Geistesgaben im Dienst – 1. Kor 12. Ökumenischer Predigttausch Pfingstmontag 2021, Jan-Peter Hanstein in St. Otto, Lauf

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes <des Vaters>und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit <uns> allen! (2.Kor.13,13)

Liebe Schwestern und Brüder,

danke, dass ich hier und heute predigen darf. Viele unserer gemeinsamen Festen und Veranstaltungen vor Ort sind ausgefallen. Und ich stehe hier als Repräsentant und Vertreter der evangelischen Kirchengemeinde, die oft andere Entscheidungen in der Krise getroffen hat als ihr hier in St. Otto. Besonders schmerzhaft die Absage unserer gemeinsam geplanten Gottesdienst an Heilige Abend 2020 auf dem Marktplatz. Das erste Mal in der Geschichte von Lauf Ökumenischer Gottesdienst am dem höchsten Feiertag der Deutschen – Heilig Abend. Wir Evangelischen haben für uns die Entscheidung getroffen, unter den besonderen Umständen des Lockdowns nicht mitmachen zu können, so gerne wir gewollt hätten.

Und glaubt mir: ich habe selbst niemals eine für mich schwierigere Entscheidung getroffen. Wenn ich mitteile, was ich daraus gelernt habe, überrascht euch das und mich vielleicht auch. Zum ersten Mal habe ich als Evangelischer die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, „Nein“ sagen zu müssen. Und ohne euch als Katholiken zu nahe zu treten – sonst ist es ja immer umgekehrt. Wir Evangelischen drängen und bitten und betteln – ein bisschen Abendmahl beim ökumenischen Kirchentag, ein bisschen Bewegung in der Ämterfrage und gerade die Rolle bei Frauen und Männern – und die Spitze der katholischen Kirche, die Bischöfe und vor allem Rom sagen – NEIN.

Im Vorfeld des ökumenischen Kirchentages 2021 hat wieder das Abendmahl in den Medien alle anderen Themen überlagert. Es wurde nicht davon gesprochen, dass eh fast alles online geschehen muss, nicht über die Einigung auf gemeinsame Ziele – sondern: Nein, Abendmahl und Eucharistie kann nicht gemeinsam gefeiert werden, aber immerhin – ganz Neu: Auch ihr Evangelischen seid herzlich eingeladen. Autsch. Da war doch was… Bin ich heute eingeladen? Und wenn ja, darf ich unter diesen Bedingungen mitfeiern oder schaue ich zu?

Die lange Zeit von Corona hat uns ökumenisch gesehen nicht nähergebracht, so ist zumindest meine Einschätzung. Zeit, einen Schritt zurückzugehen und unsere Visionen zu überprüfen.

Paulus schreibt nach Korinth. In der Großstadt existiert eine Gemeinde, die längst so groß geworden ist, dass sie in verschiedene Gruppen und Bewegungen zerfallen ist. Es stellt sich die Frage, ob bei so vielen Verschiedenheiten überhaupt noch von einer Gemeinde gesprochen werden kann. Paulus schreibt in seinem ersten Brief:

Der eine Geist und die vielen Gaben 1. Kor 12 EÜ

1 Auch über die Gaben des Geistes πνευματικῶν möchte ich euch nicht in Unkenntnis lassen, meine Brüder und Schwestern. 2 Als ihr noch Heiden wart, zog es euch, wie ihr wisst, mit unwiderstehlicher Gewalt zu den stummen Götzen. 3 Darum erkläre ich euch: Keiner, der aus dem Geist Gottes redet, sagt: Jesus sei verflucht! Und keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet. 4 Es gibt verschiedene Gnadengaben χαρισμάτων, aber nur den einen Geist.

Es ist erstaunlich, wie klar Paulus in einer vollkommen konfusen Situation ist, wie er theologisch die teils rätselhaften Phänomene in der Korinth erklärt und einordnet.

Ein Pfingsten hat sich ereignet in Korinth, dass Menschen vollkommen überwältigt sind von der neuen Freiheit. Alle reden durcheinander, die Zunge gelöst, manche in eigenen Sprachen, Streit bricht aus über die Wunder und die Kräfte. In unser bürgerlichen Kirche würden wir uns erschreckt und ratlos über die Hysterie abwenden. Vielleicht sogar diese Menschen bekämpfen, die so von sich und dem Geist eingenommen sind. In der Reformationszeit traten diese Wirkungen auf. Luther wusste genau, wie gefährlich es werden konnte für die ganze reformatorische Bewegung, wenn sie in diese Ecke gestellt werden könnte und bekämpfte selbst die Schwärmer und Pfingstler unbarmherzig und tödlich. Auch eine große Schuldgeschichte auf evangelischer Seite, aber der Macht-Missbrauch der Gaben des Geistes und Massenhysterie wie in Münster ließen den Oberen damals keine andere Wahl. Auch wenn sie oft im eigenen Interesse über das Ziel hinausgeschossen sind und der Geist auf Jahrhunderte gedämpft war. Auch der Geist der Revolution…

Aber Paulus hatte nur seinen Schreibgriffel.

1) Redender Gott

Er stellt zuerst fest:

Klar, dass ihr überwältigt seid. Früher waren eure Götzen stumm. Jetzt seid ihr dem lebendigen Gott begegnet und dieser redet mit euch im Geist!

Für mich die erste Erkenntnis: Gott redet. Auch jetzt. Auch heute. Vielleicht sogar durch mich. Ich habe versucht, zu hören was der Geist uns sagen möchte. Ich habe lange gezögert, diese Predigt so niederzuschreiben. Es ist nicht alles festgefügt. Gottes Wort schafft Neues!

2) Jesus ist der Herr

Paulus zieht Grenzen: Gottes Geist kann nicht sagen, dass Jesus nicht der Herr ist. Und jeder der bekennt, dass Jesus der Herr ist, spricht dieses im Geist.

Er verwendet wirklich den einfachen Namen Jesus, er meint den Jesus, wie er wirklich gelebt hat als Mensch, was er gesagt hat, wie er gestorben und auferstanden ist und zum Herrn wurde. KYRIOS ist in diesem Fall noch stärker als der Titel Christus. Kyrios wurde für Gott selbst verwendet!

Davon kann der Geist nicht abweichen. Sonst ist es nicht der Geist Gottes. Jeder der glaubt, empfängt dankbar die Gabe des Geistes.

Also: Gott ist lebendig und spricht und wirkt durch seinen Geist. Der Geist ist der Geist Jesu!

Paulus schreibt weiter:

4 Es gibt verschiedene Gnadengaben χαρισμάτων, aber nur den einen Geist.

5 Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. 6 Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. 7 Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.

3) zum Nutzen aller

Die Geistesgaben, die Wirkungen ist keine spektakuläre Spielerei, sondern sollne den anderen nützen! Das ist die dritte Bedingung.

8 Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem anderen durch denselben Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, 9 einem anderen in demselben Geist Glaubenskraft, einem anderen – immer in dem einen Geist – die Gabe, Krankheiten zu heilen, 10 einem anderen Kräfte, Machttaten zu wirken, einem anderen prophetisches Reden, einem anderen die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem anderen verschiedene Arten von Zungenrede, einem anderen schließlich die Gabe, sie zu übersetzen. 11 Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.

4) jetzt erst beschreibt Paulus den Reichtum von Geistesgaben – er nennt sie „Charismatoi“ – Geschenke aus Gnade.

Es gibt nicht einfach weise Menschen, die Autorität besitzen, sondern einfach eine Gabe Worte zu finden, die andere als „weise“ also hilfreich empfinden.

Dann gibt es diejenigen die ihre Kenntnisse gut vermitteln, andere die stark glauben und andere aufrichten, Menschen, die Kranke versorgen und heilen, – alles der eine Geist: Machttaten, Prophetie, Geisterunterscheidung, Zungenrede und deren Übersetzung.

11 Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.

Und wir staunen.

Ich möchte euch heute an Pfingsten 2021 aufrufen und fragen. Was ist deine Gabe Gottes? Was hat dir Gott geschenkt? Was sagen andere, was du besonders gut kannst? Jeder und jede, die hier sitzen und hören hat eine besondere Gabe. Vom Geist Gottes für andere. Denkt darüber nach, werdet euch klar!

11 Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.

Meine Gabe ist, glaube ich, gar nicht so sehr schön und eindrücklich predigen zu können, meine Begabung ist, verschiedenste Menschen in einem Team zusammenzuhalten und anzuleiten. Zumindest sagt man mir das nach. Auch wenn da oft was schief geht.

Überlegt – was ist eure Gabe, die ihr in den Dienst für andere stellt!

Die Gabe zu leiten, erwähnt Paulus übrigens bewusst nicht unter den Geistesgaben. Seine Gaben sind demokratisch verteilt. Leiten ist keine Gabe sondern ein Dienst διακονιῶν – Luther übersetzt mit Amt. …

Nach dem Bild vom Leib Christi schreibt er und wiederholt er:

27 Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm. 28 So hat Gott in der Kirche die einen erstens als Apostel eingesetzt, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Machttaten zu wirken, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede.

Also neben den Gaben für alle gibt es die eingesetzten Apostel, Propheten und Lehrer. Leider scheint Paulus wirklich nur Männer diese Ämter geben zu wollen. Gerade in Korinth scheint er persönliche Probleme mit geistbegabten und vorlauten Frauen gehabt zu haben, deshalb ist er situationsbezogen polemisch im 1.Korinther 11:5 (Luther drastisch Übersetzung 1912)

Ein Weib aber, das da betet oder weissagt mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt, denn es ist ebensoviel, als wäre es geschoren. Ich lasse euch aber wissen, daß Christus ist eines jeglichen Mannes Haupt; der Mann aber ist des Weibes Haupt; Gott aber ist Christi Haupt.

1Kor 14,34 Das Weib schweige in der Gemeinde. Wollen sie etwas lernen, so lasset sie daheim ihre Männer fragen. Es steht den Weibern übel an, in der Gemeinde zu reden.

Das klingt zunächst einmal danach, dass Ihr Katholiken recht habt, dass Frauen nicht die höchsten Weihen der Kirche erhalten können. So steht es tatsächlich da. Für mich ist Paulus im Eifer des Gefechts weit über das Ziel hinausgeschossen, weit hinter seinen sonstigen Erkenntnissen zurückgeblieben. Es muss dort Frauen gegeben haben, die ihn so sehr angefochten haben, dass er prinzipiell geworden ist. Wir Evangelischen reden ganz nüchtern von den nützlichen Charismen für alle und den Menschen, die geprüft, gewählt und schließlich auf Zeit eingesetzt werden. Männer und Frauen. Ordination statt Weihe. Die Unterschiede evangelisch und Katholisch in dieser Frage empfinde ich schon als Anfechtung und schmerzhaft.

Ich möchte das illustrieren am Arbeitsrecht:

Ich bin ja auch Vorgesetzter von ca. 200 Angestellten in Kirchengemeinde und verschiedensten Werken. Wenn hier jemand sagen würde, eine Frau wäre für eine bestimmte Aufgabe nicht geeignet, allein weil sie eine Frau ist, wäre diese Bemerkung ein Grund für eine sofortige und fristlose Entlassung.  

Klar könnte ich hier sagen, dass es verschiedene Konfessionen geben muss wie verschiedene Geistesgaben. Aber ich glaube nicht, dass der Geist so wirkt. Das hat mehr mit menschlichen Traditionen und Machtverhältnissen zu tun.

Habe ich von meiner Vision erzählt? Ich dachte als junger Theologe, dass ich es erleben würde, dass evangelisch und katholisch sich zusammentun würden, eine Kirchenleitung bilden, Caritas und Diakonie sich zusammenschlössen und wir einfach zwei verschiedene Riten in den Gottesdiensten feiern könnten – so wie ich die Anglikaner erlebt habe: „high church“ – hochkirchlich liturgisch und „low church“ – unliturgisch modern mit Betonung auf Predigt. Ich dachte als junger Mann, wenn die Katholische Kirche ein ökumenisches Konzil ausrufen würde und auf ein paar besonders katholische Attribute verzichten würde wie die Unfehlbarkeit des Papstes, dann stände einer gewissen Einheit auf Dauer nichts im Wege. Wir Evangelischen hätten keinen Grund mehr zu protestieren. Ich dachte wie viele andere, dass wir uns aufeinander zu bewegen würden. Aber jetzt mit 54 Jahren bin ich ziemlich ernüchtert. Es gibt neben dem ökumenischen Bewegung eben auch eine sehr menschliche Art sich gegeneinander zu profilieren.

Wenn wir Evangelischen euch Katholiken drängen und sagen: Wie ist das mit den Frauen als Priesterinnen – dann sagen sie zu Recht: Evangelisch gibt’s schon. Lasst uns unseren Weg.

Und wenn die Katholiken sich von machen evangelischen Gottesdiensten abwenden, weil die Sprache geschwätzig wird  und die Liturgie peinlich formlos, dann sagen wir Evangelischen: na und? Die einzig wahre Liturgie habt ihr, aber lasst uns halt experimentieren und Neues ausprobieren.

Ich weiß nicht, ob ich richtig liege: wenn wir heute nach 100 Jahren Ökumene immer noch evangelisch und katholisch sind, dann sind wir es trotzdem und gerade deshalb bewusst. Ich fürchte, in vielem liegen wir sogar weiter auseinander, als wir es noch vor Jahrzehnten waren. Diese Dynamik der Profilierung gegeneinander liegt in einer aufgeregten Zeit, in der Konflikte wesentlich eher berichtet werden als Einigungen und liebevolle Handlungen.

Ich gebe zu, dass dieser Gedanke für mich sehr ernüchternd ist. Ich nicht weiß, was im Kern der Ökumene wirklich unsere Ziel sein soll. Aber eines weiß ich:

Bei aller Vielfalt der Gaben und Ernsthaftigkeit der Dienste, dem Überschwang und der Nüchternheit, das 12. Kapitel im ersten Korintherbrief bleibt ein Übergangskapitel. So wie unsere neuen konfessionellen Abgrenzungsbewegungen im 21. Jahrhundert ein Übergang sein werden. Vielleicht müssen die beiden alten Streithähne Evangelisch und Katholisch schrumpfen, an Macht und Einfluss verlieren und Gott schafft etwas ganz Neues durch den Geist Jesu ….

Paulus steuert auf das nächste Kapitel zu mit den Worten:

29 Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer? Haben alle die Kraft, Machttaten zu wirken? 30 Besitzen alle die Gabe, Krankheiten zu heilen? Reden alle in Zungen? Können alle übersetzen?

31 Strebt aber nach den höheren Gnadengaben! Dazu zeige ich euch einen überragenden Weg:

Und es folgt das wunderbare Kapitel 13:

Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.

Wenn ich heute im Einfluss eines sehr protestantischen aufbegehrenden Geistes stand, dann war das noch nicht der Geist Jesu. Bei allem was wir glauben und Tun – ohne die Liebe ist alles nix!

Ich danke für die geschwisterliche Liebe, die vieles im Innern zusammenhält, die uns verbindet über schmerzhafte konfessionelle Grenzen hinweg. Lasst und den Geist nicht dämpfen, denn mit Liebe wird Gott uns und unsere Kirchen und auch unsere Gemeinde in Lauf erhalten und jeden Tag neu schaffen. Denn es ist Gottes Geist, der alles bewirkt. In diesem Geist feiern wir gemeinsam Pfingsten. Und ich hoffe, dass ich trotz allem, was ich heute gesagt habe, wiederkommen darf …

AMEN

Den Lebensdurst stillt Gottes Geist – Predigt Exaudi 2021

Der heutige Sonntag vor Pfingsten lässt uns nach dem Heiligen Geist dürsten und flehen. ER stillt allen Lebensdurst, auch für ermattete und fast vertrocknete Seelen. Sehen und hören Sie die Predigt, die Pfarrer Thomas Hofmann in der Johanniskirche gehalten hat – klicken Sie einfach HIER.

Der Bibeltext zum Nachlesen, Jesus auf dem Laubhüttenfest in Jerusalem:

37 Aber am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!
38 Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen.
39 Das sagte er aber von dem (Heiligen) Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.

Der Beweis des Geistes und der Kraft. Vom Glauben Hebr 11+12 Palmsonntag 2021, Jan-Peter Hanstein, Lauf.

Lessing, 1760 gemalt von Johann Eberhard Ihle.  Quelle: Jan Großmann

Liebe Gemeinde,

stellen wir uns vor: hier neben mir sitzt ein Mann in weißer Perücke, lässt listig seine Augen in die Runde schweifen, mustert jeden einzelnen anwesenden Gottesdienstgast, lächelt, erhebt sich. Erst denke ich, das ist einer meiner Vorgänger, die da an der Wand in der Stadtkirche hängen, barock aussehende würdige Pfarrer – bis er ans Ambo tritt und zu lesen beginnt:

»Wenn ich zu Christi Zeiten gelebt hätte, so würden mich die in seiner Person erfüllten Weissagungen allerdings sehr aufmerksam auf ihn gemacht haben. Hätte ich nun gar gesehen ihn Wunder tun, hätte ich keine Ursache zu zweifeln gehabt, dass es wahre Wunder gewesen. so würde ich allerdings so viel Vertrauen gewonnen haben, dass ich willig meinen Verstand dem seinigen unterworfen hätte, dass ich ihm in allen Dingen geglaubt hätte….

Aber ich, der ich in dem 18. Jahrhundert lebe, in welchem es keine Wunder mehr gibt, – wenn ich anstehe, noch jetzt auf den Beweis des Geistes und der Kraft etwas zu glauben, was ich auf andre meiner Zeit angemessenere Beweise glauben kann, woran liegt es? Daran liegt es, dass dieser Beweis des Geistes und der Kraft jetzt weder Geist noch Kraft mehr hat, sondern zu menschlichen Zeugnissen von Geist und Kraft herabgesunken ist.“

Der Mann mit der Perücke faltet sein Manuskript zusammen und setzt sich, er ist kein Theologe, er ist Bibliothekar. Sein Name ist Lessing, Gotthold Ephraim Lessing steht jetzt vor uns, und was er liest, hat er im Jahre 1777 an den Herrn Direktor Schumann zu Hannover geschrieben: Und was würde ich in wohlgesetzten Worten antworten?

»Sehr geehrter Herr Bibliothekar, wir danken Ihnen, dass Sie sich die Mühe nahmen, uns hier zu besuchen. Und ich darf lhnen gewiss im Namen aller Anwesenden sagen, wie sehr wir uns durch Ihren Besuch geehrt fühlen. Ihre Worte haben gewiss alle sehr beeindruckt. Allerdings, Herr Bibliothekar, muss ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wir Christen eben nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare schauen. Und drum, Herr Lessing, sollten Sie sich einmal unsere Predigt anhören über den Text aus Hebr 11,1 – der Definition des Glaubens: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.«

Lessing antwortet: »Gewiss, lieber Herr Pfarrer Hanstein, ich zweifle ja nicht, dass Sie sehr schön und rührend über die Seligen, die nicht sehen und doch glauben, zu predigen wüssten! Aber was soll dann ich Unseliger? Ich bin kein Gotteskind. Ich bin ein Zweifler. Ich muss schauen. Bin ich darum ewig verloren?«

Liebe Gemeinde, mit diesen Worten Lessings sind wir mitten in unserer Zeit.

Welche Rolle spielt Glauben, wenn nur Sehen Beweis ist? Wenn alles was ist, evident werden muss, um das Recht zu haben, zu existieren?

Wir Kinder der Neuzeit wollen schauen, wollen sehen. Hören allein genügt nicht. Was der Verfasser des Briefes an die Hebräer schreibt, erscheint uns doch nur ein perfekter Zirkelschluss – also ein Fehlschluss – als perfekter Gegensatz von Glauben zum Wissen. Wissen ist Sehen und Glauben ist eben nichtsehen … sprichwörtlich.

Bitte versteht mich nicht falsch. Ich liebe Lessing! Damals war Lessing ein kleiner Bibliothekar, umgeben von mächtigen Geistesfürsten und Lessing jederzeit gefährdet zum Gotteslästerer erklärt zu werden und seine Existenz zu verlieren. Aber alle seine rechtgläubigen orthodoxen Gegner wie Schumann und Hauptpastor Goeze und viel andere mehr sind vergessen. Lessing dagegen ist moderner denn je. Als Philosoph blieb er Dramendichter. Theologie trieb er nur nebenbei, um die Aufklärung voranzutreiben. Dabei hatte er ein überlegendes umfassendes Wissen auch um die antike Kirche. Das Gezänk seiner Zeit war ihm zuwider. Seine Polemik war gefürchtet und konnte vernichten. Sein Untersuchung das „Testament des Johannis“ hatte ein einfaches Ergebnis: Johannes Botschaft war: Kinderlein, liebt einander! Das war von der gleichen Klarheit wie auch seine berühmte Ringparabel von den wahren Religionen mit den drei ununterscheidbaren Ringen: Ihre Wahrheit ist nicht einfach gegeben, sondern erweist sich immer neu durch das Leben ihrer Besitzer, also der Gläubigen.

Und jetzt sehen wir, dass der Hebräerbrief und seine Definition von Glauben nicht weit weg ist von Lessings eigenen Ansichten. Hört:

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen,

was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.«

Hier steht nicht: Glauben ist eine Form des Festhaltens wider besserem Wissen gegenüber aller Vernunft. Das wäre ja Wahnsinn. So würde sich Glauben in Terror verwandeln, der durch nichts und niemanden widerlegbar wäre. Lessing kannte diesen Absolutismus, der einen unfreien Glauben verteidigte zur Unterdrückung der Menschen.

Nein, so nicht – sondern: Glauben erweist sich in der Zuversicht. Glauben ist Hoffnung, die trägt, die rettet und unser Leben zu formen vermag. Glauben ist die Kraft, die unser Wissen verwirklicht. Glauben ist Tun und Liebe ist der einzige Beweis, den wir als Christen leisten können und er braucht jeden Augenblick meines ganzen Lebens.

Beispiele gefällig? Vielleicht schaut ihr genauso müde wie Lessing, wenn ich euch jetzt von Abraham erzählen werde und Sarah … Sind wir jetzt im Kindergottesdienst, werden einige denken. Und doch: Lassen wir den Hebräerbrief reden mit seiner wunderbaren Skizze der „Heilsgeschichte“ Durch den Glauben – dia pistis …

8 Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde,

an einen Ort zu ziehen, den er erben sollte;

und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme.

9 Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen

im Land der Verheißung wie in einem fremden Land

und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob,

den Miterben derselben Verheißung.

10 Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat,

deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.

11 Durch den Glauben empfing auch Sara, die unfruchtbar war,

Kraft, Nachkommen hervorzubringen trotz ihres Alters;

denn sie hielt den für treu, der es verheißen hatte.

12 Darum sind auch von dem einen,

dessen Kraft schon erstorben war, so viele gezeugt worden

wie die Sterne am Himmel

und wie der Sand am Ufer des Meeres, der unzählig ist.

Hebr 11

Abraham und Sarah lebten wie aus ihrer Welt herausgefallen, als Fremdlinge. Aber sie sahen ihren Sohn Isaak und die Sterne am Himmel. Diese Verheißung konnte nur wahr werden, weil sie geglaubt haben. Obwohl da Irrwege waren und Zweifel. Sarah über die Engel lachen musste und Abraham vor Ungeduld mit der Hagar einen anderen Sohn zeugte. Abraham, der Isaak geopfert hätte. Und der Briefschreiber erzählt von Jakob, Josef, Mose, David und den Propheten. Und endet:

39 Diese alle haben durch den Glauben Gottes Zeugnis empfangen und doch nicht die Verheißung erlangt,

40 weil Gott etwas Besseres für uns vorgesehen hat: dass sie nicht ohne uns vollendet würden.

Und nun kommen tatsächlich wir ins Spiel. Es genügt nicht, dass sie da in der Bibel stehen, richtig oder falsch, es genügt nicht, die alten Geschichten zu erzählen – Weil Gott etwas Besseres für uns vorgesehen hat: dass sie nicht ohne uns vollendet würden. Steht im Hebräerbrief:

1 Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben,

lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns umstrickt.

Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist.

Hebr 12

Lieber Lessing, du hast recht. Gar nichts bewiesen ist, wenn wir nicht wirklich ablegen, was uns beschwert. Wenn wir nicht wirklich anderen vergeben und uns selbst. Lieber Lessing – du willst die Versöhnung sehen. Wie ich. Dass Gräben überwunden werden. Nicht einfach historische oder angeblich philosophische wie zwischen Glauben und Wissen. Wir sind in der Passionszeit. In der Pandemie mehr denn je in Leidenszeit.

Wir sehen den Virus nicht und viele glauben den Wissenschaftlern nicht. Und diejenigen, die glauben, verstehen oft nicht die Gefahr. Ein Jahr schon lernen wir Monat und Monat dazu. Eiserne Kanzlerinnen leisten Abbitte und gestandene Ministerpräsidenten sind am Rande des Nervenzusammenbruchs. Auch wir in der Kirche können uns nicht entziehen. Was ist in dieser Situation richtig? Was ist falsch? Die Sterne verdunkeln sich immer wieder, die Verheißung, dass wir gemeinsam überwinden, rückt in weite Ferne.

Versteht ihr? In dieser Situation sind wir verbunden mit den urchristlichen Gemeinden, an die sich der Verfasser des Hebräerbriefes richtet. Sie haben unter der Verfolgung nicht einfach Überwindung erlebt, sondern Zerfall und Verrat. Es war überhaupt nicht klar, wer oder was sich durchsetzen würde. Ferner denn je rückte die Verheißung der Erlösung. Wir fragen uns, wie sie es geschafft haben, im Glauben zu überleben. Und was es auf sich hat mit der Stadt Gottes. Von der Abraham schon träumte.

Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist,

2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens,

der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete

und die Schande gering achtete

und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.

3 Gedenkt an den, der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat,

dass ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.

Hebr 12

Auch Jesus hatte die Dinge nicht mehr in der Hand, als er nach Jerusalem kam. Als er auf den Esel steigt für seinen bemerkenswerten Einzug in Jerusalem, liegt vor ihm diese Kar-Woche mit all den Begegnungen und Abschieden, den vielen letzten Malen, dem letzten Abendmahl, dem Verrat und dem Verhör, dem Urteil und der Hinrichtung. Eine Woche in engster Gemeinschaft und größter Einsamkeit. In größtem Glauben und tiefsten Zweifeln. Was am nächsten Sonntag sein wird, weiß Jesus nicht. So wenig wie wir.

Aber er geht diesen Weg. Er ist bereit, ganz aus dem Versprechen Gottes zu leben und weit entfernt davon, die Dinge selbst beeinflussen zu können. Wir wissen alles, was zu tun ist. Nun müssen wir es noch tun. Erleiden. Kämpfen.

Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, 2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens,

So ist Glauben. Und so vollendet er sich. Fremd geworden ist uns die vertraute Welt. Wie Fremdlinge im eigenen Land.

Der alte Lessing schaut uns an, sehnsüchtig, neugierig. Gar nicht mehr der Wissenschaftler. Sondern der Mensch Gotthold Ephraim. Was ist jetzt mit dem Beweis des Geistes und der Kraft? Sind wir bereit ihn anzutreten, mit unserem eigenen Leben? Ohne uns geht es nicht weiter –

Vielleicht erinnern wir uns, an Sara und Abraham, an Jesus, wie sie anfingen und schließlich vollendet wurden. Über uns Himmel, Wolken und Sterne. Der Mond des Nachts. In uns eine feste Zuversicht wie ein Fixstern auf das, was wir hoffen. Ein Nicht-Zweifeln an dem, was wir nicht sehen. Aber wollen, dass es kommt. Nicht matt werden und den Mut nicht sinken lassen. Denn Glauben ist gemeinsam weitergehen. Ohne uns bleibt die Wahrheit tot.

Weil Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat:

Hebr 11,40

Nur mit uns wird diese Geschichte ihr gutes Ende finden.

In Christus Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen.

Amen

4.Fastenpredigt “Was bleibt.” St. Jakob Lauf 14.3.2021 von Pfarrer Armin Langmann. Text der Predigt

Gottesdienst auf unserem Youtube C1 Kanal

Liebe Gemeinde, was bleibt?

Hannes Wader hat mit dem Lied„Heute hier, morgen dort“ seit 1972 jedes Konzert begonnen. Es ist ein Volkslied geworden. Es endet mit den unvergesslichen Zeilen: „So vergeht Jahr um Jahr und es ist mir längst klar, dass nichts bleibt, wie es war“.

Er hat damit ein Lebensgefühl getroffen, das viele Menschen für sich auch so empfunden haben. Gelegentlich hat man „schwere Träume“, weil sich dauernd alles ändert. Doch prinzipiell hat man aufgehört, nach „Gestern und Morgen“ zu fragen. „Hab es selbst so gewählt, nie die Jahre gezählt.“, Mit dem stetigen Wandel muss der Mensch klarkommen. Denn „Es bleibt nichts, wie es war!“

Heraklit von Ephesos (griechisch Ἡράκλειτος ὁ Ἐφέσιος Hērákleitos ho Ephésios, latinisiert Heraclitus Ephesius; * um 520 v. Chr.; † um 460 v. Chr.) war ein vorsokratischer Philosoph aus dem ionischen Ephesos.

Neu war diese Erkenntnis nicht. Schon der griechische Philosoph Heraklit wusste: panta rhei – alles fließt „Alles ist in Bewegung, nichts bleibt stehen.“ „Niemand kann zweimal in denselben Fluss steigen, ob wir wollen oder nicht.

Zweieinhalbtausend Jahre nach dem Tod des Philosophen gilt immer noch: Man muss beweglich und schnell sein, denn „starr und langsam“ teilen im Zeitalter von Globalisierung und Internet die Gesellschaft. Innovation hat Vorrang vor alten Zöpfen.

Der Mensch muss sich auf neue Herausforderungen einstellen. Es braucht nachhaltige Antworten auf gesellschaftliche Probleme. Statische Regeln reichen nicht.

Die Frage „Was bleibt?“ stellt sich nicht nur am Ende des Lebens. Auch um die alltäglichen Dinge zu bewältigen, braucht man gute Regeln, Werte und Maximen.

Wie in jenem Pfarramtsbüro, wo ein Mitarbeiter vor Jahren die eingehende Post und die eingehenden Telefonanrufe nach zwei Maximen geordnet und abgearbeitet haben soll:  Er hatte zwei Stapel: Rechts kam
„1. Das haben wir schon immer so gemacht!“ und links
„2. Das war ja noch nie da!“

Jeder Mensch sucht Orientierung und braucht Regeln für den Umgang mit Leben und Tod, Glück und Leid, Liebe und Krieg, Finden oder Verlieren. Das kann man bis zu den ältesten Höhlenmalereien zurück verfolgen. Menschen hielten in Bildern und Geschichten fest, was sie bewegt hat: Freude und Gefahr, Glück und Erfolg, Saat und Ernte, Arbeit und Mühe, Essen und Trinken, Hungern und satt sein, Fest und Feier, Musik und Tanz, Wasser und Wein, Liebe und Glück, Kindheit und Alter, Essen und Trinken, Abschied und Tod.

In der Bibel ist das Gleichnis vom Weinberg so ein Bild, so eine Geschichte. Sorge und Pflege des Weinbergs wurden sogar ein Modell, das anschaulich machen will, wie Gott sich um sein Volk müht und wie wir anvertraute Aufgaben erfolgreich übernehmen oder sträflich vernachlässigen.

Was bleibt ist die Erinnerung an süße und saure Trauben, gut instand gehaltenes Werkzeug, der reparierte Zaun, die neuen Schläuche für neuen Wein und die bewährten Krüge für den alten. Die Erinnerung an Fleiß und Umsicht. Das Ringen um Grenzen und Werte, Lohn und Erfolg. Der Widerstand gegen Faulheit, fehlendes Engagement, mir-doch-egal-Haltung, Betrug, Rausch, Trunkenheit, Aggressivität, zwischenmenschliche Störungen. All das, Lob und Kritik bleiben am Beispiel des Weinbergs im Gedächtnis. Der Prophet Jesaja tobt, wenn er an den „Weinberg Israel“ denkt:

„Ich suchte Gerechtigkeit und fand bei euch Schlechtigkeit! Ich wartete auf Rechtsspruch und siehe da war Rechtsbruch“! – (Jes 5,7)

Jesaja denkt an die zerplatzten Träume, die zerbrochenen Hoffnungen, die mit Füßen getretenen Regeln vom guten Leben. Er sieht im Weinberg ein Abbild der korrupten Gesellschaft, wo keiner dem andren trauen kann; wo Spenden und Stiftungen zur Geldwäsche dienen, wo die Not von Flüchtlingen und die Abhängigkeit von Drogen, ja selbst der Einsatz für Heilmittel und medizinische Schutzmasken für schmutzige Geschäfte genutzt werden. Der Mensch bleibt korrumpierbar, ob es um Autos oder Fußball geht. Geblieben ist Rechtsbruch statt Rechtsspruch. Geblieben ist, dass die Leute mit einem Schulterzucken reagieren. „Naja, so schlimm wird’s schon nicht sein!“

Diese Haltung wollte auch Johannes der Täuferändern, dessen Predigt das Neue Testamentvor die Predigt Jesu stellt.

„Ihr falschen Schlangen, wer hat euch denn versprochen, dass ihr dem himmlischen Zorn entkommen werdet? Es wird euch nichts nützen, wenn ihr erklärt, dass ihr von Abraham abstammt! Jeder Baum, der keine Frucht bringt, wird abgeholzt und verbrannt werden. Ändert euch! Tragt dazu bei, dass die Welt besser wird: Wer zwei Hemden hat, gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso!“(Lk 3,7-11)

Liebe Gemeinde, – so ist es bis heute geblieben!– Des ham mir scho immer so g‘macht! Mir sind alte Jakober oder Johanniser…“ „Schon immer“ ist eine beliebte Ausrede oder Begründung, ja Maske, nicht nur beim Karneval in Venedig, Veitshöchheim, Mainz und Köln. Doch die Ausgangslage für die Kirche, nach dem Vorbild von Jesaja und Johannes dem Täufer tätig zu werden und Kritik zu äußern, ist ungünstig. Sie habe ein Glaubwürdigkeitsproblem, sie würde Wasser predigen und Wein trinken, heißt es.

Die Fastenpredigt auf dem Nockherberg dürfen nur Schauspieler oder Comediens halten, aber keine Pfarrer. Nur der Hofnarr durfte am Hofe ungestraft die Wahrheit aussprechen. Für andere war das lebensgefährlich.

Was er meinte Johannes wohl mit der „Taufe zur Buße und Sündenvergebung“? „Buße“ zu predigen, kann für Prediger gefährlich werden. Seine Fasten-Predigt hat ihn den Kopf gekostet. Vielleicht sollten wir den Begriff „Buße“ doch von einer ganz anderen Perspektive aus betrachten.

Wenn im Fernsehen die Brüder Thomas und Alexander Huber von ihren Extrem-Klettertouren berichten, bin ich fasziniert. Nicht nur von wunderbaren Berg- und Naturaufnahmen, auch von ihrer Persönlichkeit. Für ein Leben am Limit braucht man eine innere Balance. Man muss fokussiert sein, dazu helfen innere Werte und absolutes Vertrauen in den Partner, auch Respekt vor der Schöpfung, nicht nur „Schneid“.

Die „Huber-Buam“ stehen für absoluten Körpereinsatz und hellwachen Verstand. Erfolg und Scheitern trennt oft nur eine Haaresbreite. Das mag wie eine Provokation des Schöpfers erscheinen. Da fragt mansich, was einem noch am Leben wichtig ist, der sich auf so ein Risiko einlässt?

Die beiden sind aber keine leichtsinnigen Draufgänger. Öfter schon mussten sie nach einem Jahr Vorbereitung wegen widriger Umstände abbrechen und umkehren!

Das war ein Kraftakt, kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck von Umdenken und bedeutet, dass sie über den Augenblick hinaus gedacht haben!

Was einem wichtig ist und wofür man lebt, das muss man wissen bevor und festhalten, wenn man hinaufsteigt. Das Ziel darf nicht etwas sein, wofür man irgendwann büßen muss.

Umkehren bedeutet – im originalsprachigen Griechisch – „über etwas hinausdenken“ und dann – „was ganz andres zu tun“ wie Hannes Wader gesungen hat.

Das Umdenken zu üben und zu trainieren, war dem Apostel Paulus sehr wichtig. Er war ein Protagonist für das Thema „Umkehren“. Im Römerbrief Kap. 12,Vers 1+2 schreibt er:

Ich ermahne euch, lebt so, dass Gott Freude daran hat! – Richtet euch nicht nach dem, was alle machen. Seid bereit für Veränderungen! Besinnt euch! Haltet nicht an überkommenen Traditionen fest. Prüft, was Gott von euch will! Dient Gott mit Herz und Verstand! Euer ganzes Leben soll ein vernünftiger Gottesdienst sein!“
Wir sehen, Paulus hatte den Schlüssel, ein gutes Konzept, eine Idee, warum es Sinn macht, was es nutzt und bringt!“

Hätte Paulus Bekehrung nur im Sinne von „zurück gehen“ verstanden, wäre alles beim Alten geblieben.

Liebe Gemeinde,
unser Leben und die Zukunft der Kirche hängen nicht davon ab, dass wir aus Prinzip alles immer gleich oder dauernd anders machen: Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten, Kirchweih, Fasching feiern, begehen, denken wie bisher, aber gute Gewohnheiten können helfen.

Ein Kollege hatte sich zur Regel gemacht, Vier Wochen nach einer Beerdigung einen Besuch bei den Hinterblieben zu machen. Er sagte, …weil wir lernen müssen, über die Krankheit, das Sterben und den Tod hinaus-zu -denken. – „Das darüber hinaus denken ist notwendig“ -Das ist eine Aufgabe, die man schon zu Lebzeiten lernen muss.

Jesus hat gesagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde gesät wird, bleibt es allein. Wenn es aber gesät wird, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren! Und wer bereit ist, es loszulassen, wird es finden. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Ihr werdet bei mir sein und ich bei euch. Das Trauern, Klagen und Sterben wird ein Ende haben. Das Reich Gottes steht vor der Tür. Es ist klein wie ein Senfkorn, wenn es gesät wird und wird groß wie ein Baum, dass die Vögel des Himmels unter seinem Schatten wohnen können. Diese Neue Welt Gottes steht euch offen!“ (Joh 12, 24-25.15,5. Offb 21,3-4; Mk 1,14; Mk 4,30-32 )“

Wer diese Gedanken in sein Herz und seinen Verstand hineinlässt, wird anfangen, über den status quo hinaus-zudenken, auf das Ziel des Lebens. Was für ein Gedanke! Wer sich über das Ziel klar geworden ist, kann entschei-den, regeln und dafür sorgen, was geändert werden und was bleiben soll.

Der berühmte Karl Valentin soll einmal auf dem Münchner Viktualienmarkt Passanten gefragt haben: „Entschuldigung, können Sie mir bitte sagen, wo ich hin will?“ – Sie lachen. Wie ist es ihm gegangen? Er wurde ausgelacht. – Ich meine, er wollte seinen Zuhörerinnen und Zuhörern sagen, dass es Zeit ist, mit dem Umdenken anzufangen. – Dass wir heute diesen Gottesdienst gemeinsam feiern, obwohl Sie gar nicht da sind und dass dieser Gottesdienst noch da sein wird, wenn wir selbst gar nicht mehr hier sein werden – das hätte Karl Valentin mit Sicherheit zu einer neuen Nummer inspiriert. –

Was bleibt? Jede Ausstellung endet. Jeder Gottesdienst endet mit dem Ausblick auf das große Ziel: „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit.“ –
Eine Spur des Segens führt dorthin. „ADE! Geh mit Gott! Gott geht mit Dir!“

Laß mich dein sein und bleiben, du treuer Gott und Herr, von Dir lass mich nichts treiben, halt mich bei deiner Lehr. Herr lass mich nur nicht wanken, gib mir Beständigkeit; dafür will ich Dir danken in alle Ewigkeit. Amen.  (Nikolaus Selnecker, 1572).

Jahreslosung im Bibellesen

Im “Bibellesen mit Pfarrer Hofmann” geht es um die Jahreslosung für 2021: “Seid/werdet barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!” ruft Jesus uns in Lukas 6,36 auf. Hört es HIER nach.

Regionalbischof Dr. Ark Nitsche beauftragt Anita Schopper zum Prädikantendienst

 „Bereitet dem Herrn den Weg!“ – der Vorläufer Jesus und Namensgeber der Johanniskirche Johannes der Täufer stand im Mittelpunkt des Beauftragungsgottesdienstes in der Johanniskirche. Am 3. Advent 13.12.2020 um 9:30 Uhr wurde Anita Schopper feierlich für den Dienst als Prädikantin von Oberkirchenrat des Kirchenkreises Nürnberg, Regionalbischof Dr. Ark Nitsche beauftragt und gesegnet.

Anita Schopper auf der Kanzel der Johanniskirche

In seinem sog. “Vorhalt” und seiner Verpflichtung wies Bischof Nitsche eindrücklich auf das dreifache “Ja” hin: Das Ja Gottes, das die Prädikantin verkündigt sowie die Antwort der Gemeinde auf das Evangelium. In diesem positiven Dreieck von Einheit und Frieden bewegt sich der Dienst am Wort Gottes, das uns und unsere Welt verändert. Denn “das Wort kommt nicht leer zurück (Jes 55).” Wir müssen das Wort nur stehen und wirken lassen.

Anita Schopper hielt ihre Festpredigt über Zacharias, den Vater des Johannes, der erst ein Schweigeverbot auferlegt bekommen hatte und dann bei der Geburt seines Sohnes einen Lobgesang anstimmen konnte.

Ingrid Decker, Ute Maußner, Erna Schulz und Prädikantin Claudia Kopp aus Laufamholz als Glaubensfreundinnen assitierten bei der Segnung und sprachen Segensworte. Kantorin Silke Kupper und Jockel Rahm an der Trompete gestalteten den Gottesdienst unter Corona-Bedingungen festlich aus, Pfarrer Hanstein führte durch den Gottesdienst und übernahm den Gesang, da nach neuesten Verfügungen der Gemeindegesang untersagt worden ist.

Übergabe der Urkunde an Anita Schopper durch Regionalbischof Nitzsche und Mentorpfarrer Jan-Peter Hanstein

Anita Schopper wurde nach ihrer Ausbildung am Gottesdienstinstitut der Dienst als Prädikantin übertragen. Pfarrer Hanstein hatte sie dabei als Mentor zwei Jahre begleitet.

„Frau Anita Schopper wird die Leitung von Gottesdiensten einschließlich der Abendmahlsverwaltung übertragen. Als Prädikantin darf sie das Wort Gottes frei verkündigen. … Diesen Antrag befürwortete der Kirchenvorstand Lauf in seiner Sitzung am 12.12.2019. Ihr Dienstbereich umfasst Gottesdienste in der Kirchengemeinde Lauf a. d. Pegnitz. bzw. im Predigtverbund der Kirchengemeinden im Dekanat.“

Beschluss des Kirchenvorstandes am 12.12.2019

Sie interessieren sich für den ehrenamtlichen Predigtdienst in unserer evangelischen Kirche? Nähere Infomationen gib es hier.

Anita Schopper mit Prädikantin Claudia Kopp aus Laufamholz

„Ist nun bei euch Verkündigung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid.“

Phil 2,1-2

Bild und Text JP Hanstein

Ewigkeitssonntag 23.11.2020, Predigt Jan-Peter Hanstein im Livestream. “Das Himmlische Jerusalem”

Offb 21 Predigttext

1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt,das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.

Der ganze Gottesdienst auf youtube

Liebe Gemeinde,

die Bibel war mein erstes Buch, sie wird auch mein letztes sein. Keines kann das Feuer anfachen wie

dieses, ich lese auch meine Geschichte, weil die Bibel die Sehnsucht niemals sterben lässt. In ihr sind auch Dunkelheit und Wut eingeschrieben, das Trauern ist nicht verboten, der Tod wütet, Schmerz sticht und Tränen fließen. All das geschieht wie kaum zuvor gerade im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung des Johannes. Von Plagen und Vernichtung wird erzählt. Der Schrecken wird zerlegt viele Einzelbilder und Visionen und niemand vermag sie zu zählen.

Die Sehnsucht aber bleibt, es ist das ewige, heilige, das himmlische Buch.

Heute für den letzten Sonntag im Kirchenjahr ist das letzte Kapitel der Bibel vorgesehen. Und es beginnt so:

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen.

Offb 21,1

Johannes sieht. Er sieht es kommen. Diese Welt wird vergehen. Nicht nur unsere Erde, nicht nur der Kosmos, sondern sogar das uns Unzugängliche, der absolute Herrschaftsbereich Gottes -, das was wir „Himmel“ nennen, wird vergehen.

Unvorstellbar. Aber Johannes sieht es. Sieht es kommen. Sie ist noch nicht da. Die neue Welt. Aber ihre Vorstellung, ihr Plan ist schon da. Inspiriert schon immer Künstler und Architekten.

Eines der beeindruckendsten ist das Altarbild der Augustinerkirche in Würzburg von Jacques Gassmann: Das himmlische Jerusalem.

2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

„Im Vordergrund, die zwei roten Figuren, das sind der Seher Johannes und der Engel. Sie stehen gemeinsam auf einem Berg. Die beiden Betrachter schauen hinab auf das Himmlische Jerusalem, eine Stadt aus leuchtendem Gold, genauso wie in der Offenbarung des Johannes beschrieben“, erklärt der Historiker das Bild des zeitgenössischen Künstlers Jacques Gassmann. „An den vier Bildrändern befinden sich jeweils drei farbige Halbkreise. Sie deuten die zwölf Stadttore an, beziehungsweise die zwölf Edelsteine, das Fundament der himmlischen Stadt.“ (Bernet)

In mir ruft dieses Bild Erstaunen und Entsetzen hervor:  ich sehe noch soviel mehr… Die Tore, die Edelsteine am Rand, sehen aus wie die Farben unserer Planenten, am Himmel sind nicht nur dunkel Wolken, sondern Rauch und mächtige Bewegungen im All.  Neuer Himmel und neue Erde! Ich wünschte mir dieses Bild als Glasmalerei mit ihrem Blauen und Schwarzen Hintergrund.

Wie gesagt: auch Entsetzen löst in mir diese Version der goldenen Stadt aus. Das neue Jerusalem. Ich stelle mir die Frage, und auch dem Johannes. Was ist mit der alten Stadt passiert? Ist das die neue oder noch die alte? Mit ihren Menschen darin.

Johannes und der Engel, der ihm alles zeigt, haben den Logenplatz. Sie sind herausgenommen, noch in der alten Welt sieht Johannes das neue. Rot sind sie, heiß wie die Liebe aber auch der Zorn.

Bei der Betrachtung formen sich in mir apokalyptische Bilder. Eine Stadt, die glüht, schmilzt. Lodert. Feuersturm. Darüber der Rauch. Die alte Stadt vergeht.

Würzburg, April 1945

Das hatten wir schon mal. Dresden, Nürnberg und eben dort: Würzburg. Ich sehe die Ruinen der Altstadt nach dem Angriff der Allierten in den letzten Kriegswochen und meine die Straßenzüge und Kirchen zu erkennen.

Als neues Jerusalem wurde Würzburg einst gebaut mit seinen dutzenden von Kirchen und dem Dom. Das neue Jerusalem – Dahin. Eingeschmolzen. Drei Tage brannte die Stadt wie eine Fackel. Ausgeglüht.

Ich erinnere mich. Bei einer Dekanats-Konferenz in Würzburg brauchte ich in der Mittagspause Ruhe und frische Luft und bin in den nahegegangenen Park gegangen. Ich fand zu meiner Überraschung das Mahnmal der Opfer dieses Bombenangriffes. Das Massengrab. 5000 Opfer in dieser Nacht des 16. März 1945. Selbst in den Luftschutzkellern kamen die Menschen wegen der Hitze ums leben.

Und dort musste ich mir die Tränen aus den Augen wischen. Über die Sinnlosigkeit. Die Grausamkeit. Diesen ewigen Kreislauf von Rache und Verbrechen. Was wir Menschen uns antun. Und was dann Hunger und Krankheiten vollenden. Damals und heute.

Ja – Unwirklich mitten in dieser so lebendigen jungen und schön aufgebauten Studentenstadt. Mir wird klar – nein, das ist sie noch nicht. Unsere ist noch nicht die neue Welt. Auferstanden aus Ruinen, ja. Aber nur eine neues Land wie unser wiederaufgebautes Deutschland ist nicht genug.

Letzter Sonntag des Kirchenjahrs. Wir gedenken der Ewigkeit. Der Toten.

Wir sind mittendrin in einer Plage biblischen Ausmaßes. Wie eine der Wehen und Katastrophen aus der Johannis-Apokalypse. Wir sind besorgt um kranke Nachbarn, um arbeitslose Mitmenschen, um die Seelen der Menschen, die vereinsamen oder sich verhärten.

Diese Welt vergeht. Aber das allein ist für mich noch kein Trost. Auch das Bild von Gassmann, so beeindruckend es ist, es bleibt doch beängstigend. Warum es Sinn macht, das alles durchzustehen und zu erleiden, ist das, was dann kommt.

Apokalypse. „Dann geht der Vorhang erst richtig auf.“ Das hat Karl Barth zu einem Studenten gesagt, der solche Angst vor dem Tod hatte. Offenbarung. Die neue Welt, golden, noch ungeformt wie im Fluss, diese glühende reine goldene Stadt ist aber nicht die Offenbarung. Die Sehnsucht aber bleibt, es ist das ewige, heilige, das himmlische Buch. In ihm steht:

Der Tod wird nicht überleben. Nicht die Zerstörung. Sondern der, der all das macht. Der den Vorhang aufzieht und der auf dem Thron sitzt, sagt:

Sieh doch: Ich mache alles neu!« Gott wird jede Träne abwischen von deinen Augen. Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben, kein Klagegeschrei und keinen Schmerz. Denn was früher war, ist vergangen.

Der ewige, der königliche Erzähler von Anfang an sagte diese Worte zu Johannes, dem Propheten. Der sammelte sie, brachte sie zu Papier und erzählte sie immer weiter, weil der Ewige auf dem Thron ihn bat:

Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss. (Offb 21,5)

Das also ist der Schluss der Bibel, die kein Ende nimmt, weil sie sich mit dem Tod nicht arrangieren kann. Die Bibel hört nicht auf. Das Feuer brennt. Ich darf weinen und brauche mich dessen nicht zu schämen. Denn alle Tränen werden abgewischt. Christus der Gekreuzigte, das Lamm Gottes ist nun Richter. Und er wischt ab die Tränen der Wut über Ungerechtigkeit Leid. Er lässt das Schluchzen der Trauer versiegen. Der alles neu macht ist sein Vater…

Ich liege und träume und sehe, ich muss nicht fort, das Buch bleibt offen – und die Geschichte, die schon immer in mir Form annimmt, wird wahr.

Denn Gott, lächelte und sprach:

Sieh doch: Ich, ICH bin es, ich mache alles neu!«

Worte des ewigen Lebens!

AMEN

Predigt anlässlich der Verabschiedung von Kindergartenleiterin Renate Bär am 25. 10. 20 in der Johanniskirche – Lisa Nikol-Eryazici

Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist doch der Größte im Himmelreich? Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf. Matthäus 18,1-5

Liebe Renate, liebe Gäste, liebe Gemeinde,

Wer ist der Größte? Kommt Euch/ Ihnen die Frage bekannt vor? Donald Trump, Victor Orban, Vladimir Putin oder Boris Johnson könnten diese Frage wohl beantworten ohne mit der Wimper zu zucken und würden sie wahrscheinlich mit „ich“ beantworten. Aber so weit müssen wir gar nicht schauen, ich glaube auch bei uns funktioniert das Zusammenleben sehr stark nach diesem Kriterium „wer ist der Größte“. Der Größte ist, wer Erfolg vorweisen kann, Macht bei sich vereint, Prozentpunkte, Potenz, wer in der Lage ist zu führen, wer die meisten Follower hat in den sozialen Netzwerken. Wer das vorweisen kann, kann etwas bewegen, wird bewundert, fühlt sich wichtig – und deshalb richtet sich häufig im persönlichen, aber natürlich auch im politischen und wirtschaftlichen Leben, unser Tun und Streben genau daran aus – der Größte zu werden und andere Ziele werden dem eher untergeordnet.

Selbstoptimierung ist da ein wichtiges Stichwort, das gerade wie eine Glocke über allem hängt – es liegt an dir, mach es – gut ist nicht, was wir sind – gut ist, was noch werden könnte. Wer wird der Größte?

Eine Frage, die die Erwachsenen nicht nur für sich stellen, sondern auch schon für ihre Kinder. Und so merken wir alle, die wir mit Pädagogik zu tun haben, dass sich in den letzten Jahrzehnten ein ziemlicher Druck aufgebaut hat in den Schulen, aber auch in den Kindertagesstätten: Was ein Kind denn altersgemäß schon alles können muss, wie es gefördert werden muss, damit es den Anforderungen der Gesellschaft, der Wirtschaft, den komplexen Zusammenhängen, die ja immer globaler und differenzierter werden, auch standhalten kann. Manchmal hat das auch im Kindergartenwesen schon seltsame Blüten geschlagen vom Chinesisch- oder zumindest Englisch-Unterricht schon für die Kleinsten bis zur Kinderuniversität. Auch die Eltern sind unsicher geworden, denn sie möchten ja nicht, dass ihr Kind den Anschluss verpasst.

Es ist schon ein ziemlich anstrengendes System, dem wir uns da aussetzen, ein System, das auch viele Verlierer produziert, denn wo es Größte gibt, gibt es auch Kleinste, Looser, die dem Anspruch einfach nicht standhalten können, die nicht hineinpassen und deshalb herausfallen.

Wer wird der Größte?

Auch die Jünger Jesu denken in diesen Kategorien. Sie wissen, dass in Gottes neuer Welt andere Kriterien gelten und diskutieren darüber, wer denn bei Gott als der Größte gilt, welche religiösen Leistungen da vielleicht eine Rolle spielen – vielleicht machen sie sich als enge Vertraute Jesu sogar Hoffnungen, ganz oben zu stehen –  und so konfrontieren sie Jesus mit dieser Frage: Wer ist denn bei Gott der Größte?.

Und wie er es so oft tut: Jesus antwortet zunächst nicht mit Erklärungen, sondern durch eine stille Geste. Sie ist verblüffend und unvergleichlich. In der gesamten Religionsgeschichte findet sich nichts Ähnliches. Aus dem Dörfchen Kapernaum, aus einem Haufen in der Nähe spielender, lärmender Kinder, ruft Jesus eines zu sich. Dieses Kind nimmt er an die Hand, stellt es in die Mitte der Fragesteller und Diskutanten um Einfluss, Anerkennung, Macht und Prozentpunkten und beantwortet ihre Frage mit diesem schlichten Zeichen:

Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.

Ja, liebe Gemeinde, in einer Zeit, in der es weder die UN-Konvention für Kinderrechte gab, in einer Kultur, die die Kinder – wie bei den Römern – einfach durchnummerierte, statt sie mit Namen zu segnen, in einer Epoche, die den Wert der Kindheit und die Würde des Kindes längst nicht entdeckt hat, ist das, was Jesus tut, eigentlich unfassbar.

Er zeigt uns ein Kind und macht es zum Maßstab der Ordnung, so wie Gott sie anbietet. Warum die Kinder? Weil sie in einer ganz besonderen Weise verletzliche Wesen sind – wir wissen alle, wie Verletzungen der kindlichen Seele ein ganzes Leben lang wirksam sind. Kinder haben nicht die Möglichkeit, sich gegen Erwachsene zu wehren, sie haben noch nicht die Mechanismen, sich zu schützen, sie sind so offen und bedürftig, von ihren Eltern, von der Gesellschaft, die sie umgibt abhängig. Und doch sind sie keine unvollständigen Erwachsenen, sondern vollständige Wesen mit einer eigenen Erfahrungswelt, mit ihren ganz eigenen Gefühlen und Gedanken und deshalb auch Rechten. Jedes Kind ist ein wunderbares Geheimnis, schreibt der polnische Arzt und Pädagoge Janusz Korczak schon in den 30er Jahren, und wir müssen ihm mit Achtung begegnen. Wie eine Gesellschaft mit ihren Kindern umgeht, sagt viel aus über sie. Auch bei uns werden Kinder oft zum Spielball verschiedener Interessen, als Rentensicherer gesehen, als zukünftige Pflegende einer überalterten Gesellschaft, als Konsumenten, mit denen sich gut Geld verdienen lässt und es hat lange gedauert, bis sie auch in der Coronakrise eine Lobby bekommen haben und man darüber nachgedacht hat, welche Folgen es für sie hat. Und auch der gesamte Bildungsbereich darf nicht in erster Linie von den Interessen der Wirtschaft oder Arbeitswelt gesteuert werden, sondern die erste Frage muss sein: Was brauchen unsere Kinder, damit sie sich gut und geborgen entwickeln können.

„Er nahm ein Kind und stellte es in ihre Mitte…“, ja, überseht sie nicht bei all euren eigenen Interessen und Wertmaßstäben – blickt auf dieses Kind und seine Bedürftigkeit. . An diesem Kind misst sich eure Nähe zu Gott.

Doch Jesus geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er uns Erwachsene auffordert, dass wir werden sollen wie die Kinder.

Das dreht ja unsere Pädagogik in gewisser Weise um: Wir sollen von den Kindern lernen.

Liebe Gemeinde, ich glaube, tatsächlich, dass es da eine Menge gibt, die wir lernen können: Wer mit einem Kind spazieren geht, lernt die Entschleunigung des Lebens – da entdeckt es ein Blatt und bleibt stehen, um es aufzuheben, dort einen Käfer und hier eine Pfütze, in die man steigen und das Wasser so herrlich spritzen sieht. Ein Kind lebt im Hier und Jetzt. Ein Kind kann staunen und beobachten, ein Kind kann seine Gefühle ausdrücken ohne sie vorher zu filtern, ein Kind kann lieben ohne Vorbedingungen und vertraut seinen Eltern bedingungslos, in ihm spüren wir die Lebendigkeit.

Bei Gott darf ich meine Sicherungssysteme und inneren Antreiber loslassen und sein wie ein Kind. Das macht mich innerlich groß, nicht die äußeren Mechanismen der Macht.

Liebe Renate, wenn mich heute diese eindrückliche Geschichte Jesu so angesprochen hat, dann auch, weil du in deinem langen Wirken als Erzieherin, als Leiterin im Kindergarten Pusteblume so vieles davon in deiner Haltung, in deiner Art zu arbeiten, umgesetzt hast. Ja, mit Jesus hast du die Kinder und ihre Bedürfnisse in die Mitte gestellt und bist ihnen mit Achtung und großer Wertschätzung begegnet. Du hast wirklich gefragt, was brauchen sie, damit sie das entwickeln können, was in ihnen an Wunderbarem von Gott angelegt wurde. So hast du dich immer für feste Bezugsgruppen eingesetzt in einer Zeit, in der die offenen Häuser sehr modern wurden, weil Kinder Geborgenheit und feste Strukturen brauchen und lernen müssen, auch Konflikte  auszutragen und nicht gleich weiterzuziehen. Dir war es aber auch wichtig, dass die Kinder Freiräume bekommen, wo sie in kleinen Gruppen ungestört spielen können, sich verstecken, Höhlen bauen oder durch Tunnel kriechen können, so dass du dich stark gemacht hast für eine Einrichtung nach dem Würzburger Modell mit den verschiedenen Ebenen und Spielbereichen. Und wenn mancher Kritiker meinte, das sei doch zu kleinteilig, dann hast du gekontert und gefragt, wo sich ein Kind wohl wohler fühlt – und dann war die Antwort eigentlich klar. In den Jahren, als der Leistungsdruck immer stärker in den Kindergarten schwappte, hast du dem standgehalten und immer wieder gepredigt, dass die beste Schulvorbereitung für ein Kind ist, dass es Freude und Interesse an der Welt um sich herum hat, dass es soziale Kompetenzen erworben hat und auch Selbstvertrauen. Und dazu gehörte für dich auch, dass ein Kind sich so wie es ist, angenommen fühlt – durch die Menschen, die es umgeben und durch Gott.

Janusz Korczak hat in seiner Pädagogik der Achtung geschrieben, dass hohe pädagogische Konzepte oder Theorien wie hohl sind, wenn sie nicht durch den Menschen in der tagtäglichen Begegnung verkörpert werden. Als Pädagogen, schreibt er, sind wir zuständig für „zerbrochene Fensterscheiben, zerrissene Handtücher, schmerzende Zähne, erfrorene Finger, für das Gerstenkorn im Auge, das verlorene Spielzeug, für Schlägereien, Tränen, für Lachen, für Kartoffeln, für Brot, für Schlaf“. Sich für den Alltag zuständig zu erklären, als Person präsent zu sein, sich auf Menschen und Situationen, auf Leid und Freude, auf die kleinen Geschehnisse und die großen Lebensfragen einzulassen, bedeutet „nicht Lehre sagen, sondern Lehre sein“. Ich finde, das beschreibt euren Beruf als Erzieherinnen und Erzieher ganz wunderbar und bezieht ja immer auch die ganze Familie des Kindes mit ein. Und ich bin froh, liebe Renate, dass du durch deine ganze Person über all die vielen Jahre „Lehre“ warst und so viel an Liebe und Leben weitergegeben hast.

Und ich weiß, dass all unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich mit ihrer ganzen Person und viel Herzblut einbringen, sonst kann man diese wichtige Arbeit nicht tun. Und dafür sage ich Dir, liebe Renate, aber auch allen Erzieherinnen und Erziehern ein großes Dankeschön für diese fordernde, aber so wichtige und wertvolle Aufgabe.

„Und Jesus stellte ein Kind in ihre Mitte…“, ja wir brauchen diesen Blick so dringend – unsere Kinder brauchen ihn, dass wir nicht über sie, sondern mit ihnen und für sie entscheiden. Wir selbst brauchen diesen Blick auch für uns, dass wir von ihnen lernen und unser inneres Kind nicht vergessen. Und es braucht diesen Blick, um die Maßstäbe, die wichtig sind, richtig zu setzen in Politik, Wirtschaft und auch bei uns in der Kirche.

Denn Jesus sagt: Wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf. Amen.

„Werde, was du bist – in Christus“. Predigt JP Hanstein, Lauf

19. So. n. Trinitatis – 8.10.2020, 10:30 Uhr, Livestream aus St. Jakob

Liebe Gemeinde,

stellt euch vor, ihr wacht auf und wollt euch anziehen. Und da hängt euer neuer Anzug. Exakt für euch zugeschnitten. Die Ärmel passen und die Hosenlänge auch. Ihr schlüpft hinein und alles passt. Der Tag kann beginnen. Was kann einen in einem solchen Anzug schon passieren?

Ich meine natürlich eher nicht unsere Arbeitskleidung, nicht der Blaumann von Engelbert und auch nicht den maßgeschneiderten Anzug von Brioni! Sondern so einen Supermannanzug. Einen Anzug, der aus dem durchschnittlichen Schüler Peter Parker Spiderman macht und der nun alle möglichen Wunder vollbringen kann.

Obwohl wenn ich diesen jungen Mann anschaue, muss ich zugeben, dass ich nicht so wohlproportioniert wäre wie Peter und mich alle in diesem Aufzug eher auslachen könnten. Aber nehmen wir an: es liegt da Kleidung bereit und damit wäre mein Leben wie neu. Ungeahnte Kräfte wüchsen mir zu und ich erlebte ein Abenteuer nach dem anderen. Wie abgetragen und verschlissen ist dagegen, was ich bisher getragen habe.

Was würde sich in meinem Leben verändern?

Du müsstest ja wie die Kinohelden immer noch in die Schule gehen oder den stumpfsinnigen Bullshit-Job im Büro machen. Wahrscheinlich endete alles typisch deutsch wie der Film „Vorstadt-Avengers“ mit Wendy und Elmar statt Superman und Batman … Der Verfasser des Epheserbriefes beschreibt diese neue Kleidung so:

Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht,

ändert euer früheres Leben und erneuert euren Geist und Sinn!

Das ist fast noch krasser wie bei den Supermännern – und Frauen. Er fordert uns auf, den alten Menschen wie alte Kleidung einfach abzustreifen. Erneuert ἀνανεοῦσθαι euren Geist und Sinn! Wir sollen eine Metamorphose durchmachen wie eine Raupe, die zum Schmetterling wird und ihren Raupenkokon einfach leer zurücklässt.

Und dann kommts:

Zieht den neuen Menschen an,

der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.

Die ursprüngliche Version unseres Menschseins, wie Gott uns nach seinem Bild geschaffen hat? Doch so eine Art Supermensch nach dem Bilde Gottes?

Ja – aber das Bild Gottes ist schon seit dem Anfang, Gen 1, Bild Gottes. Menschen mit bestimmten Fähigkeiten und Begrenzungen. Von Anfang an konnten wir Menschen ihr Leben frei interpretieren. Wunderschönes entstand, aber auch schreckliches. Ermahnen half nicht, ebenso strafen und vernichten nicht.

Schließlich, so erzählt es das Neue Testament, sandte Gott seinen Sohn Jesus. Er ist der neue Mensch, wie Gott ihn sich vorgestellt hatte.

Ich schwanke da auch manchmal. Ist Jesus auch nur so ein getarnter Superman, versehen mit unglaublichen Kräften? Wunder und Zeichen geschahen. Jesus heilte und bewerkstelligte Unglaubliches. Aber am Ende waren seine Kräfte nicht groß genug. Sein Leib und sein Leben wurde Schritt für Schritt geschunden und zerstört bis zum Tod am Kreuz. Jesus starb diesen elenden Tod, den sich ein Batman oder Superman niemals hätte gefallen lassen. Er wurde an unserer Stelle zur Sünde gemacht, Hass und Zorn, Lüge und Trug – all das wird in seiner Passion übergroß sichtbar.

Doch kein Superman? Doch – weil er durch viele Menschen wieder aufersteht, mächtiger und wirksamer als je zuvor. Der Verfasser von dem Epheserbrief hat kurz vorher beschrieben, wie er sich die Auferstehung Jesu Christi vorstellt. Viele Menschen leben wie er, ziehen sich diesen neuen Menschen an und bilden zusammen den Leib Christi. Die Supermänner suchen immer nur nach ihresgleichen. Manchmal braucht es zur Vervollständigung ihrer Fähigkeiten eben so einen tollen Anzug, aber sie bleiben allein. Oft bitter einsam. Und irgendwie erfolglos. Von Film zu Film werden Schurkentaten spektakulärer und brutaler. Es hat nie ein Ende, es gibt keine Veränderung. Die Welt ist nie gerettet.

Ist es ein Trost, dass die Gemeinde in Ephesus zutiefst zerstritten und gespalten war und sie deshalb so einen Brief erhalten haben? Was würde uns ein Paulus nach Lauf oder die evangelische Kirche in Bayern schreiben?

Und Ist irgendetwas seitdem besser geworden? Es gibt einen entscheidenden Unterschied zu den üblichen „Moralkeulen“:

1) All diese Aufforderungen sind an uns adressiert, nicht an irgendwelche anderen, über die wir uns aufregen könnten. Wir sollen neu werden, uns erneuern an Leib und Seele.

Uns gibt der Epheserbrief sogar positive Anregungen.

2) Dort heißt es am Ende:

„Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat!“

Nicht in unserer Vollkommenheit besteht die Nachahmung Gottes, sondern darin, dass wir Unvollkommenheit bei uns und anderen eingestehen und vergeben. Vergebt, weil Gott euch vergeben hat. Darin sollen wir Gottes Ebenbild sein. Die Superkraft – ist die Vergebung. Was Gott nur allein durfte, hat er durch Christus uns gegeben. Die stärkste Kraft ist nicht die vom gnadenloasen Superman, sondern von dem, der vergibt. Dazu gehört noch mehr … Lesen wir das vierte Kapitel des Epheserbriefes weiter:

Legt deshalb die Lüge ab, und redet untereinander die Wahrheit; denn wir sind als Glieder miteinander verbunden.

Lasst euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen.

Gebt dem Teufel keinen Raum!

Der Dieb soll nicht mehr stehlen, sondern arbeiten und sich mit seinen Händen etwas verdienen, damit er den Notleidenden davon geben kann.

Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es hört, Nutzen bringt.

Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung.

Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung

und alles Böse verbannt aus eurer Mitte!

Ich sehe geradezu durch die Kamera euer Gähnen auf den Sofas und an den Küchentischen. Was für biedere Ermahnungen! Wie oft haben wir solche Sprüche gehört! Auf der Wand gelesen: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen!“

Auch wenn wir den neuen Menschen anziehen, d.h. wenn wir getauft sind und Jesus nachfolgen und auch nachahmen, bleiben die großen Probleme der Welt. Krankheiten, wie in unserer Zeit Corona, stellen uns auf eine große Geduldsprobe. Meinungsverschiedenheiten werden hasserfüllt auch in unserer Kirchengemeinde ausgetragen. Lüge und üble Nachrede geht durch alle Teile unserer Kirche.

Und auch wir Gutmenschen werden enttäuscht und müde, wie die Superhelden abgenützt werden vor dem immer gleichen Bösen und Schlechten in der Welt?

Das Böse zu bekämpfen ist einfacher als zu vergeben und es selbst besser zu machen.

Zornig zu sein ist einfacher, als diese wilde Energie wirklich in die Lösung schwelender Konflikte zu stecken. Wir gerade in der Kirchengemeinde sind so harmonisch, dass wir alle Konflikte verdecken und vertuschen und so auch verlängern, bis sie sich von allein lösen, weil alle Parteien verschlissen sind. Lieber kurz und heftig, aber dafür danach durch die Vergebung im Frieden.

Zornig werden wir alle – ist ja auch verständlich, aber als Christen machen wir das Unglück nicht größer, sondern retten was zu retten ist. Möglichst am selben Tag, obwohl ich eher empfehlen würde, über manchem Zorn erst einmal eine Nacht zu schlafen. Aber aus Zorn soll keine Sünde, kein Hass entstehen. Nichts, was wir nicht rückgängig machen könnten.

Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes,

das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es hört, Nutzen bringt.

Das erinnert an die Geschichte von Sokrates, der jede Aussage daraufhin überprüfen ließ, ob sie zugegleich wahr, nützlich und gut ist. Sonst hörte er einfach nicht hin. Macht das ebenso!

Unsere Gemeinde soll kein Ort von Menschen sein, die weißgekleidet immer mit einem Lächeln auf den Lippen versuchen, tolle Menschen zu sein! Meidet solche Orte der Heuchelei!

Wendet euch aber dahin, wo ihr mit allen euren Problemen ernstgenommen werdet. Wo es wirkliche Unterstützung gibt, zB in unseren evangelischen Kindergärten. Wo die Probleme von Liebe und Ehe nicht übertuscht werden, sondern auch in verfahrensten Situationen eine wirkliche Lösung und Vergebung und Erneuerung angestrebt wird wie in unseren Beratungsdiensten.

Geht in die Gemeinden, die ihre Konflikte offen austragen, sei es manchmal eben auch über Leserbriefe und Facebook – aber wendet euch nicht ab, sondern verfolgt auch die Lösungen, zB unsere gemeinsame Erklärung zu interreligiösen Arbeit in unserer Stadt.

Und was für Supermänner gibt es in unsrer Gemeinde und noch viel mehr Superfrauen! Die ihre Angehörigen pflegen und Kranke und Alte besuchen, die Kinder betreuen und erziehen, die Hilfsprojekte in aller Welt über Jahrzehnte fördern, die Flüchtlingen eine Heimat geben, die Gott loben und sich freuen in der Musik, die miteinander das Wort Gottes studieren und auslegen in tiefer Dankbarkeit und Ehrfurcht als Pfarrer und Prädikanten!

Helden des Alltags wurden sie in der Corona-Krise genannt!

Und diese Heldinnen des Alltags in unserer Gemeinde ziehe ich allen Supermännern vor, die immer recht haben und alles andere vernichten und am Ende noch unseren Applaus suchen.

Schluss: DER NEUE MENSCH in Luthers Kleiner Katechismus mit immer demselben Gott Israels und dem Vater Jesu  – DER NEUE MENSCH ist wie Gott uns als Bilder Gottes geschaffen hat. So alltäglich!

Das Zweite Hauptstück. Der Glaube. Der Erste Artikel. Von der Schöpfung

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Was ist das?

Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit allem, was not tut für Leib und Leben, mich reichlich und täglich versorgt, in allen Gefahren beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahrt; und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit: für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin.

Glaubst du das?

Und wenn wir gemeinsam antworten –

Das ist gewißlich wahr.

Dann hat das neue Leben längst begonnen und wir sind auf dem guten Weg zum Reich Gottes in Christus unserem Herrn.

Er bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm!

AMEN