1. Wie geht Versöhnung auf jüdisch – Dr. Axel Töllner – Fastenpredigten Johanniskirche 2022

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

Dr. Axel Töllner

solange ich denken kann, ist einer meiner Lieblingschoräle Nun danket all und bringet Ehr von Paul Gerhardt. Besonders mag ich daran, dass er den ganzen Menschen und die ganze Welt mit Leib und Seele im Blick hat.

1. Und werf all Angst. Paul Gerhardt und Prophet Micha

Er gebe uns ein fröhlich Herz, erfrische Geist und Sinn und werf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz ins Meeres Tiefe hin.

Besonders ermutigend finde ich das Bild, dass Gott all das, was das Leben schwer macht, nicht einfach nur von Schultern nehmen soll. Nein, er soll es kraftvoll wegschmeißen, all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz ins Meeres Tiefe werfen, auf Nimmerwiedersehen dorthin, wo der Boden viele tausende Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Und dass das wirklich alle Lebensbereiche umfasst, das macht Paul Gerhardt in der nächsten Strophe klar:

Er lasse seinen Frieden ruhn auf unserm Volk und Land; er gebe Glück zu unserm Tun und Heil zu allem Stand.

In diesen Tagen, in denen mir das Herz so schwer ist wie Ihnen sicherlich auch, wenn ich die Bilder aus der Ukraine sehe und an die Menschen dort denke, dann hilft es mir, zu diesen Worten Zuflucht zu nehmen. Paul Gerhardt hat sie in einer von einem annähernd Dreißigjährigen Krieg verheerten Zeit gedichtet. Und wenn ich heute all die vom Krieg gezeichneten Menschen sehe, dann helfen mir die alten Worte aus Psalmen und Chorälen:

Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir. Herr, höre meine Stimme. Ja, bitte wirf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz ins Meeres Tiefe hin.

2. Rosch Haschana und Jom Kippur

Als ich vor knapp 30 Jahren als Student nach Jerusalem kam, bin ich auf besondere Weise dem Bibeltext begegnet, den Paul Gerhardt hier nachgedichtet hat.

Wir haben uns auf die Hohen Feiertage vorbereitet, mit denen im September oder Oktober das jüdische Jahr beginnt. Rosch Haschana, das Neujahrsfest, und zehn Tage später Jom Kippur, der Versöhnungstag. Das jüdische Jahr beginnt mit Besinnung und Umkehr. IN Jerusalem habe ich unter den biblischen Texten für diese Zeit die Sätze am Ende des Prophetenbuchs Micha entdeckt, die so kraftvoll von Gottes Barmherzigkeit erzählen. Seither gehören sie für mich zu den Worten der Bibel, die mir besonders kostbar sind:

Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade! Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du unsern Vätern vorzeiten geschworen hast.

Liebe Gemeinde,

wo ist solch ein Gott, der seine Gerechtigkeit immer wieder zurückstellt, weil ihm seine Gnade wichtiger ist? Wo ist solch ein Gott, der seinen Zorn immer wieder versenkt in einem Meer der Barmherzigkeit? Wo ist solch ein Gott, der seinem Volk Israel immer wieder seine Treue beweist? Wo ist solch ein Gott, der diese Treue in seinem Sohn und Christus Jesus bestätigt?

Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade?

Das Staunen darüber bestimmt eigentlich jeden Tag im Leben eines religiösen jüdischen Menschen und die täglichen Gebete. Und ganz besonders bestimmt es den Anfang des jüdischen Jahres. Das neue Jahr beginnt mit Buße und Versöhnung, und die Worte des Propheten Micha bringen den Grundton dieser Zeit zum Klingen.

Unser Vater, unser König, sei uns gnädig und erhöre uns, denn wir haben keine Werke, erweise uns Barmherzigkeit und Huld und rette uns.

So heißt es in einem der Gebete, die zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur in den Synagogen gebetet werden. In verschiedenen Variationen bringen die Gebete und Bekenntnisse dieser Zeit diesen Grundgedanken zum Ausdruck. Er durchzieht ja schon wie ein roter Faden die jüdische Bibel, die wir Christen als unser Altes Testament heilighalten. Der Prophet Micha greift diesen Faden auf und erinnert mit seinen Worten an zahlreiche Psalmenundan die Geschichte von der Barmherzigkeit, Gnade, Geduld und Treue Gottes mit seinem Volk Israel, allen Verfehlungen zum Trotz.

Am jüdischen Neujahrsfest gibt es den Brauch, zu einem fließenden Gewässer zu gehen und Brotkrumen oder anderes aus den Taschen zu schütteln und ins Wasser zu werfen, damit es die Brösel wegträgt und in die Tiefen des Meeres versenkt, wie Gott die Sünden versenkt. Und dabei spricht man die Verse des Propheten Micha.

Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt

Am Schabbat zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur erklingen Michas Worte wieder – als besondere Prophetenlesung. Und am Nachmittag von Jom Kippur werden sie nach dem Jonabuch noch einmal gelesen.

Das eint uns, Juden und Christen: Wir wissen, dass wir vor Gott nichts vorzuweisen haben, und verlassen uns darauf, dass Gott sich treu bleibt und seine Güte alle Morgen neu ist. Ich habe noch im Religionsunterricht gelernt und bei vielen gelehrten Theologen gelesen, dass Juden sich mit eigenen Leistungen Gottes barmherzige Liebe erarbeiten wollten. Doch schon, wenn ich mich mit dem Anfang des jüdischen Jahres beschäftige, dann lerne ich:

In Wahrheit ist es ganz anders im Judentum. Einzig Gottes Großzügigkeit schafft den Raum für Versöhnung. Er beharrt nicht auf seinem Recht, weil kein Mensch perfekt ist, sondern Fehler macht, irrt, schuldig wird:

Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.

3. Gottes Großzügigkeit hat Folgen

 Für religiöse jüdische Menschen ist klar: Gott erwartet von uns, dass wir diese Versöhnung nicht als unseren Privatbesitz betrachten und ansonsten gleichgültig gegenüber uns unseren Mitmenschen leben.

Gottes Großzügigkeit hat Folgen. Die jüdische Lehre stellt unmissverständlich klar:

Der Versöhnungstag schafft alles aus der Welt, was zwischen Gott und Mensch steht. Aber das, was jemand an seinem Mitmenschen verfehlt hat, das müssen die beiden miteinander klären. Und das bedeutet: Wer an einem anderen Menschen schuldig geworden ist, muss ernsthaft Reue zeigen, sich aussprechen und versöhnen. Wer andererseits verletzt wurde, soll sich ein Beispiel an Gott nehmen und nicht auf seinem Recht beharren, sondern dem Menschen großzügig gegenüber sein, der seine Schuld eingesteht.

Als frommer Jude hat auch Jesus in der Bergpredigt dieses Prinzip bekräftigt: Niemand soll etwas im Tempel opfern, wenn er oder sie an einem Mitmenschen schuldig geworden ist. Jesus stellt klar:

In diesem Fall lass deine Opfergabe vor dem Altar liegen. Geh zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder oder deiner Schwester.

Und im Vater Unser lehrt er uns zu beten: … und vergib uns unsere Schuld, wie auch wie vergeben unseren Schuldigern.

4. Christliche und die jüdische Lehre/Praxis von der Buße und Umkehr

Bei vielen deutschen christlichen Theologen habe ich in der Zeit nach 1945 gelesen:

Ja, wir wissen, dass wir schuldig geworden sind, aber das ist eine Sache zwischen uns und Gott, und das gehört nicht an die Öffentlichkeit und nicht in die Ohren anderer Menschen.

Nein, so eben nicht!

Es ist wichtig, dass wir miteinander reden, dass wir unsere Schuld gegenüber denen bekennen, an denen wir schuldig geworden sind. Das ist nichts, was wir nur mit Gott oder in uns selbst ausmachen können.

Für die Versöhnung ist es zentral, die eigene Schuld gegenüber denen zu bekennen, die davon betroffen sind, und zwar ohne Ausflüchte zu nehmen, ohne irgendwas zu beschönigen.

In dieser Konsequenz sind sich die christliche und die jüdische Lehre von der Buße und Umkehr eigentlich im Grundsatz einig. Gottes Gnade ist ein Geschenk, aber sie ist keine billige Gnade, sondern Gott „wartet auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten“, so sagt es Dietrich Bonhoeffer.

Es trennt uns, woran wir Gottes Gnade und Barmherzigkeit festmachen – für jüdische Menschen ist die Zuwendung Gottes zum Volk Israel durch seinen Bund und die Erwählung zentral, für christliche Menschen die Zuwendung Gottes zur Gemeinschaft der Heiligen in seinem Sohn und Christus Jesus. Es trennen uns die Formen, die Formulierungen, mit denen wir unsere Sünde bekennen und unseren Glauben leben. Wir feiern unterschiedliche Feste, setzen verschiedene Akzente. Doch wir wissen beide, dass wir vor Gott am Ende nichts vorzuweisen haben, und wir vertrauen beide darauf, dass Michas Worte auch für uns wahr geworden sind und wieder wahr werden:

Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünde in die Tiefen des Meeres werfen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Fürbitten

Heiliger Gott,

in Deiner Gnade und Treue gegenüber Deinem Volk Israel zeigst Du, welch ein Gott Du bist. Dafür preisen wir Dich.

In Deinem Sohn und Christus Jesus hast Du bestätigt, was Du Abraham und Sara, Isaak und Rebekka, Jakob, Lea und Rahel verheißen hast. Dafür rühmen wir Dich.

Zu Deiner Barmherzigkeit, Gnade und Geduld dürfen wir Zuflucht nehmen, dafür loben wir Dich.

Wir bitten Dich:

für alle Menschen, die in den Kriegen dieser Welt leiden, die sich verteidigen oder fliehen müssen und vor einer ungewissen Zukunft stehen. Besonders legen wir Dir die Menschen in und aus der Ukraine ans Herz,

für alle Menschen, die sich für Wahrheit, Recht und Mäßigung einsetzen und die sich mit Verhandlungen und Hilfeleistungen aller Art gegen Hass und für Versöhnung engagieren. Besonders legen wir Dir ans Herz die Journalistinnen und Journalisten, die Politikerinnen und Politiker, die Helferinnen und Helfer, die Menschen, die Verantwortung in Kirchen, Synagogen und religiösen Gemeinschaften übernehmen.

Wir bitten Dich auch

für diejenigen, die verstrickt sind in Schuld und Selbstgerechtigkeit. Besonders legen wir Dir die ans Herz, die noch nicht den Mut gefunden haben, ihr Herz und ihren Mund zu öffnen, um auf andere zuzugehen und ihnen offen ihre Schuld zu bekennen.

für diejenigen, die Gewalt erlitten haben, in Kirchen, religiösen Gemeinschaften, Familien oder anderswo. Besonders legen wir Dir die Frauen, Kinder und Männer ans Herz, die mit den Nachwirkungen an Leib und Seele kämpfen, die alleine dastehen und noch keine Gerechtigkeit erfahren haben.

Und wir bitten Dich

für die Menschen in unserer Nachbarschaft und in unseren Kirchengemeinden, die keinen Ausweg und keine Hoffnung sehen in ihren Ängste, ihrer Furcht, ihren Sorgen und ihrem Schmerz.

KASUALBITTEN

Was wir für uns selbst erbitten, erbitten wir mit den Worten, die Dein Sohn und Christus Jesus uns selbst gelehrt hat

Vater Unser

Predigt über Jahreslosung

Die neue Jahreslosung 2022, Jesus Christus spricht: “Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.” (Joh. 6,37) In der heutigen Predigt legt Pfarrer Thomas Hofmann diese Einladung Jesu aus. Hören und sehen Sie sie nach durch Ihren Klick HIER.

Bildnachweis: (c) Stefanie Bahlinger, verlagambirnbach.de

Weihnachtliches Konzert der evangelischen Stadtstreicher aus der Johanniskirche Sonntag, 19.12.2021, 17:00 Uhr als Livestream

Am Sonntag, den 4. Advent, den 19.12.21 laden die Laufer Stadtstreicher um 17 Uhr zu ihrem festlichen Konzert aus der Johanniskirche als Livestream ein. Unter Leitung von Heidi Braun erklingen Werke von G. Holst, J. S. Svendsen, H. Hartl und Joh. Seb. Bach.

Hier kommen Sie direkt zum Livestream Video ab 4. Advent Sonntag 17 Uhr.

Diese technisch aufwendige Produktion können Sie kostenlos sehen. Wir freuen uns aber über Ihre Spende für die musikalische Arbeit in unserer Kirchengemeinde.

Zu Beginn musiziert das Orchester die „St. Pauls Suite“ von G. Holst (1874-1934). G. Holst, ein englischer Komponist, war fasziniert von Irischer und Schottischer Folklore und verwendete gern Melodien aus dieser Tradition in seinen Stücken. So gelang ihm eine schwungvolle, mitreißende Kompostion.

J. S. Svendsen (1840-1911) war norwegischer Geiger und Komponist. Die Romanze G-Dur für Solovioline und Orchester op. 26 ist eines seiner populärsten Werke. Besonders beeindrucken die wechselnden Klangfarben und interessanten Harmonien des Stückes. Unsere junge Solistin ist die 14-jährige Geigerin Lina Kupper, die auch Mitglied des Orchesters ist und beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ bereits Erfolge auf Regional- und Landesebene erzielt hat.

Heinrich Hartl (geb. 1953) ist Nürnberger Komponist, Organist, Pianist und Dozent. Sein kompositorisches Schaffen umfasst Chor-, Orchester- und Kammermusik. Zur Aufführung gelangt sein Concerto Gregoriano op. 6. Thematische Grundlage sind ein Gregorianischer Choral und der Osterhymnus „Christ ist erstanden“. Daraus entwickelt Hartl ein dreisätziges meditatives Werk, das durch einfallsreiche Rhythmik und wirkungsvolle Klangbilder beeindruckt.

Zum Abschluss erklingt die Orchestersuite h-Moll Nr. 2 von J. S. Bach (1685-1750) füt Soloflöte und Streicher. Christine Theuerkauf, Laufer Musikpädagogin und vielfach bekannte Solistin übernimmt den Solopart. Es handelt sich bei der Suite um eine festliche französische Ouverture, und eine Folge von Tanzsätzen. Teilweise spielt die Soloflöte die Stimme der Violine 1 mit, an anderen Stellen bezaubert sie durch höchst virtuose Passagen.

Konzertmitschnitt vom 11. Juli 2021 aus der Evang. Johanniskirche Lauf

  • Allegro piacevole – Serenade e-Moll – Elgar 00:03:28

1. Satz: Allegro piacevole Edward Elgar, Serenade e-Moll, op. 20, für Streichorchester. Konzertmitschnitt und Produktion: Tonstudio H. Braun, Lauf

“Alles gut!?” Buß- und Bettag 2021 – Predigt von Pfarrer Jan-Peter Hanstein

Spoilergefahr. Entweder um 19 Uhr kommen oder hier lesen …

PREDIGT Es gilt das gesprochene Wort

Ja – Hallo? – Hast du ein wenig Zeit?

Kannst du mich gut hören? Die Verbindung ist schlecht! Wo treibst du dich denn rum? Willst du nicht sagen?

Ok – hast du gerade eine Minute Zeit? Alle Ewigkeit? Danke.

Alles wieder gut?! Fragst Du??

Oh Mann, bitte frag nicht. Klar, Mir geht’s gut. Den Kindern. Wir hatten einen schönen, im Rückblick traumhaften Sommer.

Ja, es geht uns gut. Aber „alles gut!?“ das klingt nach maximaler Katastrophe. Ist bei dir alles gut? Wie immer

Eigentlich habe ich ja gar keine Lust groß zu reden. Ich sitze morgens und lese Zeitung. Die Nachrichten kommen so auf meinem Handy an. Ich bin geschockt.

„Alles wieder gut?!“ Was denken die sich?

Nichts ist gut in Deutschistan!

Nichts ist gut in Afghanistan, hat einmal eine Bischöfin gesagt und sie ist dafür sehr getadelt worden. 10 Jahre sah jeder, dass sie mehr als Recht hatte. Zu spät. Und sie war auch keine Bischöfin mehr. Propheten halt. Und jetzt? Nichts ist gut in Deutschland!

Was meinst du, wie sich das anfühlt, als ich den Satz gelesen habe. Auf diesem Plakat im Schaukasten. So schön in blau gehalten als wäre es Himmelfahrt im Mai und nicht ein bleigrauer Buss- und Bett-Tag im November.

„alles gut!?“ Wer das wieder geschrieben hat. Der doofe Pfarrer dachte bei der Ankündigung vor ein paar Wochen wirklich noch, wir wären hindurch. Ich gebe es ja zu – ich hab das auch gehofft. Dass all die miespetrigen schlechtgelaunten Virologen falsch liegen. Warum müssen die recht haben, die mal kurz die Welt und unsere Lebenszeit angehalten haben. Alles Räder stehen still, wenn der Virolog es will. Das war doch früher mal ein Statement der Arbeit oder heutzutage Lokführer.

Hast du mitbekommen…. Freilich. Jaja – ich verstehe schon. Du auch.

Nein, hör auf zu sagen „alles wird gut“ – willst du mich wahnsinnig machen. Mich trösten?

Was hilft denn jetzt noch? Beten vielleicht. Sind wir schon so weit?

Wir – wir waren auf so einem guten Weg. Alles ging so schnell. Wer hat’s erfunden? Nein nicht die Schweizer. Diesmal nicht. Wir Deutschen. oder besser unsere türkischstämmigen Staatsbürger. Und jetzt?

Die ganze Welt sieht ungläubig auf uns und staunt. Das Volk der Dichter und Denker oder eher der Richter und Henker? Wie konnte das passieren?

Dich darf ich nicht fragen, sagst du? Ja wen denn dann, verdammt noch mal?

Wer ist denn verantwortlich für dieses Schlamassl – ach viel zu harmlos. Schlamassl – Das klingt nach unaufgeräumten Kinderzimmer.  Ach, du sprichst auch Hebräisch, das Gegenteil von Massl Tov? 

Eine Katastrophe, kann ich dir sagen. Überhaupt nicht lustig. Ich fühle mich als wäre ich auf so einem Riesen-Schiff. Einer der Passagiere. Das Ding fährt voll Stoff. Maximaltempo. Und dann siehst du da vorne die Eisberge. Noch weit weg. Aber zu nah, dass das Schiff noch anhalten könnte. Halt halt… rufen alle. Aber es ist zu spät. Ist doch egal. Jetzt. Weiterfahren… war das was? Auf einem gottverfluchten Seelenverkäufe sitzen wir. Da sitzen die Politiker*innen seelenruhig, verhandeln das Komma hinterm Satz vom Koalitionsvertrag und draußen sterben die Leut. Und die anderen sind sauer, weil wir sie nicht mehr gewählt haben und sagen: geschieht ihnen recht. Haben wir doch gesagt, was passiert. Ich bin doch kein Papagei, der immer alles wiederholen muss. So ein Merkel-Papagei. Die immer dasselbe sagt, bis es der letzte kapiert hat. Das ist doch ein Auslaufmodell. Hätt ich auch nie geglaubt, dass ich das einmal gut finden würde.

Ich soll mal langsam machen? Zu politisch? Weil Buss- und Bettag ist?

Warum denn? Die einen arbeiten wie immer, die anderen schlafen noch. Glaubst du das kümmert einen? Siehst du denn einen, der umkehrt und Buße tut. Einen, der in sich geht? Einer von denen, die immer als Querdenker bezichnet wurden und diesen Titel für sich ablehnten. Die immer alles in Zweifel gezogen haben und so große Kämpfer für die Freihet waren. Sagt einer von denen??

„Sorry Leute war alles falsch. Ich hab Unsinn erzählt. Das mit dem Impfen ist gar nicht so schlimm. Ich wollte es ja eigentlich sagen. Ich bin längst geimpft. Eigentlich bin ich ja eine Schisser. So ein kleiner Pieks und so ein Aufstand. Ach, ihr habt mir geglaubt und mir vertraut? Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Selber schuld, wenn du nicht zweigleisig fährst. Siehst ja wo das hinführt.“

Oder die anderen? “Lass dich impfen und alles wird gut.” Alles nächstes sagten sie:  “Wir sind mit dem Impfen fertig. Will ja keiner mehr.” – Da waren wir vielleicht bei 60%.! “Ach wir können uns auch verzählt haben. Es ist ja so schwer Software zu bedienen. Vielleicht waren es auch 70%. Wie auch immer. Wir machen die Impfzentren zu. Den Rest erledigen die Hausärzte. Außer Impfen haben die ja nichts zu tun. Die anderen Krankheiten sind ja ausgestorben. Stirbt ja nicht einmal mehr einer an Grippe bei all den Masken. Außerdem können wir schon einmal den Freedom Day anpeilen. Hat doch hervorragend geklappt mit diesem Clown von Johnson in Großbritannien. Die ham ja auch Astra Zeneca erfunden. Die Wirkung hält zwar nur 4 Monate an, und bei der Deltavariante liegt die Wirkung eher bei 50%, aber was solls. Ach – wir haben die ganzen Alten, Lehrerinnen und Erzieherinnen im März und April damit gespritzt? Hab ich das angeordnet? Das war doch die Stiko? Wie lange ist das her? Über 6 Monate – nun ja schlecht gelaufen…. Und 15 Millionen warten auf die dritte Impfung. Termine gibt jetzt dafür bis Ende Januar? Welchen Monat haben wir noch einmal? Entschuldigung, ist mir entfallen. Wahlkampf ist immer so ein Reset bei mir. Andere Schlagzeilen müssen her. Außerdem hab ich gefühlt 8 Wochen Urlaub gehabt. Nachgeholt aus dem letzten Jahr. Habe ich nicht sowieso gesagt: es kommt der Moment, an dem wir uns viel zu vergeben haben?“

Wo kehrt einer um? Wo tut hier einer Buße? Ich soll mich mal bremsen? Bringt nichts sich aufzuregen? Ich bin ja nur Glaubende, klar. Meine Aufgabe? Ruhig bleiben in der Katastrophe. An Buß- und Bettag? Not lehrt beten. Schlafschaf oder was??

Ich weiß, ich heiße nicht Thomas Hofmann, Kabarettgottesdienst ist erst im Februar und Karneval ist auch schon wieder vorbei. Außer in Köln. Daran ist bestimmt auch wieder die katholische Kirche schuld, oder? Das Thema ist zu ernst, um Witze zu machen?

Glaubst du ich mache Witze? Ich wird jetzt echt laut. Ich meine das ernst. Ernster als alles was ich bisher erlebt habe. Ich werde wahnsinnig. Du provozierst mich dermaßen. Soll ich mich jetzt hinstellen und mit den Leuten beten? Was ?

Dass es niemals so schlimm kommt, wie man denkt? Nichts wird so heiß gegessen?

Keine Panik auf der Titanic? Hörst du eigentlich meine Verzweiflung!!? ich soll mich lieber fragen, wie das passieren konnte.

Und was sagst du? — Nix?

Du hast schon alles gesagt? Und wo kann ich das nachlesen?

Ich soll einfach den Predigttext lesen und gut ist. Ok.

Wart mal, ich versuch mich zu erinnern.

“Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem andern zu.“

Oder so ähnlich… Jesus hat das ja viel positiver gesagt. Ja wie jetzt?

Wart mal.

Wie war das noch mal genau? Ok. Hier stehts.

„Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen!“ 

Klingt einfach. Lass mich nachdenken.

Mein Kollege schreibt unter jedes E-Mail diesen Satz aus dem Talmud. das höchste Gut – anderen nicht zu schaden.

Ja gut, aber ist das alles? was will ich für mich?? Gesundheit, Ruhe, Freiheit.

Also muss ich dafür sorgen, dass es ruhig bleibt, die anderen gesund bleiben und wir alle in Freiheit leben.

Ich will geimpft werden, damit ich für andere ein kleineres Risiko bin und selbst nicht Gefahr laufe, die Kliniken zu belasten.

Dann tue ich es Ihnen auch? Haben wir das nicht versucht mit dem Ideal des freiheitsliebenden, für seine Gesundheit selbstverantwortlichen disziplinierten Bundesbürger? Es ist echt kompliziert.

Kant war auch ein Deutscher: „Handle so, dass du jederzeit wollen kannst, die Maxime deines Handelns solle allgemeines Gesetz werden.“  Der kategorische Imperativ sagt aus, dass man immer so handeln soll, dass es zugleich auch in Ordnung wäre, wenn ALLE so behandelt werden, d.h. auch man selbst.

Eigentlich sonnenklar. Keine Extrawürstchen.

Was erwarten wir jetzt von den anderen? Was werden wir noch geben können?

Wer überhaupt ist wir? Die wir auf Jesus hören? Die wir Christen sind?

Ich frage mich: Wie viel Geduld soll ich noch aufbringen?

Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir so ein Menschen immer gleich viel Angst und Schmerz in uns haben. In allen Generationen. Egal wie existenzgefährdend oder harmlos die Herausforderungen sind. Früher waren es die Krankheiten, denen die Menschen hilflos ausgeliefert waren. Sie ergriffen jeden Strohhalm, sogar den Sand haben sie aus den Kirchenmauern gekratzt. Sie haben früher gefährlichste Behandlungen durchgeführt. Mit schrecklichen Nebenwirkungen. Barbarisch erscheint es uns jetzt. Mit Kuhpocken sich impfen lassen und grausame Narben davongetragen. Aber überlebt… Die meisten zumindest! Alles besser als nix.

Heute – je sicherer und erfolgreicher die Medizin geworden ist, umso größer sind unsere Ängste. Ich staune, wie fein austariert heute die wissenschaftlichen Studien sind. Aber es hilft nichts. Die Angst wird eher größer. Und der Unsinn. Die Angst wird nicht geringer. Und das Vertrauen, irgendwie gerettet zu werden auch. Homöopathie vielleicht???

Was geht in uns vor? Was für ein zerstörerischer Trieb lenkt uns? Die einen gelähmt vor Angst, die anderen lassen es zu.

So sieht die große Freiheit aus? Was du willst, was die Menschen dir tun, das tue ihnen auch! Aber Jesus hat nicht mit den Paranoiden gerechnet, bei denen die sich verfolgt fühlen, vergiftet, überwacht. Sieh doch, was die Menschen sich antun!

Und jetzt?

Die Unruhe, das Streiten, das Schimpfen, die Stumpfheit, die Müdigkeit, die Erschöpfung.

Ist das alles Sünde? Was ist denn Sünde? Was kann ich schon tun, diesen großen Zusammenhang? Wenn die Wahrheit auf der Strecke bleibt. Gar nichts mehr geht? Was kann ich da ausrichten? Für andere

Was für eine perverse Kiste! Wie kann es sein, dass es so vielen anderen Menschen schadet, wenn man sich selbst oder seinen Kindern etwas NICHT “zugefügt” also unterlassen hat!

Wie soll das weitergehen?

Glaubst du, dass Umkehr möglich ist?

Wenn wir so ein Riesentanker so ein Containerschiff von deutschem Volk sind, das den Zeitpunkt zur Verzögerung verpasst hat vor 3 Monaten und jetzt noch mit unglaublicher Wucht gegen die Hafenmauer fährt? Und die Bremsung duaert noch einmal 3 Monate und 2 Jahre. Und die auf der Brücke die wissen es die sehen ist aber sie können nichts mehr tun.

Sollen sie dann Buße tun für ihren Fehler? Wie können wir es wieder gut machen?

Ich wiederhole mich. Ich kann nicht mehr.

Ob ich mich jetzt genug ausgekotzt habe?

Frag ja nicht „Alles wieder gut“ sonst beginne ich von vorn. Ja – das ist eine Drohung!!

Ja danke – es geht mir besser.  Ich weiß nicht so recht warum.

Weißt du was? Gerade kommst du mir gar nicht so weit weg vor.. So als würdest du ums Eck wohnen. Als könnte ich dir begegnen Dann werde ich auch mal zuhören. Versprochen.

Danke Gott, dass du mir zugehört hast. Es gibt nicht viele, bei denen ich mein Herz so ausschütten kann. Meine Angst, mein Versagen, meine Trauer. Du bist nicht schuld. Wir sinds. Lass uns retten was zu retten ist. In deinem Namen. Mit Geduld. Und Leidensvermögen. Mit deiner Liebe. Ohne Verurteilungen. Lass uns alle unterstützen, die jetzt in der Katastrophe zusammenbrechen. Und auf uns selbst achten. Keinem ist geholfen, wenn wir uns selbst schaden. Du bist unser Schicksal und nicht das Virus.

Lass uns tun, was du tust.

AMEN

Sonatenabend mit den drei Violinsonaten von Felix Mendelssohn-Bartholdy

Am Samstag, 30. Oktober 2021 um 19.00 Uhr Musik gastieren Heidi Braun (Violine) und Elena Ovsienko (Klavier) bei Musik bei Kerzenschein in der Johanniskirche.

Die drei Violinsonaten von Felix Mendelssohn-Bartholdy gehören zu den weniger bekannten Werken des Komponisten:

Es war eine kleine Sensation, als 1953 in einem New Yorker Verlag eine Violinsonate des reifen Felix Mendelssohn erschien. Mehr als hundert Jahre nach dem Tode des Komponisten wurden die Geiger mit einem Werk konfrontiert, von dem sie nicht die leiseste Ahnung gehabt hatten, da es Mendelssohn – wie so viele seiner reifen Werke, darunter die Italienische Sinfonie – nicht zum Druck frei gegeben hatte. Das Manuskript war in Vergessenheit geraten, bis es kein Geringerer als Yehudi Menuhin entdeckte und erstmals herausgab. Bei der großen F-Dur Sonate handelt es sich um die späteste und reifste seiner drei Violinsonaten

Die Musikerinnen Heidi Braun und Elena Ovsienko bringen alle drei Violinsonaten von Felix Mendelssohn-Bartholdy zu Gehör. Ihre musikalische Zusammenarbeit begann 2005 und seither konzertieren die beiden erfolgreich.

Karten zu jeweils 10,- € (5,- € Schüler/Studenten) sind ab Oktober im Vorverkauf im evangelischen Pfarramt und der Alpha Buchhandlung oder an der Abendkasse erhältlich. Es gelten die 3-G-Regeln, bitte bringen Sie Ihren Nachweis mit.

Musik bei Kerzenschein

Das Trio reist gemeinsam mit Ihnen und der charismatischen Erzählerin Stephanie Theuerkauf musikalisch um die Welt. Auf ihrer musikalischen Reise durch Norwegen, Frankreich, Italien, Amerika bringen Christine Theuerkauf (Querflöte), Antonia Theuerkauf (Querflöte) sowie Silke Kupper (Klavier) eine außergewöhnliche Mischung aus schönen verträumten, aber auch schnellen Flötentönen und virtuosen Bassläufen zu Gehör. Mit ihren Erzählungen lässt Stephanie Theuerkauf das Konzertereignis noch lebendiger werden und verführt das Auditorium zum Mitgehen und Träumen.

Bitte bringen Sie unbedingt Ihren 3 G Nachweis mit. Bis zum Sitzplatz gilt Maskenpflicht, am Platz dürfen die Masken abgezogen werden.

Digitale Orgelführung (nicht nur) für Kinder

Die Orgel ist das Instrument des Jahres 2021 – und das wollen wir feiern.

Kantorin Silke Kupper hat gemeinsam mit dem Technikteam aus St. Jakob Cedric Behnke, Maxi Weidner und Thomas Reuß eine Orgelführung aufgenommen und es ist ein toller 14- minütiger Film entstanden. In dem Video gehen sie den Fragen nach: Wie viele Pfeifen hat denn die Orgel in der Johanniskirche? Wie entsteht der Ton? Und wie sieht die Orgel wohl von innen aus?

Die vier haben tatsächlich sämtliche Register gezogen, um euch die Orgel von innen und außen vorzustellen. Lasst euch überraschen und schaut euch das Video an:

https://youtu.be/5pOkPE3i6ck

Auf dem Weg zur Krippe: unsere begehbaren Kirchen

Begehbarer Altarraum der Johanniskirche

Für viele ist ein Heilig Abend in der hochgelegenen Kunigundenkirche oder in der Johanniskirche mitten am weihnachtlich beleuchteten Marktplatz nicht wegzudenken. Dieses Jahr können wir uns in beide Kirchen auf den Weg zur Krippe machen: als Familie, als Paar oder ganz ruhig für sich allein. An jeder „Wegstation“ (ausgelegt für Erwachsene und “aus der Sicht eines Schafes” für Kinder ) können wir mit einem kleinen Impuls innehalten, etwas gestalten oder entdecken. Bis wir dann an der Krippe ankommen und spüren „Jetzt ist Weihnachten.“

Der „Weg zur Krippe“ kann individuell begangen werden. Beginn ist am Eingangstor der jeweiligen Kirche. Und dann einfach eintreten: die Tore sind offen. Wenn Sie möchten, bringen Sie doch etwas mit, um den Tannenstrauß bzw. den Tannenbaum zu schmücken und nehmen Sie doch vom Schein der Krippe eine Kerze mit nach Hause.

Öffnung der Kunigundenkirche: am 24.Dezember 15.30 Uhr -19.00 Uhr
Öffnung der Johanniskirche: 24.-26. Dezember durchgehend

Tipp: Nehmen Sie einen Stift oder für Kinder Farbstifte mit.

Hörst Du nicht die Glocken? Eine Reportage über unsere Laufer Glocken

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Eigentlich wollten wir in Lauf in diesem Jahr den 700. Geburtstag Hermann Kesslers feiern, des Gründerstifters unseres Glockengießer-Spitals. Aber der Tag des Offenen Denkmals, der 13. September, wurde bundesweit abgesagt und auch das vorgesehene Fest muss wegen Corona ausfallen. In diesem Artikel gedenken wir der großen Verdienste Hermann Kesslers und stellen das Handwerk in den Mittelpunkt, das ihm und seiner Frau Wohlstand und Ehre brachte.

Glockengießer haben die Welt mitgeprägt und überall akustische Denkmäler geschaffen. Seit 3 Jahrtausenden werden Glocken gegossen. Von China ausgehend, kennen alle Völker höherer Kulturstufen Glocken. Sie sind hörbare Zeichen kultischer Handlungen. Das älteste bis heute erhaltene Glockenspiel stammt aus einem Grab in China. Obwohl in vorchristlichen Zeiten in einer von unserer sehr verschiedenen Kultur entstanden, nahm das Christentum Glocken sehr bald in Gebrauch. Der erste richtige Glockenturm wurde um 500 in Ravenna gebaut. Irisch-schottische Missionare brachten Glocken nach Mitteleuropa. Die Übernahme des keltischen Wortes „Cloch“ in unserem Wort „Glocke“ erinnert daran. Dass die Glocken gegen Ende des 6. Jahrhunderts an Größe gewonnen haben und schon damals mit einem Seil bewegt wurden, geht aus den Schriften des fränkischen Bischofs Gregor von Tours hervor. Ab dem 7. und 8. Jahrhundert entstanden Türme, die ein mehrstimmiges Geläut ermöglichten. Immer mehr verband sich der Glockengebrauch mit der Liturgie. Kaiser Karl der Große erließ in den Kapitularien eingehende Weisungen über Anschaffung und Verwendung von Kirchenglocken. Die älteste 1038 gegossene Glocke Deutschlands hängt in Bad Hersfeld. In den Klöstern verbreitete sich die Kunst des Glockengießens. Die besten historischen Glocken stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert und wurden immer mehr von bürgerlichen Glockengießern gestaltet. Sie erreichten oft besondere klangliche und künstlerische Schönheit. Das Handwerk des Glockengießens wurde vom Vater an den Sohn weitergegeben und sorgfältig gehütet. So entstanden ganze Glockengießer-Dynastien. In Nürnberg gab es mehrere solcher Glockengießer-Familien, eine der bedeutendsten war die unseres Stifters Hermann Kessler, genannt Glockengießer, und seiner Frau Elsbeth. Sie selbst blieben kinderlos und vermachten ihren Reichtum dem Spital der Stadt Lauf. Dort verbrachten sie auch ihren Lebensabend. Ihre Grabstätte ist im vorderen Teil der Ruine St. Leonhard eingebettet und wurde von den Altstadtfreunden gerade neu gestaltet mit Epitaphien der Stifter. Es gab weitere Zweige der Familie, die die Tradition des Glockengießens sehr erfolgreich fortführten.

Neue Epitaphien zu der Grablege des Stifterehepaars in der Spitalruine

In den beiden Weltkriegen brauchte man die Metalle der Glocken für militärische Zwecke. Im ersten Weltkrieg 1917/18 wurden für die Kriegswirtschaft fast 50 % der Glocken eingeschmolzen. Im 2. Weltkrieg folgte die Glockenbeschlagnahme bereits wenige Monate nach Kriegsbeginn, hinzu kam dann die Bombenzerstörung der Kirchen. So gab es nach den Kriegen einen großen Bedarf an Glocken. Bis heute werden sie bei uns nach dem traditionellen Lehmformverfahren mit Bronzeguss hergestellt. Jede Glocke wird individuell berechnet, geformt und gegossen und ist damit ein Unikat. So hat auch jede ihren Ton, ja eine Vielzahl von verschiedenen Teiltönen. Wenn verschiedene Glocken gleichzeitig läuten, ergibt sich ein mehrstimmiges Geläut. Mehr als 30 Glocken unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Größe hängen in Türmen und Dachreitern unserer Stadt Lauf und den dazu gehörigen Ortschaften.

Frühgebetsglocke ca.1500

In der St. Johanniskirche sind glücklicherweise die historischen Glocken erhalten geblieben. Sie mussten weder eingeschmolzen werden noch wurden sie von Bomben zerstört. Allerdings musste die kleinste und älteste Frühgebetsglocke 1942 bei der Kreishandwerkerschaft Hersbruck-Lauf abgegeben werden und kam in ein Zentrallager nach Amberg. Fälschlicherweise wurde sie mit dem Ort Lauf-Schönberg eingetragen und landete bei der Rückgabe deshalb in Schönberg. Dort stand sie ungenützt, bis sie auf Initiative des Schönberger Pfarrers Berthold wieder in die Stadtkirche nach Lauf gebracht wurde. So haben wir in der Johanniskirche ein sehr wertvolles Ensemble von 4 verschiedenen historischen Glocken (Aufzählung nach Alter):

  • Frühgebetsglocke, wahrscheinlich aus der Werkstatt der Familie Glockengießer aus vorreformatorischer Zeit um 1500; 62 cm Durchmesser, 49 cm Höhe, 175 kg, Ton g‘‘. Sie trägt einen gotischen Fries, darunter die Inschrift: ave maria, gracia plena dominus tecum (Gegrüßet seist du, Maria, du bist voller Gnade, der Herr ist mit dir). Sie wurde immer früh um 4 Uhr geläutet, wenn die Bauern in den Stall gehen mussten.
  • Schräg darunter hängt die mittlere Glocke, möglicherweise aus derselben Werkstatt, erstes Viertel 16. Jhdt.; Durchmesser 88 cm, Höhe 74 cm, 550 kg, Ton b‘. Die Glocke hat denselben spätgotischen Fries wie die erste, darunter die Inschrift: quia quem regina celi senare alleluia (Alleluja erschalle ihm (dem Erlöser), den die Himmelskönigin auf ihren Mutterarmen trug). Diese beiden ältesten Glocken ähneln sich sehr und stammen aus derselben Zeit.
  • Die große Glocke von 1597 von Christof (II) Glockengiesser; Durchmesser 1,17 m, 1100 kg, Ton ges‘. Inschrift: christof glockengiesser zu nurmberg goss mich anno 1597, ferner: gottes wort bleibt ewig, glaub dann bist du selig, außerdem: dieser zeit seien die verorden herrn landpfleger anno domini 1597 hans welser, ioachim nuczel, paulus harstorfer, christof tucher, iacob starck, dazu: Verzierung mit Stadtwappen von Nürnberg über dem Stadtwappen von Lauf, an einer Seite der gekreuzigte Christus mit Maria und Johannes, auf der anderen Seite der Heilige Laurentius mit dem Rost.
  • „10-Uhr-Glocke“; Durchmesser 77 cm, Höhe 60 cm, Gewicht 260 kg, Ton es‘‘. Inschrift: 1712 goss mich Iohann Balthasar Heroldt. An der Seite trägt sie ein Wappenschild, im Inneren das Wappen der Reichsstadt Nürnberg, welches umgeben ist von Wappenschilden der amtierenden Landpfleger Wolf Iacob Nützel, Georg Andreas Imhof, Georg Christof Kress, Veit Hieronymus Holzschuher, Iohann Christoph Detzel, unten das Wappenschild des Pflegers von Lauf Iohann Paulus Tucher.

Das 4-stimmige Geläute (ges‘, b‘, es‘‘, g‘‘) hängt in einem 2-stöckigen Holzglockenstuhl an Holzjochen. Alle 4 Glocken wurden 1998 im Schweißwerk Lachenmeyer, Nördlingen, detailliert begutachtet und runderneuert. Dazu wurden sie abgenommen und in der Werkstatt bearbeitet. 2000 kamen die Glocken zurück an ihren Platz. Danach wurde das Schwingungsverhalten des Turmes und das Resonanzverhalten der Glocken untersucht, 2012 hat man eine baudynamische Kontrolle am Glockenturm vorgenommen und ausgewertet. Dabei hat man Ungleichmäßigkeiten festgestellt. Anschließend wurden die Glocken nochmals bearbeitet und die Empfehlungen des Gutachtens umgesetzt. Inzwischen können alle Glocken wieder geläutet werden und schwingen ausgewogen im Turm.

Oben: neueste 10-Uhr-Glocke von 1712 aus der Werktstatt Balthasar Heroldt
Unten: mittlere 11-Uhr-Glocke vom Anfang 16.Jhd.

Für die Glocken gibt es eine vom Kirchenvorstand beschlossene Läute-Ordnung, die der Mesner umsetzt. Das Glockengeläut begleitet den Gottesdienst, der eine halbe Stunde vorher eingeläutet wird, eine Glocke läutet während des Vater-Unsers, bei besonderen Segenshandlungen wie der Einsegnung der Konfirmanden oder beim Segen bei Trauungen gibt es volles Geläut. Auch am Samstagnachmittag um 14 Uhr wird nach altem Brauch der Sonntag auf diese Weise eingeläutet. Bei einer Aussegnungsfeier wird die kleinste Glocke geläutet und begleitet die Urne zum Salvatorfriedhof. Manchmal ruft die Glocke zu Gebeten bei besonderen Anlässen, z. B. zum Friedensgebet – auch zur zeitgleichen Fürbitte in Krisenzeiten wie der unseren mit Corona. Glocken dürfen aber nicht zu politischen Zwecken missbraucht werden.

Über all die Jahrhunderte hatten Glocken sowohl eine profane als auch eine geistliche Funktion. Sie geben räumliche und zeitliche Orientierung. Immer wieder wird berichtet, dass Menschen durch den Glockenklang nach Hause fanden, wenn sie sich verirrt haben. Man konnte also Entfernungen und Richtungen einschätzen. Die Glocken verkünden durch Schläge die vollen Stunden ebenso wie Viertelstunden. Als es noch keine Armbanduhren gab, richteten sich alle Menschen nach dem Schlag der Glocken. Die Frühglocke rief zum Aufstehen und Versorgung der Tiere, um die Mittagszeit wurde das Essen angekündigt, die Abendglocke rief das Ende des Arbeitstages aus. Verbunden waren diese Geläute oft mit bestimmten Gebeten. In den Klöstern finden die Tagzeiten- oder Stundengebete statt: das Morgenlob um 6 Uhr, Mittagsgebet um 12 Uhr, Vesper um 19 Uhr und Complet um 21 Uhr.

Im christlichen Verständnis ist das Bewusstsein lebendig, dass der Tag und das Leben überhaupt vom Gebet begleitet wird. Glocken rufen auf zum Lob Gottes und verbinden damit Himmel und Erde.

Text: Susanne Koch-Schächtele

Bilder der Glocken: Matthias Bisping