Auferstanden aus Ruinen. Predigt zum Kirchweihgottesdienst Spitalsruine Lauf 19.9.2021 Pfr. Hanstein

Liebe Festgemeinde an der Kirchweihe unserer Spital-Kirche!
Auferstanden aus Ruinen.
Leonardsruine am Spital

 Seit meinen ersten Besuchen in Lauf habe ich mich immer gewundert, warum diese Ruine mitten in der Stadt steht? Wann wurde die Kirche zerstört? Warum wurde sie nicht wieder aufgebaut? Wozu dient die romantische Ruine jetzt?

Inzwischen nach einigen Stadtführungen auch durch mich selbst, weiß ich es natürlich:

Der Markgrafenkrieg 1552-54, genauer gesagt schon der zweite – war ein evangelischer Bruderkrieg. Nachdem sie die katholischen Hochstifte und Bistümer angegriffen und „gebrandschatzt“ hatte – also gegen viel Geld erpresst, dass sie die Städte nicht in Brand schossen, war es dem brandenburgischen Fürsten Albrecht Alkibiades noch nicht genug. Ich weiß nicht, ob nur noch zu wenig Geld oder zu wenig Krieg … In Wikipedia stand, dass er besser Schlachten anführen als diplomatisch verhandeln konnte. Da wandte er sich nach Franken und wollte Nürnberg einnehmen. Weil er die Stadt zwar nicht einnehmen konnte, richtete er furchtbaren Schaden im umliegenden Städten anrichtete:   vor allem Lauf du Altdorf wurden 1553 so gründlich zerstört, dass es kein einziges Schriftstück oder Chronik in Lauf überlebt hat.

Albrecht Alcibiades wurde schließlich wie ein tollwütiger Huind mitz vereinten Kräften besiegt. Doch wir sitzen in dieser einzigen Ruine aus dieser Zeit – der Kirche St. Leonard neben dem Spital, gestiftet von dem Ehepaar Kessler vor über 700 Jahren, der Grabplatte hier vor mir liegt.

 Stellen wir uns das unermessliche Elend in Lauf vor 468 Jahren vor. Sie werden in Hütten und Kellern gehaust haben. Wie sehr werden sie da das Buch Klagelieder Jeremias immer und immer wieder gelesen haben, so das Kapitel 3, da heute Predigttext ist.

Klgl 3 Klage und Trost eines Leidenden (LUT)

Ich bin der Mann, der Elend sehen muss durch die Rute seines Grimmes.

2 Er hat mich geführt und gehen lassen in die Finsternis und nicht ins Licht.

3 Er hat seine Hand gewendet gegen mich und erhebt sie gegen mich Tag für Tag.

8 Und wenn ich auch schreie und rufe, so stopft er sich die Ohren zu vor meinem Gebet.

17 Meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben; ich habe das Gute vergessen.

18 Ich sprach: Mein Ruhm und meine Hoffnung auf den HERRN sind dahin.

19 Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen, mit Wermut und Bitterkeit getränkt bin!

Klgl 3

Jeremia, der Prophet, der nicht nur das Unheil kommen sah, sondern die Katastrophe vom ersten bis zum letzten Tag erleben musste und dem ein eigene Buch, eben die Klagelieder zugeschrieben wurde.

Er erlebte wie die Bewohner der Stadt Jerusalem, nachdem die Babylonier im Jahr 587 vor der Geburt Christi die Stadt erobert und dem Erdboden gleich gemacht hatten. Ja, da saßen sie nun in den Trümmern ihrer Stadt – gezeichnet von den Schrecken der Zerstörung, ohne jede Zukunftshoffnung. Und eines war ihnen dabei ganz klar: Gott hatte mit den Propheten Jesaja und Jeremia vor dieser politischen Katastrophe gewarnt.

DARMSTADT

So ähnlich wie ich mich noch als Kinder der 70er Jahren erinnern kann, dass in meiner Heimatstadt am Innenstadtring noch riesige Schuttberge an den Feuersturm von 1944 erinnerte, als Darmstadt und seine chemische Industrie 3 Tage lang brannte wie eine Fackel. Als Kind fragte ich immer wieder nach, wie das geschehen konnte. Und gruselte mich beim Anblick der städtischen Oper, die eingezäunt, verbrannt und zerschossen auf ihre Wiederauferstehung wartete. 12.300 Menschen kamen damals in diesen Tagen ums Leben.

Nun sitzen wir hier in unserer Ruine und gedenken der Kirchweihe einer Kirche, die nicht mehr existiert. Miene Frage, warum sie nicht wieder aufgebaut wurde, habe ich noch nicht beantwortet.

Erste Antwort: Sie bauten die Johanniskirche am Markt, denn den Berichten nach war sie den Laufern zu „rückwärtsgewandt“, zu katholisch, aber auch zu klein. Sie erinnerte sie an die Zustände vor der Reformation. Jetzt aber waren sie selbstbewusste Ackerbürger und Händler und wollten eine Kirche am Marktplatz. So bauten sie mit finanzkräftiger Unterstützung der Nürnberger die Johanniskirche aus einer vorhandenen Kapelle und erweiterten sie und erhöhten sie, bis sie die jetzige Form im Jahr 1699 erreichte.

Zweite Antwort: Bis Anfang des 19.Jhdts lag die Ruine ohne Störung (vielleicht auch als ehemaliger Friedhof?), als die Stadt ein Antrag erreichte, die Ruine abzubrechen und Stelle dessen ein Wohnhaus zu errichten. Der damalige Bürgermeister setzte sich mit folgender romantischer Haltung durch: „Überall bauen sie Ruinen, weil sie keine haben, aber so schön anzusehen sind, wir haben eine und sollten sie abbrechen?“

Wozu dient die romantische Ruine jetzt? Sie war eine Art Hof für die Bewohner des benachbarten Spitals. Arme Alte Kranke Waisen. Aber für mich ist sie auf eine nicht von unseren Vorfahren gedachte Weise auch ein Mahnmal dafür, wie Gewalt ausarten kann, wie der Glaube zwischen die Fronten geraten kann und zermahlen wird wie in diesem Markgrafen-Krieg der evangelischen Gebiete. Nur erinnern ohne Heilen führt zu nichts oder zu erneuter Rache …

24 Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.

25 Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt.

26 Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen.

31 Denn der Herr verstößt nicht ewig; 32 sondern er betrübt wohl

und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.

33 Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen.

Klgl 3

Nur erinnern ohne Heilen führt zu nichts oder zu erneuter Rache …

Ich freue mich immer noch über unseren Buß-Gottesdienst 2017, „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“ den wir in der ökumenisch auf Vorschlag unserer Bischöfe Marx und Bedford-Strohm gefeiert haben. Das Reformationsfest sollte ein Christusfest werden. Die katholische und evangelischen Kirchen tragen dafür eine große Schuld. Wir haben Gemeindeglieder aufgerufen haben, ihre Geschichte zu erzählen, die durch konfessionelle Streitigkeiten Schmerzen zugefügt wurden. Und tatsächlich haben Pfarrer Alexander und ich dort einige Geschichte gehört und wir haben in Einzelgesprächen diese Personen um Vergebung gebeten. Vielleicht wäre diese Ruine dafür der passende Ort, um sich regelmäßig zu erinnern an maßlose Gewalt und Unfrieden und Krieg, an Verbrechen aneinander mit diesem englischen Methode: Healing Memories – das Zweifaches bedeuten kann:  Erinnerungen heilen und heilende Erinnerung. Nur erinnern ohne Heilen führt zu nichts oder zu erneuter Rache …

Jeremia setzt sein Gebet fort:  

20 Du wirst ja daran gedenken, denn meine Seele sagt mir’s.

21 Dies nehme ich zu Herzen, darum hoffe ich noch:

22 Die Güte des HERRN ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende,

23 sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.

Klgl 3

Wenn wir uns an die großen Katastrophen unserer Vorfahren erinnern, sind wir vielleicht etwas beschämt über unsere Auseinandersetzungen in der Corona-Krise. Trotzdem war und ist für uns diese Pandemie die größte Herausforderung in unserer Gesellschaft zum Schutz der Älteren und Schwachen.

Aber ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich freue, welche Freiheiten wir nun wieder genießen können. Wenn ich die Bläser höre, dann denke ich an eure Aktion im schlimmsten Lockdown, als ihr jeden Sonntag jeder und jede an seinem Ort auf dem Balkon oder am Fenster um Punkt 9:30 Uhr auf Glockenschlag Choräle gespielt habt. Jeder seine Stimme. Ich glaube, nur in Heuchling hattet ihr die Chance, einen andere Stimme zu hören. Aber diese Aktion war wie der Vogelgesang am Morgen, wenn die Nacht noch dunkel ist, aber wir wissen, dass die Sonne gleich aufgehen wird.

Die Barmherzigkeit unseres Gottes hat kein Ende und ist alle Morgen neu: auch nach den Nächten seines Zornes, seines Gerichtes und seiner Strafen – am Morgen ist Vergebung und seine Sonne scheint über Gläubige und Ungläubige, über die Toten und die Lebendigen.

Wir sitzen in einer Ruine – vielleicht auch in einer Ruine unserer Erwartungen und Hoffnungen. Aber euer Bläserspiel war und ist ein Zeichen für den Glauben an Gott wie Jeremia betet:

Darauf will ich hoffen:

Die Güte des Herrn ists, daß wir nicht gar aus sind,

seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende,

Jeden Morgen neu ist sein Erbarmen,

und groß ist seine Treue.

Der Herr ist mein Teil,

spricht meine Seele

darum will ich auf ihn hoffen.

Und auf Wunsch des Leiters von JohannisBrass Joachim Rahm singen und spielen wir das Lied,

Freunde, dass der Mandelzweig
Wieder blüht und treibt,
Ist das nicht ein Fingerzeig,
dass die Liebe bleibt?

Eine Erinnerung an die Berufung Jeremias im Kapitel 1,11:

“Das Wort des Herrn erging an mich: Was siehst du, Jeremia? Ich antwortete: Einen Mandelzweig. Da sprach der Herr zu mir: Du hast richtig gesehen; denn ich wache über mein Wort und führe es aus.” (Jer 1,11f)

Auf diese Wort setzen wir unsere Hoffnung.

AMEN

EG 659 Freunde, dass der Mandelzweig

1. Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt,

ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?

2. Dass das Leben nicht verging, so viel Blut auch schreit,

achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit.

3. Tausende zerstampft der Krieg, eine Welt vergeht.

Doch des Lebens Blütensieg leicht im Winde weht.

4. Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt,

bleibe uns ein Fingerzeig, wie das Leben siegt.

Text: Schalom Ben-Chorin 1942 nach Jeremia 1,11

Die Macht des Gekreuzigten – Predigt von Pfarrer Jan-Peter Hanstein am 11.7.2021 im Livestream-Gottesdienst St. Jakob, Lauf

Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Matth. 28

Predigt auf Youtube [Es gilt das gesprochene Wort…]

Abb aus dem Buch Tom Hollands: Herrschaft – wie der Westen entstand

Liebe Gemeinde,

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

Was ist das für ein Satz. Gehen wir mal weg von dem für die Konfirmation vielleicht auswendiggelernten Text. Fühlen ganz frisch. Versetzen wir uns in die Jünger, die die letzten Worte Jesu hören. Sein Vermächtnis. Die Worte, die alles zusammenfassen, sind nicht ohne den zu denken der da spricht: Gerade noch war Jesus gefoltert und geschunden gestorben. Totgemacht, toter als der Tod. Und jetzt steht er wieder auf diesem Berg bei dem Evangelisten Matthäus. Diesem namenlosen Berg in seiner Heimat, auf dem er versucht wurde, auf dem er die berühmteste Rede der Weltgeschichte hielt – die „Bergpredigt“, dem Berg der Verklärung, auf dem er schon fast in den Himmel aufgenommen wurde.  Und sagt gezeichnet aber strahlend:

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

Mit wichtig – in unserem Text heißt es so schön menschlich: die Jünger fielen vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Selbst in so einem Moment glauben nicht alle! Denn zweifeln können wir alle: Macht, Gewalt – die gehörtdoch eigentlich einem Emperor, dem Kaiser. Dem Cäsar, der in einem Feldzug wie gegen die Gallier, ein Million getötet hat und eine andere Million in die Sklaverei geschleift hat. das war keine Witzfigur wie in ASTERIX … Oder wenigstens einem System wie dem Raubtierkapitalismus, der die Superreichen feiert. Die Bezos, Gates, Zuckerbergs dieser Welt, die andere herausdrängen, sich die Rechte sichern, sie multiziplieren und sich Staaten kaufen können, wenn sie wollen.

Die Macht, denken wir – die gehört doch einem Pilatus, demStatthalter, der die pax romana, den Frieden Roms aufrechterhält, indem er einen Unschuldigen wie Jesus kreuzigen lässt in dem sicheren Wissen: dieser wird es nicht einmal in eine Fußnote in der Weltgeschichte schaffen.

Aber auch als Historiker und Philosoph, als Agnostiker und Naturwissenschaftler muss man anerkennen. Dieser Jesus hat es geschafft:

Heute sind zwischen 2-3 Milliarden der Weltbevölkerung christlich. Manches Mal habe ich den Eindruck, nicht wegen der europäischen Missionare sondern trotz ihrer … In Afrika sind selbstbewusste Kirchen, die die Herablassung Europas nicht verstehen. Aus Südkorea werden mehr Missionare entsandt als aus jedem anderen Land der Welt. Im pseudokommunistischen China, das seine totalitäre Seite unter Xi Jinping immer mehr zeigt, wurden in den letzten 20 Jahren ohne wesentliche ausländische Unterstützung von 20 Millionen auf 100-130 Millionen Christen heute. Das Kreuz Jesu ist zu dem bekanntesten Markenzeichen der Welt geworden.

Haben Sie sich auch schon einmal die Frage gestellt:

Wie konnte der Gekreuzigte zu dieser Macht werden?

Der berühmte Historiker und Tom Holland trug da schon den Gedanken an das Buch mit sich herum: Dominion: The Making of the Western Mind.  Herrschaft – wie die westliche Mentalität entstanden ist.

Jahrzehnte war er fasziniert von Macht. Als Junge wandte er sich vom Glauben ab, weil die Dinosaurier nicht in das enge religiöse Weltbild passten, indem er erzogen war. Und von den blutgierigen riesigen Jägern wandte er sich der Geschichte der grausamsten Herrscher und Tyrannen zu, die ihn faszinierten.

Die Großreiche der Gegner Israels interessierten ihn mehr als dieser Gekreuzigte

Nietzsche und dessen Willen zur Macht und zur unbedingten Beherrschung schien ihm eher der Schlüssel zur macht zu sein. »Kämpfe immer tapfer und sei anderen überlegen.«[51]  aus der Ilias.

Aber Tom Holland wurde auch nachdenklich. Warum kannte fast niemand mehr außer ein paar Griechischlehrern die Heldentaten eines Alexander oder eines Attila? Warum sind fantastische Großreiche und Imperien längst Geschichte, während der Galiläer Jesus von seinem Berg immer noch eine unglaubliche Wirkung entwickelt?

Tom Holland stellte auch fest, dass der liberale Agnostizismus, dem er im Glauben an die Wissenschaft anhing, auch nur ein Glauben war, der ihm in Momenten der Entscheidung auf Leben und Tod, im Sterben für etwas nicht weiterbrachte und selbst die universalen Menschenrechte schienen ohne den Glauben an einen Gott, der die Welt und die Menschen liebt, ebenso ohne Begründung zu sein.

»Du hast gesiegt, bleicher Galiläer«, schrieb der viktorianische Dichter Algernon Charles Swinbourne, womit er die apokryphe Klage des Julian Apostata wiederholte, des letzten heidnischen Kaisers von Rom: »Die Welt ist grau geworden unter deinem Atem.« Instinktiv stimmte Tom Holland ihnen zu.

Wie konnte der Gekreuzigte zu dieser Macht werden?

Diese Frage trieb ihn um. Da unternahm Tom Holland eine Reise in den Irak, um dort einen Film zu machen. Sindschar ist eine Stadt, die, als er sie besuchte, direkt an der Grenze zum Islamischen Staat lag. Sie war dessen Kämpfern nur wenige Wochen zuvor wieder entrissen worden. 2014, als der Islamische Staat Sindschar erobert und besetzt hatte, war es die Heimatstadt vieler Jesiden gewesen, einer religiösen Minorität, die beim Islamischen Staat als Teufelsanbeter galten. Ihr Schicksal war grauenvoll gewesen, genau wie das jener Personen, die sich den Römern widersetzt hatten. Männer wurden gekreuzigt; Frauen wurden versklavt. Wenn man inmitten der Ruinen von Sindschar stand und wusste, dass nur drei Kilometer flachen, offenen Geländes entfernt genau die Leute saßen, die solche Gräueltaten begangen hatten, dann konnte man nachvollziehen, wie in der Antike der Gestank der Hitze und der Leichen einem Eroberer als sicheres Kennzeichen seiner Macht und seines Erfolges dienen konnte. Kreuzigung war nicht nur eine Bestrafung. Es war ein Mittel, sich Überlegenheit zu verschaffen: eine Überlegenheit, die bei den Unterworfenen nacktes, tiefstes Grauen hervorrief. Das Grauen vor der Macht war der Maßstab für Macht. So war es immer gewesen, und so würde es immer bleiben. So war die Welt.“

Mit diesem Geruch von Verwestem in der Nase und einem erschütterten Weltbild kehrt er zurück und schreibt in 750 Seiten eine sehr persönliche Geschichte des Christentums – pointiert von Cäsar über Gestalten wie Bonifatius und Abelard, Darwin  bis hin zu dem Künstler Otto Dix und Himmler zu den unterschiedlichen Entscheidungen, die Merkel und Orban 2015 in der Flüchtlingsfrage trafen, die sich beide in christlicher Tradition wähnten.

Am Ende erzählt Tom Holland von seiner alleinstehenden Patentante und stellt fest: „Vielleicht wurde die Weltgeschichte mehr auf dem Schoß von Frauen geschrieben als von Weltherrschern.“ Er staunt: Dass es diese Menschen immer noch gibt. Die lieben und barmherzig sind. Und sich eher an dem Bergprediger Jesus orientieren als an dem Augustus. Die sich der Angst vor Leid und Schmerz nicht beugen. Die größere Macht als das Grauen ist schließlich die Liebe. Christen haben das immer verstanden.

Tom Holland weiß auch:

Viele Christen werden und wurden in dieser Zeit allerdings selbst zu Handlangern des Grauens. Als ständige Drohung lag ihr Schatten über den Schwachen; sie verursachten Leid und Verfolgung und Sklaverei. Doch die Maßstäbe, nach denen sie deswegen verurteilt werden, sind ihrerseits christlich; heute werden überall ihre Denkmäler als Sklavenhalter gestürzt.

Ich – Jan-Peter Hanstein – warte auf die Zeit, in der auch endlich die schrecklichen Hindenburgs und Bismarcks, die Friedrich Wilhelms und andere Große aus unseren Straßennamen verschwinden und wir ihre Bronzedenkmäler einschmelzen, um daraus leichte und wunderbare Kunstwerke der Barmherzigkeit zu machen. Wegen mir auch Kruzifixe. Oder die Pieta von Käthe Kollwitz, als Mutter mit ihrem gim Weltktieg I getöteten Sohn auf dem Schoß! Auf jeden Fall Denkmäler der Opfer und nicht ihrer Schlächter!

Auch wenn die Kirchen in Europa leerer werden, sieht es nicht so aus, als würde sich an diesen Beurteilungs-Maßstäben so schnell etwas ändern.  

»Was schwach ist vor der Welt, hat Gott erwählt, dass er zuschanden mache, was stark ist.«

TOM HOLLAND schreibt, oder besser er bekennt: „Christ sein bedeutet zu glauben, dass Gott Mensch wurde und einen so schrecklichen Tod erduldete wie kaum ein anderer Sterblicher. Deshalb bleibt das Kreuz, dieses uralte Folterwerkzeug, was es immer war: das angemessene Symbol der christlichen Revolution. Es ist die Kühnheit, in einem gequälten, zu Tode geschundenen Leichnam die Herrlichkeit des Schöpfers des Universums zu erkennen, die mit größerer Gewissheit als alles andere die schiere Befremdlichkeit des Christentums und der Zivilisation, die aus dem Christentum entstand, erklären kann. Heute ist diese Befremdlichkeit so einflussreich und lebendig wie eh und je. Sie drückt sich in der großen Bekehrungswelle aus, die sich im Laufe des letzten Jahrhunderts in Afrika und Asien ausbreitete; in der Überzeugung von Millionen und Abermillionen Menschen, dass der Atem des Heiligen Geistes gleich einem lebendigen Feuer noch immer über der Welt weht; und in Europa und Nordamerika in den Einstellungen vieler weiterer Millionen, die nie auf die Idee kämen, sich als Christen zu bezeichnen. Sie alle sind Erben derselben Revolution: einer Revolution, die als ihr feuerflüssiges Herz das Bild eines an einem Kreuz zu Tode gefolterten Gottes hat.

Tom Holland endet:

Darauf hätte ich zweifellos schon früher kommen können.

Ich muss zugeben. Holland holt weit aus, wahrscheinlich zu weit für die meisten Leser. Trotzdem meine Empfehlung: Herrschaft – wie die westliche Mentalität entstanden ist.

Es geht um die größte Geschichte aller Zeiten. Der Geschichte Jesu und seinen Jüngern. Diese Geschichte ist größtenteils unsichtbar. Aber sie wiederholt sich in jeder Taufe. In jeder Konfirmation. In der Hoffnung jeder Patin oder jedes Paten, die dafür beten, dass ein Kind diese Liebe erfährt. Eine Konfirmandin, die glaubt, ist mächtiger als der tote Cäsar. Der glaubende Jugendliche, der/die einst vielleicht selbst diesen Ruf hört und aufbricht. Nicht mit einer Botschaft. Sondern mit Leib und Leben diesen Gekreuzigten bezeugt. mit “Jünger” ist das schon besser übersetzt von Luther als mit “Schüler”, weil es diese tiefe Verbindung ausdrückt. Mir gefällt in der Übersetzung Bibel in gerechter Sprache – da steht:  um mit anderen zu lernen.

Im neuen Gemeindebrief, im BLICK in der Sommerausgabe haben wir das Thema Kirchengemeinde Lauf weltweit in den Blick genommen: ich war überwältigt, wieviele Patenschaften und Partnerschaften MitarbeiterInnen dieser Gemeinde schon über Jahrzehnte pflegen: in den Kongo nach Im Hospital der Christusträger Vanga. Hier auf Youtube findet ihr das tolle Benefizkonzert von Christoph Zehnder als Dankeschön an die Basarfrauen – aber auch der Kreativshop mit Jujuj in Argentinien, Wantoat Papua-Neuguinea,  Haiti, Serbien. Ich grüé alle, die von dort aus zusehen!

Aus unserer Gemeinde sind Menschen ausgesendet worden in Gebiete von Zentralasien. Um zu unterstützen, zu lernen, auf eine ganz bescheidene Weise sich darunter stellen bis die Menschen dort fragen: Warum tust du das eigentlich? Und wir bei ihrer Rückkehr noch mehr lernen: – Dass dieser eine Name – Jesus – über allen Namen ist – und vor allen anderen schon da ist. Bis an die Enden der Welt. Diese Macht Jesu schafft erst die eine Welt in allen Völkern. Das ist niemals unumstritten. Immer umkämpft und umliebt. Ohnmächtig mächtiger als alles andere. Immer wieder sind wir auf der Suche. Glauben ist keiner Statistik erfassbar und von keinem anderen messbar. Die Jünger und die Gemeinden sind so schwach und doch so hoffnungsvoll. Niemals fertig, niemals zu Hause. Unterwegs – unterwegs durch die Zeiten – nur auf seinem Ruf und seinem Befehl. Des Gekreuzigten und Auferstandenen. Der lebt, damit wir auch leben. Der sagt:

Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

AMEN.

Zitate aus: Tom Holland, Herrschaft – wie der Westen entstandt

“Der Auferstandene selbst reißt die Seinen aus der träumerischen Spekulation über das Weltende heraus und stellt sie unter seinen Befehl.” 6. Sonntag nach Trinitatis Mt 28. HJ Iwand, Predigtmeditationen S.27ff, 16-20.

(ursprünglich Trinitatis 1945/46)

Kreuzigung des Petrus, Carravaggio um 1600

[Scan der Fraktur durch Google Lens. Einzelne Scanfehler können noch vorhanden sein. Heraushebungen und Zwischenüberschriften von JPH. Vorbereitung auf den Gottesdienst im Livestream am 11.7.2021 auf Youtube C1 Lauf ]

In der liberalen Theologie ist unsere Stelle immer wieder auf ihre historische” Echtheit hin in Zweifel gezogen worden, den Hauptanstoß bildeten der Missionsbefehl und die trinitarische Formel. Man fragte, hat die Urgemeinde in Fragen der Heidenmission nicht gerade umgekehrt gedacht? hat nicht darum Paulus seine spannungsvollen Auseinandersetzungen mit den Uraposteln gehabt? Man wies darauf hin, dass die trinitarische Formel bei der Taufe nicht auftritt, dass vielmehr durchweg ,,auf den Namen Jesu” getauft wird (Act 2,38; 8, 16; 19,5), und man sah gerade in dem Ausgang des Ganzen, in der Verheißung des Naheseins bis an der Welt Ende einen Umschwung in der eschatologischen Erwartung. Hier schreibt ein Mann, der nicht mehr die Erwartung des nahen Endes mit dem ältesten Urchristentum teilt, sondern ein Glied der zweiten Generation, die schon einen lebhaften Eindruck davon hat, dass der Herr verzieht und wohl noch lange verziehen wird. Vielleicht muss die Kirche sich noch auf lange Zeit in der Welt einrichten” (J. Weiß). Wir könnten aber auch gerade umgekehrt argumentieren. Ist nicht die Erwartung des nahen Endes gerade die menschlich natürliche Stimmung der ersten Generation, Acta 1,7f. Niemand weiß die „Stunde“ (Mt. 24,36), sie kommt wie ein Dieb in der Nacht (1. Thess. 5,1 f.), gerade die Ausrichtung der Botschaft, die Mission der Welt ist Ausbruch ihrer Nähe (so schon bei Johannes dem Täufer, bei Jesus selbst Mt.3,2; 4,17; 12,28) ist Ausdruck des Wissens, solange es Tag ist. Gerade in der Missionierung der Welt wird die Nähe der kommenden Gottesherrschaft aktuell. Insofern werden wir gerade umgekehrt unsere Stelle lesen müssen, nämlich so, dass der Auferstandene selbst die Seinen aus der träumerischen Spekulation über das Weltende herausreißt und unter seinen Befehl stellt. Das Wirken der Kirche erfolgt unter diesem, sie immer wieder von dem Absturz in diese Frage (Richtest du jetzt dein Reich auf? Acta 1, 7) zurückreißenden Befehlswort des Herrn. Die Weltmission der Kirche steht unter dem Zeichen der Tatsache, dass mächtiger als die Zeichen und Erwartungen des nahen Weltendes der Befehl des lebendigen und in ihr gegenwärtigen Herrn ist. [2]

Wir stehen heute in einer ganz ähnlichen Situation. Weithin lähmt die Erwartung des nahe bevorstehenden Endes das Heraustragen der Botschaft, darum die Bemühung, in frommen Kreisen zusammenzubleiben (in Jerusalem das Ende abzuwarten!), darum die Preisgabe der „Welt“ als einer endgültigen verlorenen, endgültig den Dämonen preisgegebenen Angelegenheit. So war es ja schon in den letzten Jahren des Krieges und des überhandnehmenden Terrors. Dahinein trifft dieses Wort. Und es steht immer wieder da, in seiner stolzen, apodiktischen, nur noch Anbetung oder Zweifel auslösenden Autorität. Es ist in der Tat ,,letztes“ Wort. Es gibt darauf keine Antwort mehr. Es gibt nur noch Gehorsam oder Entweichen. Ende aller menschlichen „Einrede“ (Hebr. 6, 16) ist die feierliche Verheißung des Herrn. Ich bin bei euch. Das ist es, woran sich die Apostel zu halten haben, nicht sein Der ziehen“. Wenn heute die Kirche in ähnlicher Lage steht, wenn immer wieder diese Frage auftaucht, ob es nicht besser sei, sich auf sich selbst zurückzuziehen, sich auf den kommenden Tag durch Sammlung des Restes zu rüsten, wenn dies sich andeutet in all den Bestrebungen, kultischer, liturgischer, ordensmäßiger Observanz, dann ist das genau so zu begreifen, wie jenes Haften an Jerusalem, aber der ausgestreckte Befehlsstab des Herrn weist an die „Enden der Welt“, weist nicht nach Israel zurück, sondern weist uns an die Völker“ und legt mit ,,Lehren“ und Taufe“ unser diesbezügliches Arbeiten eindeutig fest.

„Wohl zögert die Urgemeinde mit der Mission“- schreibt Schniewind zur Stelle-, „weil die Botschaft an die Völkerwelt nach allen Erwartungen des AT zur Vollendung der Weltzeit gehört; und die Frage ist nur diese, ob die Vollendung der Weltzeit schon mit Jesu Auferstehung anhebt, oder ob die Gemeinde auf seine Wiederkunft vom Himmel her warten solle, bis die Botschaft über die ganze Erde hin ergeht. Und nun beschreibt die Apg., wie die Urgemeinde durch die Verfolgung und durch besondere Weisungen des Auferstandenen in die Weite gedrängt wird.“ Damit dürfte nun auch das fachliche Anliegen, das die liberale Kritik unserer Stelle gegenüber hatte, geklärt sein. Es geht nicht um die Einschränkung des Judentums zur Weltreligion (in der Eschatologie ist der Universalismus immer heimisch gewesen – Schlatter), sondern es geht darum, dass mit dem Kommen Jesu, mit seinem Tod und seiner Auferstehung nun tatsächlich der neue Aon anbricht und dass die Jünger Träger, Botschafter dieses Einbruchs der Gottesherrschaft sind. ,,In caelo autem et in terra potestas data est, ut qui ante reganat in caelo, per fidem credantium regnet int terris“ (Hieronymus). Zu V.18 vgl. Dan. 7,14. Fast wörtliche Übernahme.

Zum-Schüler Machen

Wäre damit erst einmal das Dass der Weltmission deutlich, und zwar so, dass wir nicht in erster Linie heute an die Arbeit auf dem Missionsfeld bei dem Ausdruck „Völker“ zu deuten hätten, sondern an die Welt im Unterschied zu Israel, zu Jerusalem, zur “Kirche“, so wird ebenso wichtig sein, dass wir uns das Wie dieser Arbeit aus dem Text deutlich machen lassen. Jesus gibt eine bestimmte Marschroute mit. Zunächst steht da der Befehl des „Zum-Schüler Machens“, also unter den Ruf-des Herrn Stellens (vgl. Mt. 13,52). Hierzu müsste man eigentlich den Artikel von Rengstorf im Wörterbuch zum NT über ,,mathetes“ lesen können, der ausgezeichnet ist und an dem man lernen kann, worin dies zum Jünger machen“ besteht. Jedenfalls nicht mit Hilfe eines Traditionsprinzips“. Die erste christliche Generation und das neue Testament stehen jeglichem Traditionsprinzip griechischer oder rabbinischer Prägung fern. Jesus ist für die Jünger nicht der Rabbi, sondern der Meister. Die verstünden ihn als den Herrn. Sie übermitteln nicht einen” Lehrstoff“, sondern sind ,,Augenzeugen“, die eine Geschichte“, vornehmlich die Leidensgeschichte“, berichten und benennen. Im christlichen Credo ist ihr „Zeugnis“ beschlossen, nicht in der Tradierung der Worte und Ideen“. So erscheinen in den Evangelien Jesu Jünger nicht als seine Tradenten, sondern als seine “Zeugen“ (Rengstorf). So ja auch Apg. 1,8. Das erste, was befohlen ist, ist also der Zeugendienst vor aller Welt (vgl. Joh. XIV, 8).

Gott selbst tauft

Das zweite ist die Taufe auf den Dreieinigen Gott. Es dürfte darin deutlich werden, wie konstitutiv diese beiden Momente im Handeln Kirche sind, von Gott her die Offenbarung, vom Menschen her die neue Geburt. Das Bekenntnis zum Dreieinigen Gott, das ist die Scheidegrenze, die den Gottesbegriff der Christen von dem Gott und den Göttern der Heiden unterscheidet. Darin kommt nur begrifflich, also lehrmäßig und explizit, zum Vollzuge, was ja schon in der Taufe auf den Namen Jesu“ drinliegt. Jede Taufe auf den Namen Jesu bedeutet, dass hier der Eine Sohn Gottes erschienen ist, der selbst Geist ist und den Geist Gottes schenkt, dass hier Gott selbst gegenwärtig ist, und wirft, tötet, lebendig macht“ (vgl. Taufe und Geist Mt.3, 11; Apg. 2, 38; 10, 44; 1. Kor. 6, 11 etc.) (Schniewind). Hätte wohl die Christenheit einschl. bestimmter Theologen und Bischöfe sich je so irreführen lassen können von der Religion der nationalsozialistischen Ideologie, wenn sie das noch gewusst hätte. Es geht hier nicht um eine Formel, es ist wirklich die “Epiphanie“ (Luther) Gottes, aber es geht auch um eine Formel, besser um ein explizites Bekenntnis, und darum ist die Taufformel dogmatisch unabänderlicher Bestand. Gott ist das Subjekt der Offenbarung, und diese Offenbarung ist der sich über dem Täufling auftuende Himmel. ,,Denn hie ist Gott Vater, Son und heiliger Geist selbst, der das teuffet und badet. Darumb muss auch das wert so trefftig ſein, das es den Menschen ganz new mache“ (Luther in einer seiner vielen Taufpredigten WA 49, 131, 25 Wäre es nicht sehr lehrreich, wenn man einmal die Hauptstücke aus diesen sonst nicht leicht zugänglichen Taufpredigten im Druck vereinigte?). Darum ist eben nicht der taufende Pfarrer, nicht das Amt der Rechtsgrund der Taufe, sondern, wie schon Augustin nicht müde wird, zu betonen, der, auf dessen Namen der Mensch getauft wird (vgl. 1. Kor. 1, 13). ,,Der diener muss zwar da sein, seine hand und mund dazu reichen, Aber ich sol mich nicht lassen weisen auff den sichbarn, sondern auff den unsichtbarn Teuffer, der die Tauffe gestiftet und geordnet hat, Auff den sol ich sehen, Gott gebe, der Diener sey, wie er wölle“ (ebenda). Das Sakrament der Taufe hat sein Gewicht in dieser Einsetzung und in diesem Handeln Gottes mit dem Menschen. Gerade darum, weil gilt: opera trinitatis ad extra sind indivisa, erfolgt die Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Darin sind wir von Gott selbst umschlossen, aufgenommen in das Innen seiner Offenbarung. Ich kann das Eine – nämlich den einen Gott nicht denken, –  ohne von den Dreien umleuchtet zu sein. Ich kann die Drei nicht unterscheiden, ohne alsbald auf das Eine geführt zu werden“ (Gregor von Nazianz, aus Barth, KD 1. Aufl. S. 165).

Taufe auf den Namen ist die Mitte

Freilich wird man auch das andere zu beachten haben, dass auszugehen ist bei dem Namen Jesus. Der ist die Mitte. Darum ist die trinitarische Formel nur die Entfaltung dessen, was mit der Taufe auf den Namen Jesu Christi sachlich und begrifflich gesagt ist: ,,In Christi enim nomine subsuditur qui unxit et ipse qui unctus est et ipsa unctio in qua unctus est“ (Irenäus, Barth S. 151). Das Bekenntnis zu Vater, Sohn und Geist ist von den ersten Anfängen an in der Christengemeinde lebendig“ (Schniewind). 2. Kor. 13, 13; Eph. 4,4; 1. Petr. 1, 2; 1. Kor. 12,4; Apg. 2, 38 ff. etc. Das Dogma von der Trinität ist also nicht etwa erst eine spätere Eintragung oder Verzeichnung in die im NT bezeugte Offenbarung, sondern es anerkennt die Wirklichkeit Gottes, so wie er selbst sie in seiner Offenbarung erweist und bestätigt“ (Barth). Eng zusammen mit der Ersehung des Geheimnisses der Trinität und damit allererst der Möglichkeit von Offenbarung durch einen rationalen, mystischen, deistischen, jedenfalls heidnischen Gottesbegriff und der daraus resultierenden Unkräftigkeit des Zeugnisses” der Kirche an die Welt hängt nun auch das andere, die Verlegung der neuen Geburt aus der Taufe weg an irgendeine andere Stelle, in das Erleben, Er fahren, in die moralische Erneuerung etc. Die Taufe ist Sündenvergebung, und als solche Sterben und Auferstehen. Don der Taufe her habt ihr euch als Christen in eurer „Existenz” zu verstehen, und zwar nur von hier her. In die Kirche wird man eben nicht geboren”, sondern ,getauft”. Geboren wird man höchstens in die Landeskirche”, aber niemals in die Kirche Jesu Christi. Und hier liegt der zweite Punkt des Abweichens in den verflossenen Tagen. So wie der natürliche “Gott an die Stelle des sich selbst offenbarenden” trat, so der natürliche Mensch unter und hinter den Christenmenschen”, der deutsche Christ”, wobei man ganz deutlich heraushören konnte, was hier Substanz und was Akzidenz ist. Das Evangelium von Trinitatis sollte so verkündigt werden, dass deutlich würde, wo wir zur Umkehr gerufen sind, theologisch und christlich existenziell, beides in einem, sie müsste einschlagen wie ein Donnerschlag in diese unsere verkehrte Richtung des Deutens und Wesens.

Denn das ist doch wohl zu bedenken, dass Jesus das Wie, die Art und Weise unserer Zeugenschaft an diese beiden Punkte, an Offenbarung und Taufe, bindet und nicht will, dass wir unter Umgehung dieser Hauptposition, an der die Entscheidung nach seiner Weise zu fallen hat, die Welt mit anderen Mitteln zu missionieren bzw. zu ködern suchen. Nun sucht man nichts anderes an den Haushaltern über den Geheimnissen Gottes- und das auch unsere Wiedergeburt, als dass sie treu erfunden werden. Hier steht und fällt die Kirche.

Lehret sie halten – „der Christ macht neue Dekaloge” (Luther)

Erst danach kommt, als drittes, das lehret sie halten, alles was ich euch aufgetragen habe”, die eigentliche Tauflehre von Hebr. 6, die Unterweisung! Und zwar Unterweisung im Sinne der echten Paraklese, des halten-Lehrens, der ,,tertius usus legis”, dessen, was Luther meint, wenn er sagt, „der Christ macht neue Dekaloge”. Man kann das auch die Kampfordnungen des neuen Christenstandes nennen. Christentum in der politischen, wirtschaftlichen, geistigen Situation heute. Die Gemeinden haben einen Anspruch, ein Wort darüber von uns zu hören, Weisungen zu erhalten, aus denen deutlich wird, der Herr ist noch und nimmer nicht von seinem Volk gewichen”. Aber so notwendig dieses Dritte ist, es muss immer drittes bleiben. Die Hauptpartie ist Röm. 1-11, erst dann kommt die Paraklese. Erst dann kommt die eigentliche Überlieferung” der Regeln und Weisungen Jesu. Und so gestellt, wird und muss sie denn auch kommen. Nicht als Ethik, sondern als Lehre, zu halten, was der Herr seinen Aposteln aufgetragen hat”. Zum Begriff “halten” vgl. 1. Joh. 5,18; Joh. ,51; 14, 15; 21; 23 etc.

#Ewigkeitssonntag

Zuwendungen auf die Aufforderung zur Aktion in unserem Livestream Gottesdienst vom Ewigkeitssonntag:

Mach mit deinem Handy ein Foto vom Himmel, wie er jetzt ist. Wenn du dich in den nächsten Tagen daran erinnern musst, dass das hier nicht das Ende ist, dann schau das Foto an. Du kannst es auch jemandem schicken und zum Beispiel einen Satz aus diesen Gottesdienst dazu schreiben, der dir etwas bedeutet. Oder auch an mich:

Vielen Dank!

#Ewigkeitssonntag auf facebook

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Ewigkeitssonntag 23.11.2020, Predigt Jan-Peter Hanstein im Livestream. “Das Himmlische Jerusalem”

Offb 21 Predigttext

1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt,das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.

Der ganze Gottesdienst auf youtube

Liebe Gemeinde,

die Bibel war mein erstes Buch, sie wird auch mein letztes sein. Keines kann das Feuer anfachen wie

dieses, ich lese auch meine Geschichte, weil die Bibel die Sehnsucht niemals sterben lässt. In ihr sind auch Dunkelheit und Wut eingeschrieben, das Trauern ist nicht verboten, der Tod wütet, Schmerz sticht und Tränen fließen. All das geschieht wie kaum zuvor gerade im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung des Johannes. Von Plagen und Vernichtung wird erzählt. Der Schrecken wird zerlegt viele Einzelbilder und Visionen und niemand vermag sie zu zählen.

Die Sehnsucht aber bleibt, es ist das ewige, heilige, das himmlische Buch.

Heute für den letzten Sonntag im Kirchenjahr ist das letzte Kapitel der Bibel vorgesehen. Und es beginnt so:

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen.

Offb 21,1

Johannes sieht. Er sieht es kommen. Diese Welt wird vergehen. Nicht nur unsere Erde, nicht nur der Kosmos, sondern sogar das uns Unzugängliche, der absolute Herrschaftsbereich Gottes -, das was wir „Himmel“ nennen, wird vergehen.

Unvorstellbar. Aber Johannes sieht es. Sieht es kommen. Sie ist noch nicht da. Die neue Welt. Aber ihre Vorstellung, ihr Plan ist schon da. Inspiriert schon immer Künstler und Architekten.

Eines der beeindruckendsten ist das Altarbild der Augustinerkirche in Würzburg von Jacques Gassmann: Das himmlische Jerusalem.

2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.

„Im Vordergrund, die zwei roten Figuren, das sind der Seher Johannes und der Engel. Sie stehen gemeinsam auf einem Berg. Die beiden Betrachter schauen hinab auf das Himmlische Jerusalem, eine Stadt aus leuchtendem Gold, genauso wie in der Offenbarung des Johannes beschrieben“, erklärt der Historiker das Bild des zeitgenössischen Künstlers Jacques Gassmann. „An den vier Bildrändern befinden sich jeweils drei farbige Halbkreise. Sie deuten die zwölf Stadttore an, beziehungsweise die zwölf Edelsteine, das Fundament der himmlischen Stadt.“ (Bernet)

In mir ruft dieses Bild Erstaunen und Entsetzen hervor:  ich sehe noch soviel mehr… Die Tore, die Edelsteine am Rand, sehen aus wie die Farben unserer Planenten, am Himmel sind nicht nur dunkel Wolken, sondern Rauch und mächtige Bewegungen im All.  Neuer Himmel und neue Erde! Ich wünschte mir dieses Bild als Glasmalerei mit ihrem Blauen und Schwarzen Hintergrund.

Wie gesagt: auch Entsetzen löst in mir diese Version der goldenen Stadt aus. Das neue Jerusalem. Ich stelle mir die Frage, und auch dem Johannes. Was ist mit der alten Stadt passiert? Ist das die neue oder noch die alte? Mit ihren Menschen darin.

Johannes und der Engel, der ihm alles zeigt, haben den Logenplatz. Sie sind herausgenommen, noch in der alten Welt sieht Johannes das neue. Rot sind sie, heiß wie die Liebe aber auch der Zorn.

Bei der Betrachtung formen sich in mir apokalyptische Bilder. Eine Stadt, die glüht, schmilzt. Lodert. Feuersturm. Darüber der Rauch. Die alte Stadt vergeht.

Würzburg, April 1945

Das hatten wir schon mal. Dresden, Nürnberg und eben dort: Würzburg. Ich sehe die Ruinen der Altstadt nach dem Angriff der Allierten in den letzten Kriegswochen und meine die Straßenzüge und Kirchen zu erkennen.

Als neues Jerusalem wurde Würzburg einst gebaut mit seinen dutzenden von Kirchen und dem Dom. Das neue Jerusalem – Dahin. Eingeschmolzen. Drei Tage brannte die Stadt wie eine Fackel. Ausgeglüht.

Ich erinnere mich. Bei einer Dekanats-Konferenz in Würzburg brauchte ich in der Mittagspause Ruhe und frische Luft und bin in den nahegegangenen Park gegangen. Ich fand zu meiner Überraschung das Mahnmal der Opfer dieses Bombenangriffes. Das Massengrab. 5000 Opfer in dieser Nacht des 16. März 1945. Selbst in den Luftschutzkellern kamen die Menschen wegen der Hitze ums leben.

Und dort musste ich mir die Tränen aus den Augen wischen. Über die Sinnlosigkeit. Die Grausamkeit. Diesen ewigen Kreislauf von Rache und Verbrechen. Was wir Menschen uns antun. Und was dann Hunger und Krankheiten vollenden. Damals und heute.

Ja – Unwirklich mitten in dieser so lebendigen jungen und schön aufgebauten Studentenstadt. Mir wird klar – nein, das ist sie noch nicht. Unsere ist noch nicht die neue Welt. Auferstanden aus Ruinen, ja. Aber nur eine neues Land wie unser wiederaufgebautes Deutschland ist nicht genug.

Letzter Sonntag des Kirchenjahrs. Wir gedenken der Ewigkeit. Der Toten.

Wir sind mittendrin in einer Plage biblischen Ausmaßes. Wie eine der Wehen und Katastrophen aus der Johannis-Apokalypse. Wir sind besorgt um kranke Nachbarn, um arbeitslose Mitmenschen, um die Seelen der Menschen, die vereinsamen oder sich verhärten.

Diese Welt vergeht. Aber das allein ist für mich noch kein Trost. Auch das Bild von Gassmann, so beeindruckend es ist, es bleibt doch beängstigend. Warum es Sinn macht, das alles durchzustehen und zu erleiden, ist das, was dann kommt.

Apokalypse. „Dann geht der Vorhang erst richtig auf.“ Das hat Karl Barth zu einem Studenten gesagt, der solche Angst vor dem Tod hatte. Offenbarung. Die neue Welt, golden, noch ungeformt wie im Fluss, diese glühende reine goldene Stadt ist aber nicht die Offenbarung. Die Sehnsucht aber bleibt, es ist das ewige, heilige, das himmlische Buch. In ihm steht:

Der Tod wird nicht überleben. Nicht die Zerstörung. Sondern der, der all das macht. Der den Vorhang aufzieht und der auf dem Thron sitzt, sagt:

Sieh doch: Ich mache alles neu!« Gott wird jede Träne abwischen von deinen Augen. Es wird keinen Tod und keine Trauer mehr geben, kein Klagegeschrei und keinen Schmerz. Denn was früher war, ist vergangen.

Der ewige, der königliche Erzähler von Anfang an sagte diese Worte zu Johannes, dem Propheten. Der sammelte sie, brachte sie zu Papier und erzählte sie immer weiter, weil der Ewige auf dem Thron ihn bat:

Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss. (Offb 21,5)

Das also ist der Schluss der Bibel, die kein Ende nimmt, weil sie sich mit dem Tod nicht arrangieren kann. Die Bibel hört nicht auf. Das Feuer brennt. Ich darf weinen und brauche mich dessen nicht zu schämen. Denn alle Tränen werden abgewischt. Christus der Gekreuzigte, das Lamm Gottes ist nun Richter. Und er wischt ab die Tränen der Wut über Ungerechtigkeit Leid. Er lässt das Schluchzen der Trauer versiegen. Der alles neu macht ist sein Vater…

Ich liege und träume und sehe, ich muss nicht fort, das Buch bleibt offen – und die Geschichte, die schon immer in mir Form annimmt, wird wahr.

Denn Gott, lächelte und sprach:

Sieh doch: Ich, ICH bin es, ich mache alles neu!«

Worte des ewigen Lebens!

AMEN

„Werde, was du bist – in Christus“. Predigt JP Hanstein, Lauf

19. So. n. Trinitatis – 8.10.2020, 10:30 Uhr, Livestream aus St. Jakob

Liebe Gemeinde,

stellt euch vor, ihr wacht auf und wollt euch anziehen. Und da hängt euer neuer Anzug. Exakt für euch zugeschnitten. Die Ärmel passen und die Hosenlänge auch. Ihr schlüpft hinein und alles passt. Der Tag kann beginnen. Was kann einen in einem solchen Anzug schon passieren?

Ich meine natürlich eher nicht unsere Arbeitskleidung, nicht der Blaumann von Engelbert und auch nicht den maßgeschneiderten Anzug von Brioni! Sondern so einen Supermannanzug. Einen Anzug, der aus dem durchschnittlichen Schüler Peter Parker Spiderman macht und der nun alle möglichen Wunder vollbringen kann.

Obwohl wenn ich diesen jungen Mann anschaue, muss ich zugeben, dass ich nicht so wohlproportioniert wäre wie Peter und mich alle in diesem Aufzug eher auslachen könnten. Aber nehmen wir an: es liegt da Kleidung bereit und damit wäre mein Leben wie neu. Ungeahnte Kräfte wüchsen mir zu und ich erlebte ein Abenteuer nach dem anderen. Wie abgetragen und verschlissen ist dagegen, was ich bisher getragen habe.

Was würde sich in meinem Leben verändern?

Du müsstest ja wie die Kinohelden immer noch in die Schule gehen oder den stumpfsinnigen Bullshit-Job im Büro machen. Wahrscheinlich endete alles typisch deutsch wie der Film „Vorstadt-Avengers“ mit Wendy und Elmar statt Superman und Batman … Der Verfasser des Epheserbriefes beschreibt diese neue Kleidung so:

Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht,

ändert euer früheres Leben und erneuert euren Geist und Sinn!

Das ist fast noch krasser wie bei den Supermännern – und Frauen. Er fordert uns auf, den alten Menschen wie alte Kleidung einfach abzustreifen. Erneuert ἀνανεοῦσθαι euren Geist und Sinn! Wir sollen eine Metamorphose durchmachen wie eine Raupe, die zum Schmetterling wird und ihren Raupenkokon einfach leer zurücklässt.

Und dann kommts:

Zieht den neuen Menschen an,

der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.

Die ursprüngliche Version unseres Menschseins, wie Gott uns nach seinem Bild geschaffen hat? Doch so eine Art Supermensch nach dem Bilde Gottes?

Ja – aber das Bild Gottes ist schon seit dem Anfang, Gen 1, Bild Gottes. Menschen mit bestimmten Fähigkeiten und Begrenzungen. Von Anfang an konnten wir Menschen ihr Leben frei interpretieren. Wunderschönes entstand, aber auch schreckliches. Ermahnen half nicht, ebenso strafen und vernichten nicht.

Schließlich, so erzählt es das Neue Testament, sandte Gott seinen Sohn Jesus. Er ist der neue Mensch, wie Gott ihn sich vorgestellt hatte.

Ich schwanke da auch manchmal. Ist Jesus auch nur so ein getarnter Superman, versehen mit unglaublichen Kräften? Wunder und Zeichen geschahen. Jesus heilte und bewerkstelligte Unglaubliches. Aber am Ende waren seine Kräfte nicht groß genug. Sein Leib und sein Leben wurde Schritt für Schritt geschunden und zerstört bis zum Tod am Kreuz. Jesus starb diesen elenden Tod, den sich ein Batman oder Superman niemals hätte gefallen lassen. Er wurde an unserer Stelle zur Sünde gemacht, Hass und Zorn, Lüge und Trug – all das wird in seiner Passion übergroß sichtbar.

Doch kein Superman? Doch – weil er durch viele Menschen wieder aufersteht, mächtiger und wirksamer als je zuvor. Der Verfasser von dem Epheserbrief hat kurz vorher beschrieben, wie er sich die Auferstehung Jesu Christi vorstellt. Viele Menschen leben wie er, ziehen sich diesen neuen Menschen an und bilden zusammen den Leib Christi. Die Supermänner suchen immer nur nach ihresgleichen. Manchmal braucht es zur Vervollständigung ihrer Fähigkeiten eben so einen tollen Anzug, aber sie bleiben allein. Oft bitter einsam. Und irgendwie erfolglos. Von Film zu Film werden Schurkentaten spektakulärer und brutaler. Es hat nie ein Ende, es gibt keine Veränderung. Die Welt ist nie gerettet.

Ist es ein Trost, dass die Gemeinde in Ephesus zutiefst zerstritten und gespalten war und sie deshalb so einen Brief erhalten haben? Was würde uns ein Paulus nach Lauf oder die evangelische Kirche in Bayern schreiben?

Und Ist irgendetwas seitdem besser geworden? Es gibt einen entscheidenden Unterschied zu den üblichen „Moralkeulen“:

1) All diese Aufforderungen sind an uns adressiert, nicht an irgendwelche anderen, über die wir uns aufregen könnten. Wir sollen neu werden, uns erneuern an Leib und Seele.

Uns gibt der Epheserbrief sogar positive Anregungen.

2) Dort heißt es am Ende:

„Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat!“

Nicht in unserer Vollkommenheit besteht die Nachahmung Gottes, sondern darin, dass wir Unvollkommenheit bei uns und anderen eingestehen und vergeben. Vergebt, weil Gott euch vergeben hat. Darin sollen wir Gottes Ebenbild sein. Die Superkraft – ist die Vergebung. Was Gott nur allein durfte, hat er durch Christus uns gegeben. Die stärkste Kraft ist nicht die vom gnadenloasen Superman, sondern von dem, der vergibt. Dazu gehört noch mehr … Lesen wir das vierte Kapitel des Epheserbriefes weiter:

Legt deshalb die Lüge ab, und redet untereinander die Wahrheit; denn wir sind als Glieder miteinander verbunden.

Lasst euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen.

Gebt dem Teufel keinen Raum!

Der Dieb soll nicht mehr stehlen, sondern arbeiten und sich mit seinen Händen etwas verdienen, damit er den Notleidenden davon geben kann.

Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es hört, Nutzen bringt.

Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung.

Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung

und alles Böse verbannt aus eurer Mitte!

Ich sehe geradezu durch die Kamera euer Gähnen auf den Sofas und an den Küchentischen. Was für biedere Ermahnungen! Wie oft haben wir solche Sprüche gehört! Auf der Wand gelesen: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen!“

Auch wenn wir den neuen Menschen anziehen, d.h. wenn wir getauft sind und Jesus nachfolgen und auch nachahmen, bleiben die großen Probleme der Welt. Krankheiten, wie in unserer Zeit Corona, stellen uns auf eine große Geduldsprobe. Meinungsverschiedenheiten werden hasserfüllt auch in unserer Kirchengemeinde ausgetragen. Lüge und üble Nachrede geht durch alle Teile unserer Kirche.

Und auch wir Gutmenschen werden enttäuscht und müde, wie die Superhelden abgenützt werden vor dem immer gleichen Bösen und Schlechten in der Welt?

Das Böse zu bekämpfen ist einfacher als zu vergeben und es selbst besser zu machen.

Zornig zu sein ist einfacher, als diese wilde Energie wirklich in die Lösung schwelender Konflikte zu stecken. Wir gerade in der Kirchengemeinde sind so harmonisch, dass wir alle Konflikte verdecken und vertuschen und so auch verlängern, bis sie sich von allein lösen, weil alle Parteien verschlissen sind. Lieber kurz und heftig, aber dafür danach durch die Vergebung im Frieden.

Zornig werden wir alle – ist ja auch verständlich, aber als Christen machen wir das Unglück nicht größer, sondern retten was zu retten ist. Möglichst am selben Tag, obwohl ich eher empfehlen würde, über manchem Zorn erst einmal eine Nacht zu schlafen. Aber aus Zorn soll keine Sünde, kein Hass entstehen. Nichts, was wir nicht rückgängig machen könnten.

Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes,

das den, der es braucht, stärkt, und dem, der es hört, Nutzen bringt.

Das erinnert an die Geschichte von Sokrates, der jede Aussage daraufhin überprüfen ließ, ob sie zugegleich wahr, nützlich und gut ist. Sonst hörte er einfach nicht hin. Macht das ebenso!

Unsere Gemeinde soll kein Ort von Menschen sein, die weißgekleidet immer mit einem Lächeln auf den Lippen versuchen, tolle Menschen zu sein! Meidet solche Orte der Heuchelei!

Wendet euch aber dahin, wo ihr mit allen euren Problemen ernstgenommen werdet. Wo es wirkliche Unterstützung gibt, zB in unseren evangelischen Kindergärten. Wo die Probleme von Liebe und Ehe nicht übertuscht werden, sondern auch in verfahrensten Situationen eine wirkliche Lösung und Vergebung und Erneuerung angestrebt wird wie in unseren Beratungsdiensten.

Geht in die Gemeinden, die ihre Konflikte offen austragen, sei es manchmal eben auch über Leserbriefe und Facebook – aber wendet euch nicht ab, sondern verfolgt auch die Lösungen, zB unsere gemeinsame Erklärung zu interreligiösen Arbeit in unserer Stadt.

Und was für Supermänner gibt es in unsrer Gemeinde und noch viel mehr Superfrauen! Die ihre Angehörigen pflegen und Kranke und Alte besuchen, die Kinder betreuen und erziehen, die Hilfsprojekte in aller Welt über Jahrzehnte fördern, die Flüchtlingen eine Heimat geben, die Gott loben und sich freuen in der Musik, die miteinander das Wort Gottes studieren und auslegen in tiefer Dankbarkeit und Ehrfurcht als Pfarrer und Prädikanten!

Helden des Alltags wurden sie in der Corona-Krise genannt!

Und diese Heldinnen des Alltags in unserer Gemeinde ziehe ich allen Supermännern vor, die immer recht haben und alles andere vernichten und am Ende noch unseren Applaus suchen.

Schluss: DER NEUE MENSCH in Luthers Kleiner Katechismus mit immer demselben Gott Israels und dem Vater Jesu  – DER NEUE MENSCH ist wie Gott uns als Bilder Gottes geschaffen hat. So alltäglich!

Das Zweite Hauptstück. Der Glaube. Der Erste Artikel. Von der Schöpfung

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Was ist das?

Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit allem, was not tut für Leib und Leben, mich reichlich und täglich versorgt, in allen Gefahren beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahrt; und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit: für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin.

Glaubst du das?

Und wenn wir gemeinsam antworten –

Das ist gewißlich wahr.

Dann hat das neue Leben längst begonnen und wir sind auf dem guten Weg zum Reich Gottes in Christus unserem Herrn.

Er bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm!

AMEN

Pfingsten 2020, Predigt zu Apg. 2, Pfarrer JP Hanstein, Johanniskirche Lauf

Liebe Gemeinde

Was für ein Triumph, der in der Pfingstgeschichte beschrieben wird! Aus verängstigten, vereinzelten und frustrierten Jüngern wird eine mutige Minderheit, die sich etwas traut. Die Jünger treten öffentlich auf und predigen. Durch diese Erzählung werden wir zu Zeugen der ersten Gemeinde.

37 Als sie aber das hörten, ging’s ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun?

38 Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes. 39 Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird.

41 Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen.

Wenn ich das so höre und heute unsere Situation ansehe, da kann ich das kaum glauben. Was für ein Spannungsbogen zwischen der Hingabe des Christus, seiner Passion und seinem Sterben am Kreuz und nun diese triumphierende Ausgießung des Heiligen Geistes. Ich verstehe die Sehnsucht nach der großen Erweckung, nach dem Geist, der die Menschen eint und bewegt. Die Sehnsucht nach dem Reich Gottes, einer Geisttaufe, die die Menschen ihr Leben ändern lässt und ein neues Leben beginnen lässt. Gottes Reich kommt. Gott zeigt als der eine auch in dem Menschen Jesus Christus und offenbart dies durch den Heiligen Geist. Eine Bewegung in der Welt, die sich als stärker erweisen wird als das römische Imperium, aber auch als die christlichen Gottesstaaten. Gott überrascht mit seinem heiligen Geist. Menschen werden vom Geist erfasst und es geschehen Zeichen und Wunder! Ecclesia triumphans, triumphierende Kirche?

Nun ja – mein großer Lehrer Michael Welker in Heidelberg hat sein Leben lang über den Heiligen Geist geforscht und geschrieben: der Heilige Geist bewirkt eine freie, schöpferische Selbstzurücknahme*! Das ist das Geheimnis der Kraft des Heiligen Geistes! Die neue Bewegung der Christen wirken so überzeugend, weil sie nicht tönen und kämpfen, sondern zur Umkehr und Taufe aufrufen! Ihre eigenen Interessen, sogar ihr Leben hinten anstellen, um ihren Mitmenschen zu dienen!  Sie fanden Wohlgefallen beim ganzen Volk, heißt es. Und wenn wir genauer in der Kirchengeschichte hinsehen, dann wirkt das neue Christentum mehr wie Sauerteig und nicht wie Dynamit!

Der Geist bewirkt aber Mut und Freiheit zur Selbstzurücknahme. Keine Angst. Keine triumphierende scheinbar ewige Glaubenswahrheiten, sondern geduldiges Vertrauen auf Gottes Geist.

Lernen wir von Heiligen Geist und schauen genau hin, was geschieht.

2,1 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. 2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, 4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.

Wir sitzen heute auch wieder in einem Haus. Endlich wieder ein Gottesdienst in der Kirche, dem großen Haus Gottes. Wir sitzen vereinzelt oder in Paaren und Familien zusammen. Aber es braust nur die Orgel! Und natürlich die beiden Querflöten. Unser Gesang ist mehr ein Summen hinter den Mund-Nasen-Bedeckungen. Heute haben wir eher keine Angst vor Ansteckung mehr noch wie sonst schweigen wir, hören in uns hinein und unsere Worte und Deutungen bleiben im Hals stecken.

Gestern habe ich mal gedacht: Corona ist Anti-Pfingsten! Die Menschen bleiben möglichst zu Hause, bewegen sich vorsichtig in der Öffentlichkeit. Die Grenzen der Länder sind dicht, der Austausch und das gegenseitige Besuchen wurde angehalten. Nicht der Geist verbreitet weltweit, sondern das COVID19 Virus mit rasender Geschwindigkeit.

Aber wem auch ich diesen Gedanken erzählte, COVID19 sei das Anti-Pfingsten, die sagten: Nein. Alles hat auch ein Gutes. Noch niemals haben Wissenschaftler in der ganzen Welt so gut zusammengearbeitet. Noch niemals waren alle Völker gemeinsam mit einem Problem beschäftigt. Auch wenn die Egoismen und die Schwächen der Nationalstaaten in der Krise sichtbar wurde – es zeigte sich auch eine große Solidarität. Es haben sich viele über das Internet verständigt. Viele habe so viel telefoniert wie seit Jahren nicht mehr. Die Menschen, in der krise sehen wir, auf wen wir uns verlassen können. Hier in Lauf konnten und können wir Gottesdienst per Livestream feiern und ganz viele Menschen haben Verbindung verspürt. Unsere große Gemeinde in einem Gottesdienst mit tausenden von Menschen. Das war uns vorher räumlich und zeitlich nicht möglich. Eine ganz neue Erfahrung des Wirkens des Geistes haben wir gemacht. Trotz allem war das inspirierend! SELBSTZURÜCKNAHME und neue Erfahrungen! Das ist Pfingsten!

Manchmal muss erst so eine Krise kommen wie ein Sturm, wir haben Angst und dann plötzlich sind fallen die Mauern, die Häusergrenzen und Menschen erzählen und reden und beten miteinander! Mitten in der CORONA ZEIT Da hat Pfingsten stattgefunden – ganz neu!

3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, 4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.

Eine Zeitlang ging das gut. Wir haben langsam gelernt, mit dem Virus zu leben und merkten, dass vieles auch anders geht. Entschleunigt wurden wir, nachdenklich. Nach innen gerichtet.

Und der Heilige Geist hat gewirkt. Wenn ich mich an den Anfang des Livestream erinnere, da war ich inspiriert und mutig. Bevollmächtigt. Menschen aus ganz Deutschland haben unsere Gottesdienste verfolgt und uns dankbar geschrieben. Wie wir da zusammenstanden. Alles gut.

Bis zu der nächsten Krise in unserer Kirchengemeinde.

Die Muslime in Lauf sagten: wir wollen auch öffentlich zum Gebet gegen Corona aufrufen. Zeitgleich zu den Glocken der Johanniskirche. Dreieinhalb Minuten. Länger nicht. Die Stadt Lauf hat diesen Antrag jederzeit widerruflich genehmigt. Mit nur 70 Dezibel. Das ist so laut wie ein Staubsauger …

Und dann ging es los. Muslime, die zur gleichen Zeit zum Gebet aufrufen! Eine Aktion mit der Evangelischen Kirche? Unsere Kirchengemeinde hat das durch mich auch offiziell dementieren müssen. Wie zu erwarten war – Briefe wurden geschrieben. Pfarrer streiten sich. Ich erhalte zum ersten Mal anonyme Briefe. Aber auch die Briefe mit Namen schmerzen mit ihrer Wut und ihrem Unverständnis. Es bilden sich Gruppierungen dafür und dagegen. Die einen sehen den endgültigen Untergang des christlichen Abendlandes nahen, die anderen verstehen die Welt nicht mehr, warum türkische Nachbarn plötzlich so feindlich angegangen werden. Jahrzehntelang stattfindende Dialoge, Friedensgebete werden plötzlich in Frage gestellt. Bzw. Es stellt sich heraus, dass viele gar nicht darum wussten … Jetzt geht es nicht mehr um einen Konflikt zwischen Christen und Muslimen. Das steht uns gar nicht zu. Das ist eine Angelegenheit der Kommune. Eine Krise tief in unserer Kirchengemeinde, die durch Äußerungen in einem klassischen Medium, nämlich der Zeitung, eher angeheizt worden sind und nun unversöhnlich gegeneinander stehen.

Der Kirchenvorstand befindet sich noch einem Prozess der Klärung. Am Samstag, den 20.6. auf einem Kirchenvorstandstag Lauf werden wir aus vielen Einzelmeinungen eine gemeinsame Erklärung zusammenfassen und anschließend veröffentlichen. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass alle Hauptamtlichen die Erklärung unterschrieben können. In der Zwischenzeit bitte ich als Vorsitzender des Kirchenvorstands um Geduld und um Ihr Gebet!

PFINGSTEN? Ich fühle mich als erster Pfarrer an die Geschichte vom Turmbau zu Babel erinnert. Wie soll da Gemeindebau möglich sein? So unterschiedliche Ansichten, so unterschiedliche Sprachebenen? Hat der Geist Gottes uns alle verwirrt wie damals und ist das nun das Gericht über eine selbstgefällige Kirchengemeinde, die sich in ihrem Erfolg und in ihrer sozialen Wirksamkeit sonnt wie Lauf?

Wir Evangelischen sind so stolz auf unterschiedlichen Gottesdienstprofile in unseren Kirchen. Aber könnte das nicht ein Laufer Evangelischer gewesen sein in dem alten jüdischen Witz von dem Schiffbrüchigen auf der einsamen Insel?

Ein einzelner Schiffbrüchiger wird auf einer einsamen Insel nach vielen Jahren entdeckt. Erstaunt entdecken die Seeleute zwei schön ausgestattete Synagagoen auf der Insel, die der Schiffbrüchige Jude gebaut hat. Sie fragen ihn, warum zwei Synagogen, war hier noch ein anderer? 

Antwort: Nein es gibt nur mich – aber: in die eine gehe ich nicht!

Wenn die Corona-Krise etwas Gutes hatte, dann hat vielleicht hat diese Krise der Sprachverwirrung auch etwas Gutes und wir erkennen das Wirken des heiligen Geistes. Wie er Verwirrung stiftet. Als Geist der Unterscheidung. „Da scheiden sich die Geister“. Nämlich dort, wo wir uns nicht selbstzurücknehmen, sondern triumphal und hochmütig an einem Gebilde „wahres Christentum“ bauen. Ohne Gott und die anderen zu fragen.

5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. 6 Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. 7 Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? 8 Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? 9 Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, 10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, 11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden.

Was für eine Vielfalt in Jerusalem. Gott hat dort schon längst vor Christus gewirkt! Friedlich. Glaubenssuchende – „Gottesfürchtige“ genannt – aus aller Welt wohnen dort. Das Judentum hatte Jahrhunderte vorher schon eine globale Wirkung. Es gab vor dem Christentum einen universalen Zweig des Judentums, den allerdings die christliche Ausprägung des Judentums vollkommen aufgenommen hat. Der Boden war bereitet. Zur Zeit Jesu wohnten in Ägypten und Kleinasien zusammen mehr Juden als in Judäa selbst. Die Übersetzung der hebräischen Bibel für die griechischsprachigen Juden begann schon 250 Jahre vor Christus! Der Geist hat schon lange vorher begonnen zu übersetzen. Er bewirkt, dass Juden und Heiden, Gottesfürchtige und Römer, sogar die Araber den Geist Gottes in ihrer Sprache hören. Sie müssen nicht Latein, Griechisch oder gar Hebräisch lernen, auch kein Englisch. Der Geist übersetzt in ihre Sprache, in ihr Leben. Luther hat keine neue Bibel erfunden, sondern nur übersetzt. Wie tausend geniale Übersetzer in andere Sprachen. Deutsch ist tatsächlich nur eine davon … Als die Missionare Europas aufbrachen, fanden sie oft schon tausend Jahre alte Christentümer vor, wie in Äthiopien und in Armenien. Und der Islam ist auch ein alter Abzweig aus Judentum und Christeztum und Muslime verdienen wenigstens als Gottesfürchtig unseren Respekt.

Integration als Aufeinanderzugehen und Selbstzurücknahme und nicht Forderung.

Was für ein buntes Gemisch aus allen Völkern weit über das römische Reich hinaus! Einzelne Gerufene fanden sich zu einer neuen Gemeinschaft in Jerusalem, teilten alles, was sie hatten und kehrten schließlich in ihre Heimat in aller Welt zurück und das Wort und der Geist ging mit ihnen.

Halten wir fest:

Es ging nicht mit staatlicher Gewalt! Als das Christentum selbst Imperium, also Nachfolger des römischen Weltreiches wurde, unterdrückte es andere für Jahrhunderte und der Geist war verdunkelt.

Ich sage:

wo von einer „christlich-jüdischen Leitkultur Deutschlands“(!) gesprochen wird, da müssen wir schon ob der des obszönen Bindestrichs aufschreien.

Wenn eine angeblich ursprüngliche „Kultur und Religion“ von Völkern „unvermischt“ bleiben soll, da ist der Tod im Topf!

Wenn  ein wie auch immer geartetes „Abendland“ beschworen wird, geht die Sonne des Geistes Gottes unter, denn Jesus war ein „Morgenländer“ …

Signale einer verwirrten, von Gottes Geist geistverlassen Sprache sind Sätze wie diese:

„man wird doch noch sagen dürfen …“ Was bitte genau? Bitte nicht!!

„Ich bin, weiß Gott, nicht fremdenfeindlich, aber …“

„Oder ich bin ja nicht islamophob, trotzdem ….“ Alles vor dem „aber“ können Sie vergessen!

Das ist pures Babel. Spaltung.  Diese populistischen, teil naiv übernommenen Sprach“erweiterungen“ sind schon das Gottesgericht. Wer in der bitteren Zeit im Nationalegoismus unseres gegenwärtigen Deutschlandes irgendetwas nostalgisch Christliches erkennt, den hat der Geist verwirrt, der hat vom süßen Wein der „Über-Macht“ getrunken und all das wird untergehen,, muss getauft werden in den Tod und wird bei Gott niemals auferstehen.

Der Geist Gottes aber führt in die Freiheit eines grenzenlosen Zutrauens zu Gott und wir können uns selbst zurücknehmen! Offen werden für den anderen. Gottes Geist überwindet mühelos die Grenzen, die wir sehen und überrascht. Was ist als das Gute der Sprachverwirrung über den islamischen Gebetsruf zu Lauf?

Was bewirkt der Geist?

Uns wird klargemacht, dass Gottes Geist soviel größer ist als unser Glauben, soviel weiter  als unsere Vorstellungen. Wenn wir überzeugte Christen uns nur für einen Moment zurücknehmen und nachdenken – dann werden wir in dem Angebot der Laufer Moschee, gemeinsam in Zeiten von Corona zu beten, Gottes Geist erkennen. Dass Gott uns entgegengekommen ist.

Wunderbar, wie Hans Dieter Hüsch, der Poet unter den Kabarettisten, uns in seinem Pfingstpsalm diese Geisterfahrung vor Augen führt:

Dass wir zuversichtlich sind

Dass wir uns freuen

Dass wir aufrecht gehen ohne Hochmut

Dass wir jedem die Hand reichen ohne Hintergedanken

Und im Namen Gottes Kinder sind

In allen Teilen der Welt

Eins und einig sind

Und Phantasten dem Herrn werden

Von zartem Gemüt

Von fassungsloser Großzügigkeit

Und von leichtem Geist.

Ich, so schließt Hans Dieter Hüsch seinen Pfingstpsalm,

möchte immer Virtuose sein

Was den Heiligen Geist anbetrifft.

So wahr mir Gott helfe.

AMEN

* Michael Welker, Gottes Offenbarung. Christologie, Meukirchen ²2012, 208ff.

** Hans Dieter Hüsch, Uwe Seidel, Ich stehe unter Gottes Schutz. Psalmen für Alletage, 12.Aufl. 2011, 63

(Wieder)-Öffnung der Kirchen für Gottesdienste?

Die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus haben unser kirchliches Handeln in den letzten Wochen schwer beeinflusst und stark eingeschränkt. Besonders bedrückend waren die Osterfeiertage ohne Möglichkeiten, miteinander Gottesdienste zu feiern. Auf der anderen Seite war auch eine große Kreativität im Umgang mit der Situation zu verspüren, eine positive Kreativität, die ganz neue Kräfte und Beziehungen entstehen ließ – Danke für alles Engagement an dieser Stelle! Vor allen unsere Online-Angebote wie den Livestream-Gottesdienst haben wir in kürzester Zeit ausgebaut und zugänglich gemacht. Dieses Programm und viel andere analoge Ideen wurden auch sehr gut angenommen und weithin gelobt.

Testlauf Hersbruck bei einer Pfarrkonferenz – wird es so in der Johanniskirche Lauf einmal aussehen?

Sie haben es bestimmt schon gehört und gelesen: Sicherlich freuen wir uns darüber, dass nach aktuellem Stand Gottesdienste ab dem 4. Mai wieder möglich sein sollen. Sonntagsgottesdienste, Andachten, Taufen, Trauungen und wohl auch Trauerfeiern sind in Kirchengebäuden wieder denkbar.

Allerdings nur unter Einhaltung von Rahmenbedingungen, die voraussichtlich am morgigen Dienstag, 28. April im Landtag beschlossen werden. Dazu zählen sicherlich strenge Vorgaben bezüglich der Abstände zwischen den Gottesdienstbesuchern, eine Maskenpflicht, eine maximale Teilnehmerzahl, eventuell die Sperrung der Emporen usw. Im Augenblick sind die Details noch nicht gänzlich bekannt.

Bei einem Testlauf sah das bei der Pfarrkonferenz in Hersbruck so aus wie auf dem Bild rechts …

Für die Kirchengemeinde Lauf hat der Kirchenvorstand am letzten Donnerstag, den 23.4. beschlossen, den Wunsch nach Gottesdiensten nicht über die vom Gesetzgeber geforderte Sorgfalt bei der Planung und Durchführung von Gottesdiensten zu stellen. Die Rahmenbedingungen dienen dem Schutz der Gottesdienstteilnehmer, und als Kirchengemeinde sind wir für deren Schutz verantwortlich.

Im Kirchenvorstand Lauf und Dehnberg haben wir uns deshalb bereits dahingehend verständigt, dass erst dann in einer unserer Kirchen Gottesdienst gefeiert wird, wenn ein schlüssiges und umsetzbares Konzept für die Durchführung dem Kirchenvorstand vorgelegt und beschlossen wurde. Dieses Konzept wird auch zur Kenntnis vom Dekan gegengelesen. Auch das Gesundheitsamt möchten wir einbeziehen.

Für jeden Kirchenraum bzw. für die unterschiedlichen Gottesdienstformen (Andachten, Kasualien) müssen jeweils eigene Konzeptionen erstellt werden. Aus naheliegenden Gründen wird in Lauf für die Johanniskirche zuerst eine Konzeption erarbeitet. Auch bei auf Taufen und Trauungen ist zu klären, wie das Abstandsgebot mit der Nähe bei der Segenshandlung in Einklang zu bringen ist. Außerdem macht es kaum Freude, wenn in der momentanen Lage nur in der Kleinstfamilie gefeiert werden kann.

Natürlich ist der Gottesdienst unverzichtbar für unseren Glauben, er ist theologisch gesehen das sichtbare Zentrum der Gemeinde. Gottesdienst hat aber vor allem die Gemeinschaft im Blick, das gemeinsame Singen und Beten, die Nähe zueinander, die Teilhabe am Gegenüber. Durch die strengen Auflagen werden diese Aspekte des Gottesdienstes aber erheblich erschwert bis dahin, dass manchen Besuchern der Eintritt in die Kirchen komplett verwehrt werden muss, damit die Höchstteilnehmerzahl nicht überschritten wird. Manche haben mir schon gesagt, dass sie unter diesen Bedingungen lieber beim Livestream-Gottesdienst sicher zu Hause beliben werden.

Deswegen werden wir alles sorgfältig prüfen und erarbeiten, ob und wie Gottesdienste bei uns wieder möglich sind. Bei allem Verständnis für die Sehnsucht nach physisch erlebbaren Gottesdiensten: dafür brauchen wir als Verantwortliche der Kirchengemeinde Zeit. Vor Pfingsten wird das nicht möglich sein. Lassen Sie uns deshalb gewissenhaft und besonnen und mit der gebotenen Ruhe die ersten Schritte gehen. Nicht alle Spielräume, die uns als Kirche der Gesetzgeber ermöglicht, müssen wir auch ausnutzen. Vielmehr gilt:

Prüft (erstmal) alles und (nur) das Gute behaltet.

1.Thessalonicher 5:21

Sie werden von uns in der Kirchengemeinde Lauf an dieser Stelle, per Newsletter und dem Gemeindebrief BLICK für Juni/Juli umfassend über die Kirchenöffnung informiert werden. Uns allen noch viel Geduld und Vertrauen in die Zukunft unter dem Segen Gottes und leben Sie sicher!

Es grüßt Sie im Namen

des Kirchenvorstands Lauf und Dehnberg, von Dekan Tobias Schäfer und den Hauptamtlichen in Lauf,

Ihr Pfarrer Jan-Peter Hanstein, Vorsitzender des Kirchenvorstands

Osterbrief unserer Gemeinde mit Osterandacht

Liebe Kirchengemeinde Lauf,

Osterhäschen aus meiner Familie

Ostern fällt trotz Corona nicht aus. Wir rufen uns zu—per Postkarte, Telefon, Internet, auch über den Gartenzaun oder auf dem Balkon:

„Der Herr ist erstanden“ — „Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Dieser Zuruf bleibt gültig, auch wenn Gottesdienste und Veranstaltungen wegen Corona zum ersten Mal seit 1990 Jahren ausfallen müssen. Sogar den BLICK konnten wir nicht mehr austragen lassen. Deshalb grüßen wir Sie herzlich mit dieser Post zum Osterfest und wünschen Ihnen Gottes Segen, Gesundheit und einen guten Mut! Vieles in unserer Kirchengemeinde macht Mut und nicht alles ist digital! 

Viele Ältere unter Ihnen haben erleben dürfen, wie Glaube durch so manche schwere Zeiten hindurchgetragen hat. Und wir sind überzeugt: mit Solidarität, Liebe und Aufmerksamkeit für unsere Nächsten werden wir auch diese Zeit bestehen. Darauf hoffen wir, dafür beten wir, dafür setzen wir uns als Christinnen und Christen ein. Besonders in der Karwoche und an Ostern.  Bleiben Sie/bleibt gesund und behütet von Gottes gutem Segen!

Mit herzlichen Grüßen und der Hoffnung auf ein Wiedersehen!

Jan-Peter Hanstein, Lisa Nikol-Eryazici, Thomas Reuß, Thomas Hofmann, Friederike Hoffmann, David Geitner, Silke Kupper, Karin Kempf, Dagmar Weber und Susanne Zorell-Huscke


Ostern fällt nie aus!

– eine kleine Andacht

Liebe Leserinnen und Leser,

zum ersten Mal ist Ostern in meinem Leben anders. Sonst ist Ostern die Zeit der stillen dunklen Passionsgottesdienste, die schließlich hineinmünden in ein helles und strahlendes Halleluja. Ostern – das kennen wir als Fest des Frühlings, des Lebens, des Lichts. Da suchen Kinder bunte Ostereier bei den Großeltern. Die Osterferien sind auch eine Gelegenheit zum Auspannen.

Lamm mit Mundschutz

Wie anders ist dieses Jahr 2020! Oma und Opa bleiben zu Hause, sie dürfen nicht besucht werden. Freunde bleiben allein. Die Kleinfamilie muss mit sich selbst auskommen. Über allem eine Stille, die ich nicht als wohltuend empfinde, sondern als bedrohlich. Fast möchte ich pfeifen wie ein Kind im Keller. Dass es nicht so ruhig ist. Die Nerven sind schon langsam etwas angegriffen. Erholung ist etwas ganz anderes als dieses bange Warten – dass die Gefahr irgendwie vorüberzieht und uns und unsere Lieben verschont. Im Fernsehen, wenn Ärzte und Pfleger verzweifelt um das Leben von Tausenden ringen, sind wir zum Zuschauen verdammt.

Wir reden über Kontaktsperre, Ausgangs- und Versammlungsverbot. Quarantäne … darin steckt die Zahl 40 – quarantaine de jours – 40 Tage mussten Schiffe vor der Hafeneinfahrt ausharren, wenn auf ihnen eine Seuche ausgebrochen war. Wir aber ahnen, dass unsere Isolation noch viel länger dauern könnte als nur bis zum 19. April. In diesem Jahr ist nichts wie gewohnt. Und wer weiß, was uns nächstes Jahr erwartet?

Zwei von Jesu Jüngern gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa sechzig  Stadien entfernt; dessen Name ist Emmaus.

Lk 24

Was aussieht wie ein Spaziergang, ist in Wirklichkeit eine Flucht. Nichts war mehr so wie die Jünger es gewohnt waren. Jesus ist tot. Und die Gemeinschaft auseinandergefallen. Jeder für sich. Hier sind wenigstens zwei unterwegs. Wie ein Paar. Sie gehen auf Distanz. Zumindest mal eine Tagereise weit. Nach Hause, weg aus der großen gefährlichen Stadt Jerusalem.

„Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs?“ Da blieben sie traurig stehen.

Immerhin interessiert sich einer. Jetzt können sie ihm ihr Leid klagen. Wie enttäuscht sie sind. Wie sinnlos plötzlich alles erscheint. Und im interessierten Nachfragen des Fremden wird es ihnen plötzlich leichter.

 „Musste dies nicht alles geschehen“?

fragt er. Sie spüren, wie es leichter wird, wie sie mehr Luft bekommen. Als der Fremde sich verabschieden will, halten die beiden ihn auf:

Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.

Wenn wir aufgeben, nicht mehr glauben können, nur noch wegwollen, kann es sein, dass Jesus ganz unerkannt und sachte mitgeht. Mir sagt diese Geschichte der Jünger von Emmaus, dass Ostern niemals ausfällt. Manchmal brauchen wir ein wenig länger, bis wir erkennen, was jetzt im Leben zählt, ja was Leben überhaupt ist. Dass Formen und Liturgien nur Hilfsmittel sind – aber ich selbst Ostern erleben muss mitten in meiner Angst und Sinnlosigkeit!

Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?

Ja – wir leben in Tagen des erzwungenen Innehaltens – und spüren in uns den Impuls, all dem irgendwie zu entfliehen. Ich wünsche Ihnen Erlebnisse, die diesen Stillstand des Lebens für Momente durchbrechen: den Anruf der Enkelkinder, des Freundes, der Freundin, Menschen, die aus der Ferne sagen: Wir sind dir nah. Den Spaziergang zu zweit oder allein. Begleitet von Gott. Wo zwei oder drei zusammen sind! Das Licht der Osterkerze im eigenen Fenster. Den Klang der Osterglocke, die ruft:

Christ ist erstanden – drum lasst uns alle froh sein!

Frohe Ostern – und bleiben Sie von Gott behütet!

Ihr Pfarrer Jan-Peter Hanstein