschaften der V ölker, der Knechtung und Verachtung von Rassen und Menschen, von Gruppen und Gesichtern, hin zu den fast nicht mehr zu überblickenden und erst gar nicht zu bewältigenden [24] Problemen und Fragen und Ängsten bei uns. Von Gott her seit alten Zeiten zu uns hin: das Wort des lebendigen, heiligen, ewigen Gottes, der kommt und hilft und nahe ist und durchträgt: Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott!

Und umfangen ist das auch vom Ende her, das wir sogleich mit­ hören wollen, das erst den ganzen Ernst und die Schwere und die Bedeutsamkeit des Trostes ausmacht, damit niemand denke, es gehe mal wieder nur um die so wohlbekannte alljährliche christliche Weihnacht: Stimmungströstung, kurzfristig und oberflächlich, hinwegtäuschend über all die Kluften und Steilen und Abhänge des Lebens, an nichts heranreichend, alles nur überspielend und in silbrige Lamettafäden hüllend: Nein, mithören sollen wir das Ende, und vom Ende her sollen wir hören, was die Botschaft trägt und hebt und endgültig und zu einer macht, die allein noch und nur vom lebendigen Gott her­ kommt auf uns sterbliche, vergängliche Weltmenschen hin: Das Wort unseres Gottes aber bleibt in Ewigkeit!

Nicht wahr, so etwas braucht es, damit wir Christen es ja nicht vergessen; auch im Advent weht uns Osterluft, Auferstehungsgeist­ wind an: etwas, was gültig bleibt, was Bestand hat, was eben nicht aufgezehrt und aufgefressen und angenagt wird und nicht verdirbt in den Tiefen und Verliesen der müden Herzen und der schwermütigen Gedanken, die argwöhnen, und was nicht verschlissen wird im Lauf der Dinge, die uns zuraunen, ob das denn wirklich alles wahr sei, was da gesagt, verkündet, gepredigt wird in der Kirche unter und für uns. Da braucht es dies Tiefenwort, das Tiefenschärfe gibt nun in unser Leben und ins Leben und Vergehen der Welt und ins Leben und Treiben und Kämpfen und Verzweifeln der Völker, die gefangen sind und geknechtet werden von boshaften und todbringenden Mächten und ihren Helfershelfern. Dahinein braucht es Wahrheit von Gott, die sagt: Er kommt! Er umfängt uns von Anfang bis Ende! Seine Herrlichkeit soll offenbart werden allen miteinander …

Um diesen Gott geht es da in der Krippe, liebe Gemeinde, um diesen Gott da, der Jesus: »Gott rettet« heißt und der hört auf den schönen hebräischen Namen Immanuel: »Gott für uns, Gott mit uns«. Um den geht es, das ist der eine Name, der hinter der Botschaft des Propheten Jesaja schon steht, noch verborgen und nicht genannt, aber doch Triebkraft und Liebeswillen göttlichen Handelns von Anfang der Schöpfung an ist, und den wir Christen neu kennen und lieben und ehren und bezeugen und predigen dürfen: Jesus Christus, Gott für alle, der rettet. [25]

Und der allein bleibt. Ewig. Was heißt: unzählbar, unabsehbar lange für uns. Und weil unabsehbar lange für uns, deshalb auch unbeeinflussbar in seinem herrlichen, klaren Rettungswillen, frei in seiner umfassenden, niemanden ausscheidenden Liebe, herrscherlich entschlossen und nicht zu hindern. Dessen Werk kann niemand hindern, das er tut uns zu gut. Die Herrlichkeit dieses Herrn soll offenbart werden.

Und da wollen wir denn doch demütig und bescheiden bekennen: dass wir diesen Herrn und Gott nun nicht erwartet haben, ihn nun gerade nicht erwarten. Dass es uns längst nicht mehr aufreißt und hochreißt, in Bewegung versetzt, uns Christen, dass wir da sicherlich keine tiefen Täler auftragen und keine Berge abtragen würden, ihm den Weg zu bereiten auch zu unserem Nächsten hin und in die geschundene Menschheit hinein, dass wir ihn doch lieber kerzenhell und kaminwarm in unseren vier Herzenswänden einsperren, ein Exklusivgötzlein für unser angeschlagenes Seelchen, aber doch kein freier, hoher, allumfassender erbarmender Weltheiland. Nein, liebe Gemeinde, wir sind weithin angepasste Christen, wir sind eine Kirche, die müde und matt und gefangen und so oft heimlich und offen resigniert ist angesichts all der Ängste und des Unglaubens und der Torheiten und Frechheiten und Vergeblichkeiten und Krankheiten im eigenen und nächstliegenden Menschenleben. Krippenchristen, die den Herrn Jesus mit abgedroschenem Herzensstroh warm und liebreizend zudecken, damit er uns nicht hineintreibt in die kalte und herzlose und gefährliche Welt! Ist es nicht so, ihr Lieben, dass wir das eben bestenfalls noch mit dem Kopf hören, dass er der Weltheiland ist, und das im Kopf speichern für ein paar Augenblicke, dass aber alle anderen Welt­ und Menschenbilder uns viel mehr bedrängen und hilflos machen und ängstigen? Und dass wir unsere private Zukunft reduzieren auf die Rettung der Seele, aufs Durch- und Fortkommen im Beruf, auf Sorgen um Gesundheit und Zukunft im Alter, um Kinder und Enkelkinder noch – doch den Tröster nicht rufen hören: »Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit!«?

Dass Advent und Weihnachten nun doch jährlich wiederkehrende und abgedroschene, von Mal zu Mal aufgeblasene Ereignisse sind, wo die Pfarrer ins Hetzen und Herumreden und Herumandachten und also an das Ende ihrer Kräfte und völlig aus der Ruhe geraten und die Christen und Menschen in unserem Land etwas gefühlvoll und geschäftig werden – und doch wendet das keine Not, bringt keine bleibende Tröstung, schafft kein währendes Licht, was wir tun und spenden [26] und sagen und predigen – ist es nicht so? Und: Ist das nicht ein großes, hartes, geheimes Gericht über sein Volk, seine Kirche, dass wir diesen berge- und tälerversetzenden Gott, den Schöpfer und Erhalter alles Lebens, vergessen, diesen völker- und herrscherstürzenden, also: diesen wahrhaft und einzigen und einzigartigen, Natur und Geschichte revolutionierenden und seiner Gerechtigkeit zuführenden Gott so klein, so unscheinbar, so armselig, so verachtet gelassen und so beiseite­ geschoben haben?

Und nun, gegen allen Augenschein und gegen alle Herzensmüdigkeit und Gedankenschwere, gegen unser Gemüt und gegen die Botschaften der Welt gilt es:

Euer Gott kommt!

Noch hat man damals nichts gesehen. Da wird uns nur dies im Exil dahindämmernde und verzagende Volk Israel vor zweieinhalbtausend Jahren zum Gleichnis, steht es neben uns, der Kirche. Gott sei Dank, zum Gleichnis des immer wieder und immer neu gültigen Gottesgeschehens. Ja, dadurch zum Gleichnis, weil sich alles geheilt, erklärt, aufgeklärt hat, was damals noch im Dunkel und in der Verdeckung vieldeutiger Ereignisse blieb, was aber im Schauen und Deuten und Entdecken erkannt und bekannt wurde von Israel und erkannt und bekannt werden darf von uns, im Glauben nun sichtbar und klar werden darf. Gleichnis: des Volkes Verbitterung und Mutlosigkeit all dem von Gott Berichteten und Gepredigten und Erzählten gegenüber und seinen Boten gegenüber: dass ER der Schöpfer und der Lenker und Herr der Geschichte ist, dass, wie man hört, die Herren dieser Welt gehen müssten, dass aber unser Herr komme, dass das alles zwar gesagt und gehört wurde, aber nicht geglaubt, nicht zum Trost wurde, nicht in die Herzen derer drang, die da saßen im Schatten des Todes und in der Lähmung innerer und äußerer Gefangenschaft. Und die keine Hoffnung mehr zu haben wagten!

Und dahinein klingt dieses Aufbruchsignal! Ganz von außen, in keines Menschen Herz wurde es ersonnen, von keinem Menschenhirn wurde es erdacht, auch gar nicht mehr erhofft: das Signal der Rettung und des Trostes.

Gewiß kennen einige von Ihnen die Beethoven-Oper Fidelio. Da ist der Florestan im Kerker unschuldig gefangen, von einem ungerechten und düsteren und gemeinen Tyrannen, dem er die Wahrheit sagte und der ihn aus dem Weg räumen ließ und nun dort unten ermorden will, heimlich und im Dunkel. Florestans Frau, als Kerkermeistergehilfe Fidelio – was heißt: die Treue – verkleidet, findet ihren Mann am Ende seiner Kräfte, todgeweiht, soll gar helfen, ihm das Mördergrab zu graben, kann ihm nur noch das Totenlied vielleicht singen und seufzen. Weiß zwar von einer vielleicht nahenden, rechtzeitig eintreffenden Befreiung, aber der soll durch schnellen und heimlichen Mord vorgebaut werden; von einer Befreiung, wie die Menschen zu allen Zeiten es ahnten und wie es immer wieder ins Bewusstsein einzelner und von Gruppen heraufstieg: dass es doch eine Wende, eine Rettung aus tödlicher ungerechter Knechtschaft geben müsse und aus Folter und Haß und Todesverfolgung durch ungerechte, wahnhafte Herrscher

– Namen und Gestalten müssen wir ja nun wahrlich nicht nennen, solche kleinen und großen machtbesessenen Blutherrscher geistern durch die Menschengeschichte und lassen zigtausende Schlachtopfer sich bringen und ihrem blutigen besessenen Machtwahn. Und da hinein, in den Kerker des Menschen Florestan, da tönt plötzlich von außen das Signal, ein helles Trompetensignal. Die Musik hat den Atem angehalten, alles zittert vor dem erhobenen Mörderarm und dem Todesstoß – da tönt es, laut und klar, von außen: Rettung ist da, kommt, von außen bricht sie herein in den Kerker: »Beglänzt von seinem Lichte hält euch kein Dunkel mehr, von Seinem Angesichte kam euch die Rettung her!« Tröstet, tröstet mein Volk, redet zu Jerusalem freundlich: ihre Kerkerschaft hat ein Ende.

Liebe Gemeinde: dieses Trompetensignal des Beethoven-Fidelio, dieses Signal der unerschütterlichen Treue und des unumstößlichen Rettungswillens Gottes, das anzeigt, meldet, rufen lässt: der gerechte und wahre Herr kommt, den ungerechten, tyrannischen, todesrünstigen Statthalter zu strafen und die Gekerkerten zu befreien: dieses Signal von außen hat Ernst Bloch, der Philosoph und Rettungssehnsüchtige, einmal das erschütterndste und hellste und deutlichste Signal der Musik genannt. Und wie anders kann es einmünden dann im himmel­hoch jauchzenden Freudenjubelgesang der Geretteten: »Oh, du namenlose Freude!«

Ja, ihr Lieben, das erschütterndste und klarste und hellste Signal

unsres Lebens und des Lebens dieser Menschen- und Völker- und aller Kreaturwelt aber ist dieser Ruf am Anfang des Advents Jesu Christi: Tröstet, tröstet mein Volk! Hinwegräumen der Hindernisse, der Wüsten und Berge, der Schluchten und Abhänge, der Grate und Riffe: das geschieht für ihn und uns. Nicht durch uns! Für uns!

Ach, wie sollten wir auch räumen, begradigen, ab- und auftragen, Wege bauen können in unserer Zagheit und Zweifellage, in unserer [28] Müdigkeit und Armseligkeit? Aber Er ruft, ja: Gott arbeitet: »Mir hast du Mühe gemacht, mit deinen Sünden«, aber aus lauter Liebe tritt er selber ein: »Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht!« Welch ein Adventsgott: 0, du namenlose Freude!

Seelenschutt und Lebensangst, Schöpfungsseufzer und Kreatur­ schrei, Jammer und Not: was haben wir für einen Gott, der da herein­ bricht und hilft, Wendung und Rettung trompeten und durchführen lässt! Ja, jetzt wird es deutlich, das Ende, das wir erwarten, und das Ende, das uns umfängt, das er bringt: Ja, ja, alles vergeht, und die Katastrophen und das Erdbeben in Armenien und der Flugzeugabsturz in Remscheid und die Kriege und Morde im Iran und in Afghanistan, die erschütternden Folter- und Mord- und Todesnachrichten sind die Botschaften der Herrscher dieser Welt, alle wissen es, schieben es beiseite, aber bekommen es unübersehbar wieder und wieder vor Augen geführt: Alles vergeht, alles verbrennt unter dem Gluthauch des Wüstenwindes Gottes.

Alles Fleisch ist wie Gras! Die frühlingsblühende, blumenfeldweite Landschaft Galiläas steht als Bild, über die dann im Sommer der heiße Wüstenwind weht, alles verbrannt, kahl und braun und steinig zurück­ lassend: so, so ist es mit dem Leben, so ist es mit den Mächtigen, so ist es mit denen, die immerwährend zu blühen scheinen in ihrer eigenen Kraft und Macht.

Jedes hat sein Ende, die irdische Herrlichkeit und auch die blühendste Not: weil Er kommt und weil nur eines gilt, bleibt und hält und den heißesten tödlichen Sturm übersteht: Sein Wort aber bleibt ewiglich.

Was aber, liebe Gemeinde, sagt sein Wort? Nicht billig ist sein Trost, nicht dies kümmerliche Bildersprüchlein an der Wand: »Immer, wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Licht­ lein her.« Nein! Nicht dies kindliche »Heile, heile Gänschen, es wird bald wieder gut!« 0, wie gottlos und hilflos sind solche Sprüchlein und wie trostlos solche Pflästerlein, wenn die Bilderwände einstürzen und der Todesgluthauch weht! Sind allesamt doch nicht besser als Drogen und Alkohol und Vergessenheitsspender für kurzfristiges Leben herüberretten in einen neuen Tag. Oh nein: hier wird aufgerüttelt, hier wird nicht vergessen, sondern abgeschafft; hier wird nicht vertröstet, sondern Neues, Gerechtigkeit, geschaffen durch den Lebenswillen Gottes; hier erscheint der wahre und gerechte und heilbringende [29] Erlöser: »Nun komm, der Heiden Heiland!« Der Heiland: der macht sich auf und provoziert diesen Ruf, diesen Trost, diese weltändernde Bahn schafft er.

Und wir Christen, seine Gemeinde? Was tun wir? Zuerst, zunächst und immer noch: hören, aufmerken, es uns vom Himmel hoch singen und sagen lassen, es als gute, neue Mär gelten lassen für uns: »Die Herrlichkeit unseres Heilandes soll noch offenbar werden über aller Welt!«

Keiner hat das damals sehen können. Im Himmel, bei Gott, war die Rettung vorbereitet für sein Volk, waren die Rettungspläne, die Wegebegradigungs- und Aufbau- und Abbaupläne fertig und genehmigt, und das Arbeitspersonal war berufen: der Perserkönig Kyros – der sich für den mächtigsten und alleinbestimmenden Herrscher, Eroberer und Sieger von Babylon hielt: nur ein Werkzeug, ein Aus­ führender im Architekturplan Gottes. Wie alle die Mächtigen und Regenten dieser Welt: so müsst ihr sie sehen, die gernegroßen Kleinen und die kindischen Großen: Erfüllungsgehilfen Gottes in seinem Rettungs- und Hilfsplan! Alles ist vorbereitet, das Signal abgesprochen, das wir hören dürfen: den hellen Trompetenstoß: Tröstet, tröstet mein Volk – damit beginnt es und geht es fort unaufhaltsam: »Was er sich vorgenommen und was er haben will, das muss doch endlich kommen, zu seinem Zweck und Ziel!«

Was sie damals hörten, war nur das Signal, nur der Ruf, eben: die Predigt, die Freudenbotschaft ins Herz hinein, das in Worten gemalte Befreiungsgemälde von der königlichen Prachtstraße der Rettung und Führung ins Leben. Und es ging in Erfüllung. Sie haben es gesehen, erkannt, wiedererkannt: Gott lässt seine Welt nicht, seine Schöpfung nicht, seine Menschen nicht, sein Volk Israel nicht, seine Kirche nicht, er lässt uns nicht, dich auch nicht, sondern beugt sich zu dir herunter und sagt dir hinein ins Herz, lässt dir freundlich mitteilen in dein Leben hinein, in die Kerker deiner Angst oder deiner Selbstzufriedenheit oder deiner Schuld, deiner selbstgemachten und geglaubten Gottesferne: Die Knechtschaft hat ein Ende, ihr gehört dem Heiland, ihr seid Menschen Gottes!

Advent, liebe Gemeinde: Gott kommt zu dir, dir das anzusagen;

Advent: du kommst zu Gott, dir das sagen zu lassen und dich zu freuen: 0, du namenlose Freude. Das ist seine Gemeinde: die sich das sagen lässt und nun der Freude einen Namen gibt, damit der hineingerufen werde in die dunkelsten Menschenecken und erleuchtetsten [30] Menschenköpfe: Jesus, Jesus von Nazareth, »zu Bethlehem geboren, in der Stadt Davids«. Und dann, da du nun um Namen, Zeit und Ort dieses Retters weißt, und das alles in deinem Herzen bewegt hast, dann gehst du hin, liebe Gemeinde, und verkündigst, erzählst, berichtest von dem gekommenen Gottessohn. Und wirst drüber zur Freudenbotin: ein anderes Amt, eine andere Aufgabe, einen anderen, wie man so sagt, Sinn, hat unser Leben nun nicht mehr, das genügt: zum ersten nach dem Trost des Reiches Gottes zu trachten …

Dann reden wir zu den anderen tröstlich und gewiss, und der Nächste wird hineingeholt in die Gottesbewegung, auf den Rettungsweg, auf dem ihm die Herrlichkeit des Herrn entgegenkommt, sein Leben neu zu machen, erstrahlen zu lassen im Glanz, in der Pracht nun nicht mehr des vergänglichen Fleisches, sondern allein noch Seines Wortes. Was wir zu sagen haben und nach welcher Richtschnur wir nun adventlich zu leben und in diese Welt hineinzusehen und in ihr zu wirken haben, das ist uns vom Propheten längst vorgesagt, und jetzt· habt ihr es auch wieder gehört:

Alles Fleisch ist Gras; und all seine Pracht ist wie eine Blume des Feldes. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt. Aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. Amen.

Rudolf Landau 11.12.1988 3.Advent in Neunkirchen am Brand

Aus seiner Predigtsammlung. „Gottes Sohn ist kommen“ Predigten und Bilder zur Weihnacht. Herausgeber Rudolf Landau, Stuttgart 1994, S.24-30

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