Eike Wagner von den Fränkischen Filmautoren hat den Salvatorfriedhof durch die Jahreszeiten hindurch begleitet und wunderbare Eindrücke mit seiner Kamera festgehalten. Zusammen mit der Geschichte des Friedhofs, der Darstellung des ökologischen Konzepts und einem Interview mit der zuständigen Pfarrerin Lisa Nikol-Eryazici ist ihm zusammen mit Elfi Kanzler ein beeindruckender Kurzfilm gelungen.
31.10.2021, St. Johanniskirche Lauf, Text: Galater 5, 1-6 (in der Predigt)
Laufer Stadtpfarrer i.R. Friedhelm Beck predigt am Reformationstag
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus
Liebe Gemeinde,
Es ist einfach zauberhaft, wieder einmal hier stehen zu dürfen und mit Ihnen, mit euch einen Gottesdienst feiern zu dürfen, mit so vielen vertrauten Gesichtern.
Schön, dass Sie gekommen sind, damit wir miteinander dieses Fest der Reformation feiern können.
Reformationsfest – das wäre doch eigentlich ein guter Tag, ein guter Anlass, um einmal wieder seinen eigenen Glauben zu überprüfen.
Haben Sie jetzt sicherlich heute Morgen beim Frühstück gemacht – oder? Nicht?
Naja – das können wir ja auch jetzt ganz kurz nachholen:
Dienen soll uns dazu unser heutiger Predigttext aus dem Galaterbrief. Sie haben den Predigttext ja gerade schon als Lesung gehört. Deshalb will ich nur zwei Verse noch einmal lesen
Zur Freiheit hat uns Christus befreit!
In Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein, sondern
Der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Zur Freiheit hat uns Christus berufen. Einer der Kernsätze der Reformation.
Und? Glaubenscheck? Leben wir diese Freiheit?
Keine Verpflichtungen, sondern wie ich eben will und kann.
Glaubenscheck erledigt – alles Gut.
Naja, liebe Gemeinde, so würden Sie das wohl nicht machen – also das mit dem Glaubenscheck.
Und seit der Reformation hat sich in der kirchlichen Umwelt und in unserer gesellschaftlichen Umwelt doch so einiges verändert.
Luther hat mit aller existenziellen Betroffenheit nach dem gnädigen Gott gefragt und gesucht. Und seine befreiende Antwort, die er fand, war:
Zur Freiheit sind wir berufen durch den Glauben an Jesus Christus.
Nicht wir müssen uns um unser Verhältnis zu Gott Sorgen, sondern durch den Glauben an Jesus Christus vertrauen wir darauf, dass Gott sich um uns sorgt.
Aber jetzt mal ehrlich, liebe Gemeinde: Das ist doch nicht wirklich mehr die bedrängende Frage unserer Zeit.
Die Fragen heute sehen doch ganz anders aus, oder?
Der gnädige Gott?
Nein – der gesamte Einfluss der Kirche ist dramatisch am Schwinden. Und die letzten Befragungen zeigen zwar, dass die meisten Menschen schon an ein höheres Wesen glauben, aber es ist eine Mischung aus Buddha, Allah, Schicksal oder Geistkraft. Und der Glaube wird dann in meine Alltagsbedürfnisse hineinmanipuliert
Egal
Es ist nicht der Gott, den uns Jesus Christus uns offenbart hat.
Wenn das so ist, liebe Gemeinde, wäre es dann nicht sinnvoller, das Reformationsfest eher zu streichen? Denn es scheint nur Antworten auf Fragen zu feiern, die keiner mehr stellt.
Ja – eigentlich betrifft das ja auch Paulus selbst. Kann er uns dann noch etwas sagen? Also machen wir die Bibel zu mit der bedauerlichen Erkenntnis: das hat nichts mehr mit dem heutigen Leben und seinen Fragen zu tun? Und ich beende hier meine Predigt?
Das würde vielleicht die Liebhaber einer kurzen Predigt freuen. Aber so einfach, liebe Gemeinde kann ich es mir und kann ich es Ihnen nicht machen. Denn wir denken und reden hier über den Glauben an den lebendigen Gott, den uns Jesus Christus, der Mann aus Nazareth nahegebracht und offenbart hat.
Vielleicht, liebe Gemeinde, vielleicht brauchen wir eine Veränderung unseres Blickwinkels.
Worauf ist uns Blick den fixiert?
Wir leben in einer äußerst spannenden Zeit. Und damit meine ich nicht nur die Frage, wie die Koalitionsverhandlungen ausgehen werden. Nein viel beeindruckender für uns alle ist ja:
Wir wissen nicht was auf uns zukommt.
Das wussten natürlich die Generationen vor uns auch nicht. Aber heute sehen sich Wissenschaftler in der Lage, uns zu prophezeien, was in 30, 50, oder 100 Jahren hier auf der Erde geschehen wird. Und was sie vorhersagen, ist nicht schön.
Natürlich wissen wir nicht, ob alles so eintrifft. Aber wir können auch nicht sicher sein, dass es nicht eintrifft.
Und so nimmt die Angst zu: Wie geht es weiter?
Die Angst um diese Welt, die Angst um die Zukunft meiner Enkel, die Angst um das Leben hier, die Angst um ein gutes Ende unseres Lebens.
Als alter Mann kann ich verstehen, dass sich die Jugend Sorgen macht, dass sie wissen will, wie alles weiter geht, dass sie will, dass alles getan wird, dass die Zukunft sicher wird.
Und welche Antwort hat nun unser Glaube auf diese Fragen, liebe Gemeinde?
Es ist ja interessant, dass die Gemeinde in Galatien, an die Paulus schreibt, ebenfalls spannende Zukunftsfragen hatte:
Werden wir die nächsten Tage, Wochen, Monate überleben, oder wird uns die nächste Christenverfolgung dahinraffen? Wie glauben wir richtig, dass Gott uns zur Seite steht?
Sehr existenzielle Fragen, liebe Gemeinde.
Und die Antwort vieler in der Gemeinde:
Wir nehmen das mit dem Glauben in die eigenen Hände. Also wir tun, was wir können, damit wir vor Gott gut dastehen. Also befolgen wir alle möglichen Vorschriften, essen nur, was angeblich rein ist, lassen uns beschneiden. Dann muss Gott uns beistehen.
O ihr unverständigen, ihr dummen Galater, schreibt Pauls an anderer Stelle des Briefes. Ihr habt nichts begriffen!
Blickwechsel ist angesagt!
Paulus ruft es den Galatern – und uns heute Morgen zu:
Zur Freiheit hat uns Christus befreit
Diesen neuen Blickwinkel hat Martin Luther entdeckt! Wir müssen uns um uns nicht so viele Sorgen machen! Wir liegen Gott am Herzen! Dafür müssen wir nichts tun, ja können wir garnichts tun.
Das ist die reformatorische Erkenntnis, die uns von unserer selbstzerstörerischen Sorge um uns selbst befreien will.
Diese Erkenntnis haben wir, als evangelische Christen, wir, als Protestanten schon mit unserer Muttermilch aufgesogen.
Für unseren Glauben müssen wir nichts tun.
Aber, liebe Gemeinde ich muss Sie heute Morgen enttäuschen. Denn das ist ja eben nur die halbe Wahrheit der reformatorischen Erkenntnis. Es ist die angenehme, befreiende Wahrheit. Aber es ist nur die halbe.
Und Paulus hat das sehr wohl gewusst und hat deshalb gerade an dieser Stelle seines Briefes auch noch geschrieben:
…In Jesus Christus gilt also weder Beschnitten sein, noch Unbeschnittensein etwas, sondern
Der Glaube, der durch die Liebe tätig ist
So, liebe Gemeinde, jetzt haben wir den Salat! Es ist also nichts mit dem Glauben der nichts kostet, nichts ist es mit der billigen Gnade, wie es Bonhoeffer ausdrückt.
Nein, und damit ist es auch nichts mit dem Glauben, der nur antiquierte Antworten auf nicht mehr aktuelle Fragen des Lebens gibt.
Nein liebe Gemeinde
Blickwechsel ist angesagt, gerade heute am Reformationsfest.
Gerade heute dürfen wir uns wieder erinnern und neu vergewissern, dass wir Gott am Herzen liegen und dass wir in seinen gnädigen Händen geborgen sind, im Leben, im Sterben und über den Tod hinaus.
Aber wenn wir so von Gott gehalten sind, dann haben wir die Hände und das Hirn frei für die Fragen unserer Zeit, die Fragen Welt und die Fragen der Menschen dieser Welt.
Wir werden nicht alles lösen können. Wir werden bei dem Bemühen um diese Fragen sicher auch immer wieder scheitern.
Aber wir wissen, dass diese Erde nicht in eine gottverlassene Zukunft geht, sondern dass Gott uns durch Christus beisteht und uns
Kraft und Mut,
Phantasie und Gehorsam gibt,
damit wir seiner Liebe
Atem und Gesicht und
Hand und Fuß geben können bei der Bewältigung unserer Zukunftsfragen.
Das Gottesdienstteam Günthersbühl lädt am Samstag, den 13. November zur St. Martinsfeier ein.
Der Lichterweg beginnt am Bolzplatz in Günthersbühl, Bründeläckerstraße.
Folge immer den Lichtern im Wald.
Die Martinsfeier beginnt um 16.45 Uhr unter dem Blätterdach des Waldes.
Anschließend führt uns der Laternenzug zum Pferdehof. Hier erwartet euch ein kleiner Imbiss mit Wienerle und Brötchen, Lebkuchen, Kinderpunsch und Glühwein.
Hier gelten die 3G-Regeln für Veranstaltungen im Freien.
Am Samstag, 30. Oktober 2021 um 19.00 Uhr Musik gastieren Heidi Braun (Violine) und Elena Ovsienko (Klavier) bei Musik bei Kerzenschein in der Johanniskirche.
Die drei Violinsonaten von Felix Mendelssohn-Bartholdy gehören zu den weniger bekannten Werken des Komponisten:
Es war eine kleine Sensation, als 1953 in einem New Yorker Verlag eine Violinsonate des reifen Felix Mendelssohn erschien. Mehr als hundert Jahre nach dem Tode des Komponisten wurden die Geiger mit einem Werk konfrontiert, von dem sie nicht die leiseste Ahnung gehabt hatten, da es Mendelssohn – wie so viele seiner reifen Werke, darunter die Italienische Sinfonie – nicht zum Druck frei gegeben hatte. Das Manuskript war in Vergessenheit geraten, bis es kein Geringerer als Yehudi Menuhin entdeckte und erstmals herausgab. Bei der großen F-Dur Sonate handelt es sich um die späteste und reifste seiner drei Violinsonaten
Die Musikerinnen Heidi Braun und Elena Ovsienko bringen alle drei Violinsonaten von Felix Mendelssohn-Bartholdy zu Gehör. Ihre musikalische Zusammenarbeit begann 2005 und seither konzertieren die beiden erfolgreich.
Karten zu jeweils 10,- € (5,- € Schüler/Studenten) sind ab Oktober im Vorverkauf im evangelischen Pfarramt und der Alpha Buchhandlung oder an der Abendkasse erhältlich. Es gelten die 3-G-Regeln, bitte bringen Sie Ihren Nachweis mit.
Das Trio reist gemeinsam mit Ihnen und der charismatischen Erzählerin Stephanie Theuerkauf musikalisch um die Welt. Auf ihrer musikalischen Reise durch Norwegen, Frankreich, Italien, Amerika bringen Christine Theuerkauf (Querflöte), Antonia Theuerkauf (Querflöte) sowie Silke Kupper (Klavier) eine außergewöhnliche Mischung aus schönen verträumten, aber auch schnellen Flötentönen und virtuosen Bassläufen zu Gehör. Mit ihren Erzählungen lässt Stephanie Theuerkauf das Konzertereignis noch lebendiger werden und verführt das Auditorium zum Mitgehen und Träumen.
Bitte bringen Sie unbedingt Ihren 3 G Nachweis mit. Bis zum Sitzplatz gilt Maskenpflicht, am Platz dürfen die Masken abgezogen werden.
„Keiner bleibt hungrig“, so lautete das Thema des Wichtelgottesdienstes im Gemeindezentrum St. Jakob. Es gibt die einen, die im Überfluss leben und die, die nichts haben. In einem kleinen Anspiel machte das Team um Pfarrerin Nikol-Eryazici dies deutlich: Eine Familie schlemmt beim Picknick, die andere hat nichts und muss hungrig zuschauen. Dass dies nicht so bleiben muss verdeutlichte die biblische Geschichte von der Speisung der 5000. Alle wurden satt, obwohl es anfangs so aussah, als ob das wenige nie reichen würde – und alles nahm seinen Anfang mit einem Kind, das Jesus seine 5 Brote und zwei Fische brachte. Er segnete das Mitgebrachte und teilte es aus.
Im Teilen liegt Segen – dies durfte in der Weiterführung des Anspiels auch die hungrige Familie beim Picknick spüren, als sie zum Picknick der anderen eingeladen wurde. Brot und Gummibärchen-Fische durften dann auch die Familien untereinander teilen bis drei Vertreterinnen der Laufer Tafel von ihrer Arbeitet berichteten. Besonders eindrücklich war das Engagement der jugendlichen Mitarbeiterinnen, die deutlich machten, dass ihre Arbeit nicht nur im Verteilen von Lebensmitteln, sondern auch im Teilen von Zeit und Nähe besteht.
Der nächste Wichtelgottesdienst ist am 3. Advent (12. Dezember).
Liebe Festgemeinde an der Kirchweihe unserer Spital-Kirche!
Auferstanden aus Ruinen.
Leonardsruine am Spital
Seit meinen ersten Besuchen in Lauf habe ich mich immer gewundert, warum diese Ruine mitten in der Stadt steht? Wann wurde die Kirche zerstört? Warum wurde sie nicht wieder aufgebaut? Wozu dient die romantische Ruine jetzt?
Inzwischen nach einigen Stadtführungen auch durch mich selbst, weiß ich es natürlich:
Der Markgrafenkrieg 1552-54, genauer gesagt schon der zweite – war ein evangelischer Bruderkrieg. Nachdem sie die katholischen Hochstifte und Bistümer angegriffen und „gebrandschatzt“ hatte – also gegen viel Geld erpresst, dass sie die Städte nicht in Brand schossen, war es dem brandenburgischen Fürsten Albrecht Alkibiades noch nicht genug. Ich weiß nicht, ob nur noch zu wenig Geld oder zu wenig Krieg … In Wikipedia stand, dass er besser Schlachten anführen als diplomatisch verhandeln konnte. Da wandte er sich nach Franken und wollte Nürnberg einnehmen. Weil er die Stadt zwar nicht einnehmen konnte, richtete er furchtbaren Schaden im umliegenden Städten anrichtete: vor allem Lauf du Altdorf wurden 1553 so gründlich zerstört, dass es kein einziges Schriftstück oder Chronik in Lauf überlebt hat.
Albrecht Alcibiades wurde schließlich wie ein tollwütiger Huind mitz vereinten Kräften besiegt. Doch wir sitzen in dieser einzigen Ruine aus dieser Zeit – der Kirche St. Leonard neben dem Spital, gestiftet von dem Ehepaar Kessler vor über 700 Jahren, der Grabplatte hier vor mir liegt.
Stellen wir uns das unermessliche Elend in Lauf vor 468 Jahren vor. Sie werden in Hütten und Kellern gehaust haben. Wie sehr werden sie da das Buch Klagelieder Jeremias immer und immer wieder gelesen haben, so das Kapitel 3, da heute Predigttext ist.
Klgl 3 Klage und Trost eines Leidenden (LUT)
Ich bin der Mann, der Elend sehen mussdurch die Rute seines Grimmes.
2 Er hat mich geführt und gehen lassenin die Finsternis und nicht ins Licht.
3 Er hat seine Hand gewendet gegen michund erhebt sie gegen mich Tag für Tag.
8 Und wenn ich auch schreie und rufe,so stopft er sich die Ohren zu vor meinem Gebet.
17 Meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben;ich habe das Gute vergessen.
18 Ich sprach: Mein Ruhm und meine Hoffnungauf den HERRN sind dahin.
19 Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen,mit Wermut und Bitterkeit getränkt bin!
Klgl 3
Jeremia, der Prophet, der nicht nur das Unheil kommen sah, sondern die Katastrophe vom ersten bis zum letzten Tag erleben musste und dem ein eigene Buch, eben die Klagelieder zugeschrieben wurde.
Er erlebte wie die Bewohner der Stadt Jerusalem, nachdem die Babylonier im Jahr 587 vor der Geburt Christi die Stadt erobert und dem Erdboden gleich gemacht hatten. Ja, da saßen sie nun in den Trümmern ihrer Stadt – gezeichnet von den Schrecken der Zerstörung, ohne jede Zukunftshoffnung. Und eines war ihnen dabei ganz klar: Gott hatte mit den Propheten Jesaja und Jeremia vor dieser politischen Katastrophe gewarnt.
DARMSTADT
So ähnlich wie ich mich noch als Kinder der 70er Jahren erinnern kann, dass in meiner Heimatstadt am Innenstadtring noch riesige Schuttberge an den Feuersturm von 1944 erinnerte, als Darmstadt und seine chemische Industrie 3 Tage lang brannte wie eine Fackel. Als Kind fragte ich immer wieder nach, wie das geschehen konnte. Und gruselte mich beim Anblick der städtischen Oper, die eingezäunt, verbrannt und zerschossen auf ihre Wiederauferstehung wartete. 12.300 Menschen kamen damals in diesen Tagen ums Leben.
Nun sitzen wir hier in unserer Ruine und gedenken der Kirchweihe einer Kirche, die nicht mehr existiert. Miene Frage, warum sie nicht wieder aufgebaut wurde, habe ich noch nicht beantwortet.
Erste Antwort: Sie bauten die Johanniskirche am Markt, denn den Berichten nach war sie den Laufern zu „rückwärtsgewandt“, zu katholisch, aber auch zu klein. Sie erinnerte sie an die Zustände vor der Reformation. Jetzt aber waren sie selbstbewusste Ackerbürger und Händler und wollten eine Kirche am Marktplatz. So bauten sie mit finanzkräftiger Unterstützung der Nürnberger die Johanniskirche aus einer vorhandenen Kapelle und erweiterten sie und erhöhten sie, bis sie die jetzige Form im Jahr 1699 erreichte.
Zweite Antwort: Bis Anfang des 19.Jhdts lag die Ruine ohne Störung (vielleicht auch als ehemaliger Friedhof?), als die Stadt ein Antrag erreichte, die Ruine abzubrechen und Stelle dessen ein Wohnhaus zu errichten. Der damalige Bürgermeister setzte sich mit folgender romantischer Haltung durch: „Überall bauen sie Ruinen, weil sie keine haben, aber so schön anzusehen sind, wir haben eine und sollten sie abbrechen?“
Wozu dient die romantische Ruine jetzt? Sie war eine Art Hof für die Bewohner des benachbarten Spitals. Arme Alte Kranke Waisen. Aber für mich ist sie auf eine nicht von unseren Vorfahren gedachte Weise auch ein Mahnmal dafür, wie Gewalt ausarten kann, wie der Glaube zwischen die Fronten geraten kann und zermahlen wird wie in diesem Markgrafen-Krieg der evangelischen Gebiete. Nur erinnern ohne Heilen führt zu nichts oder zu erneuter Rache …
24 Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele;darum will ich auf ihn hoffen.
25 Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt.
26 Es ist ein köstlich Ding, geduldig seinund auf die Hilfe des HERRN hoffen.
31 Denn der Herr verstößt nicht ewig;32 sondern er betrübt wohl
und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.
33 Denn nicht von Herzen plagtund betrübt er die Menschen.
Klgl 3
Nur erinnern ohne Heilen führt zu nichts oder zu erneuter Rache …
Ich freue mich immer noch über unseren Buß-Gottesdienst 2017, „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“ den wir in der ökumenisch auf Vorschlag unserer Bischöfe Marx und Bedford-Strohm gefeiert haben. Das Reformationsfest sollte ein Christusfest werden. Die katholische und evangelischen Kirchen tragen dafür eine große Schuld. Wir haben Gemeindeglieder aufgerufen haben, ihre Geschichte zu erzählen, die durch konfessionelle Streitigkeiten Schmerzen zugefügt wurden. Und tatsächlich haben Pfarrer Alexander und ich dort einige Geschichte gehört und wir haben in Einzelgesprächen diese Personen um Vergebung gebeten. Vielleicht wäre diese Ruine dafür der passende Ort, um sich regelmäßig zu erinnern an maßlose Gewalt und Unfrieden und Krieg, an Verbrechen aneinander mit diesem englischen Methode: Healing Memories – das Zweifaches bedeuten kann: Erinnerungen heilen und heilende Erinnerung. Nur erinnern ohne Heilen führt zu nichts oder zu erneuter Rache …
Jeremia setzt sein Gebet fort:
20 Du wirst ja daran gedenken,denn meine Seele sagt mir’s.
21 Dies nehme ich zu Herzen,darum hoffe ich noch:
22 Die Güte des HERRN ist’s,dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende,
23 sondern sie ist alle Morgen neu,und deine Treue ist groß.
Klgl 3
Wenn wir uns an die großen Katastrophen unserer Vorfahren erinnern, sind wir vielleicht etwas beschämt über unsere Auseinandersetzungen in der Corona-Krise. Trotzdem war und ist für uns diese Pandemie die größte Herausforderung in unserer Gesellschaft zum Schutz der Älteren und Schwachen.
Aber ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich freue, welche Freiheiten wir nun wieder genießen können. Wenn ich die Bläser höre, dann denke ich an eure Aktion im schlimmsten Lockdown, als ihr jeden Sonntag jeder und jede an seinem Ort auf dem Balkon oder am Fenster um Punkt 9:30 Uhr auf Glockenschlag Choräle gespielt habt. Jeder seine Stimme. Ich glaube, nur in Heuchling hattet ihr die Chance, einen andere Stimme zu hören. Aber diese Aktion war wie der Vogelgesang am Morgen, wenn die Nacht noch dunkel ist, aber wir wissen, dass die Sonne gleich aufgehen wird.
Die Barmherzigkeit unseres Gottes hat kein Ende und ist alle Morgen neu: auch nach den Nächten seines Zornes, seines Gerichtes und seiner Strafen – am Morgen ist Vergebung und seine Sonne scheint über Gläubige und Ungläubige, über die Toten und die Lebendigen.
Wir sitzen in einer Ruine – vielleicht auch in einer Ruine unserer Erwartungen und Hoffnungen. Aber euer Bläserspiel war und ist ein Zeichen für den Glauben an Gott wie Jeremia betet:
Darauf will ich hoffen:
Die Güte des Herrn ists, daß wir nicht gar aus sind,
seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende,
Jeden Morgen neu ist sein Erbarmen,
und groß ist seine Treue.
Der Herr ist mein Teil,
spricht meine Seele
darum will ich auf ihn hoffen.
Und auf Wunsch des Leiters von JohannisBrass Joachim Rahm singen und spielen wir das Lied,
Freunde, dass der Mandelzweig Wieder blüht und treibt, Ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?
Eine Erinnerung an die Berufung Jeremias im Kapitel 1,11:
“Das Wort des Herrn erging an mich: Was siehst du, Jeremia? Ich antwortete: Einen Mandelzweig. Da sprach der Herr zu mir: Du hast richtig gesehen; denn ich wache über mein Wort und führe es aus.” (Jer 1,11f)
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, Paten, liebe Angehörige,
[Pfarrerin lässt einen Tonkrug fallen)
zerbrochen, o nein, dabei habe ich das Stück so gern gehabt. Und was ist davon übrig? Scherben. Ich glaube, ihr alle kennt diese Erfahrung, wie oft passiert uns das beim Abspülen, Abstauben, hin- und hertragen, mitten im Alltag. Und wenn mir was an dem Teil liegt, dann kann ich es nicht einfach wegwerfen, dann versuche ich vielleicht, alles wieder zusammenkleben und die Bruchstücke wieder zu einem Ganzen zu machen.
Funktioniert das auch mit unserem Leben so? Wir alle haben ja, in den letzten eineinhalb Jahren erlebt, wie ein winziges Virus unsere ganze Welt verändert hat und an vielen Stellen tatsächlich Scherben, Bruchstücke, Verluste hinterlassen hat. Da haben wir gemerkt, wie wir, die wir uns bislang so sicher gefühlt haben, doch schutzlos sind, da hat der ein oder die andere tatsächlich liebe Angehörige verloren oder kannte welche, die schwer erkrankt sind. Da waren die Läden und die Gaststätten zu, und die Schulen – unfassbar in unseren Gedanken bisher. Wir durften zeitweise nur noch zu notwendigen Gängen raus und konnten plötzlich unsere Großeltern nicht mehr in den Arm nehmen. So vieles, was uns lieb und vertraut war, was bislang völlig normal war und wir nie auch nur im Geringsten darüber nachgedacht hätten, ging nicht mehr. Stattdessen: Homeschooling, keine Freunde treffen, keine Feiern – und für uns hier kein normaler Konfiunterricht mit Spielen, Action, Praktika, Treffen in der Kirche. Und das alles macht natürlich auch etwas mit uns, mit unserer Seele. In dieser Woche stand in der Zeitung, dass es in jeder Klasse Schülerinnen und Schüler gibt, die aus dieser Zeit Schäden gezogen haben. Ja, unsere Welt, unser ganzes so bislang scheinbar sicheres Leben hat sich als ziemlich brüchig gezeigt.
Gott sei Dank sind wir jetzt schon so viele Schritte weiter, dürfen uns wieder treffen und vieles von unserem normalen Leben wieder aufnehmen – und sogar eine coole Konfifreizeit mit richtig viel Unbeschwertheit war wieder möglich – wie haben wir das alles doch vermisst.
Also sind die Scherben wieder geheilt, geklebt, so wie wenn nichts gewesen wäre?
Ich glaube, so einfach geht das nicht. Bei so einem Topf ist es ja so, dass selbst wenn man ihn wieder zusammenklebt, sieht man trotzdem die Klebespuren, die Kerben, die Stellen, wo der Lack abgeplatzt ist. Blöd irgendwie, das immer zu sehen – wir wollen doch lieber glatte und perfekte Dinge haben. Ganz anders in Japan.
Da haben die Menschen eine ganz besondere Kunst entwickelt, Zerbrochenes zu reparieren. Auf die Klebespuren legen sie mit dem Pinsel feinste Goldfarbe auf, bis das ganz Teil von einem feinen Netz an schimmernden Linien überzogen ist.
Klar: Immer noch sind die Bruchstellen das Erste, das man sieht. Die kann man nicht ungeschehen machen, aber sie werden ganz liebevoll bemalt und sogar hervorgehoben und jetzt sieht das Stück nicht mehr aus wie etwas, das in den Müll gehört, – sondern wie ein ganz besonderes Kunstwerk.
Ihr seht es auf der Karte, die ich euch in das Programm gelegt habe. Kintsugi, heißt das in Japan, die Kunst des Klebens. Und das besondere ist, dass gerade da, wo einst die Bruchstellen waren, das Gold zum Tragen kommt und so das Gefäß etwas ganz besonderes, eigenes Strahlendes wird.
Als ich von dieser Kunst gelesen habe, da dachte ich, eigentlich ist dieses Kintsugi ein ganz schönes Bild für unser Leben. Das, was ihr jetzt durch Corona in euren jungen Jahren erfahren habt, ist eine Erfahrung, die unser ganzes Leben durchzieht. Das hat Spuren bei euch hinterlassen, kleine oder auch bei dem ein oder anderen größere und manche sagen zu euch Jugendlichen schon, ihr seid die Generation Corona. Aber ist unserem Leben eigentlich von Gott versprochen, dass alles immer glatt ist, glänzend, heil und schön? Ich glaube nicht und da brauchen wir uns nur in der Welt umschauen. Zum Leben gehört es einfach auch dazu, dass man auch einmal Brüche erfährt. Da kann Freundschaft zerbrechen, Vertrauen missbraucht werden, die Hoffnung auf einen guten Abschluss zerplatzen, da hoffen wir auf den Sieg beim Fußballspiel, auf den wir so lange hingearbeitet haben, aber wir verlieren. Wahrscheinlich könnt ihr selbst noch viel mehr aufzählen. Vor all dem, sind wir nicht verschont. Manche erwarten sich aber von Gott ein Leben ohne Brüche und Scherben – und sind dann wütend und enttäuscht und fühlen sich von Gott im Stich gelassen, wenn es anders kommt. Wahrscheinlich ist das auch normal und wenn ihr mal in der Bibel die Psalmen durchlest, da lest ihr auch immer wieder, dass die Psalmbeter Gott anklagen und auf ihn schimpfen: Warum muss ich das jetzt so durchleben. Ich will das nicht! Aber man kann in den Psalmen dann auch sehen, wie sich dieses Gespräch mit Gott dann verändert. Denn Gott hat uns auch die Gabe gegeben, dass wir nicht nur wütend sind und trauern, sondern dass in uns auch eine Kraft ist, die uns weiterbringt, dass wir heil machen wollen, Perspektiven suchen, neue Wege, dass wir uns versöhnen. Und wenn es uns gelungen ist, dann strahlt da auch etwas gerade aus den Bruchstellen heraus.
Gott will gar keine nur glatten Menschen, auf denen keine Spuren des Lebens zu sehen sind. Wenn ihr in der Bibel lest, wer da mit Jesus unterwegs war – da waren Kranke, da waren Bedürftige, der Zachäus, von dem wir nochmal auf der Freizeit gehört haben, dieser reiche, aber doch ziemlich einsame Mann, oder der Petrus, einer seiner engsten Freunde, der Jesus sogar verleugnet hat. Keiner von denen war perfekt, alle hatten ihre Kratzer und Brüche und manchem hat das Leben ganz schön übel mitgespielt. Aber bei Jesus haben sie etwas gespürt, was Gott ganz tief in sie hineingelegt hat: Dass alles Leben von seiner Kraft gehalten wird und unglaublich wertvoll ist – auch die Bruchstellen können dem keinen Abbruch tun – im Gegenteil, ich habe mir vorgestellt, als ich die Karte angeschaut habe, dass diese Goldlinien gar nicht von außen aufgemalt sind, sondern vielleicht gerade von innen heraus durch diese Stellen hindurch die Kraft Gottes leuchtet. Ohne die Bruchkanten würden wir sie vielleicht gar nicht sehen und spüren. Ja, es ist uns überlassen, ob wir das Leben so sehen wie auf der einen Seite der Karte oder so sehen wie auf der anderen Seite.
Es gibt Phasen im Leben, die sind echt schwierig und dann zweifelt man auch schon mal an sich und ist unzufrieden. Aber genau diese Phasen können, wenn wir uns ihnen stellen, uns zu etwas ganz Eigenem, Besonderen machen, weil wir daran wachsen, weil wir sie bewältigen können oder mit ihnen leben, weil Gott heil macht. Drum habt den Mut, das alles Gott hinzulegen, mit ihm ins Gebet zu gehen, ihr dürft auch schimpfen und klagen, aber lasst nicht nach und ihr werdet merken, dass sich euer Herz verändert, dass Zuversicht und Vertrauen wachsen und ihr letztlich gestärkt herausgeht. Das geht nicht sofort – auf Knopfdruck – , manchmal dauert es. Aber gebt nicht auf!
Ja, so seid ihr vielleicht tatsächlich die Generation Corona, weil ihr – anders als die Jugendlichen vor euch – erfahren habt, dass das Leben brüchig und eben nicht selbstverständlich ist. Dass es ein Geschenk ist, wenn wir gesund leben können, dass es das kostbarste ist, dass wir uns begegnen können und Gemeinschaft leben können, dass es wunderbar ist, wenn man die Oma, den Opa wieder umarmen kann und eine coole Freizeit miteinander verbringen kann, das ist viel mehr wert als das teuerste I Phone. Und wir haben gesehen, dass man trotz allem die Menschen nicht alleine gelassen hat, es gab Jugendliche, die haben sich angeboten, für ältere Menschen einzukaufen, oder es gab tolle neue Aktionen, zusammenzukommen trotz Kontaktsperre – wenn ich zum Beispiel daran denke, wie an Ostern 2020 ganz viele verschiedene Musiker und Sänger das Lied „Christ ist erstanden“ aufgenommen haben und das dann alles zusammengeschnitten wurde – eine überwältigende Erfahrung, bei der einen die Tränen kommen konnten. Das alles habt ihr jetzt mitgenommen und es begleitet euch – nicht als hässliche Bruchstelle, sondern als wichtige Goldlinie im Leben.
Nehmt es mit in euer weiteres Leben und denkt daran, dass all das zu eurem Leben gehört und es gerade deshalb unendlich wertvoll ist.
Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Matth. 28
Abb aus dem Buch Tom Hollands: Herrschaft – wie der Westen entstand
Liebe Gemeinde,
Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.
Was ist das für ein Satz. Gehen wir mal weg von dem für die Konfirmation vielleicht auswendiggelernten Text. Fühlen ganz frisch. Versetzen wir uns in die Jünger, die die letzten Worte Jesu hören. Sein Vermächtnis. Die Worte, die alles zusammenfassen, sind nicht ohne den zu denken der da spricht: Gerade noch war Jesus gefoltert und geschunden gestorben. Totgemacht, toter als der Tod. Und jetzt steht er wieder auf diesem Berg bei dem Evangelisten Matthäus. Diesem namenlosen Berg in seiner Heimat, auf dem er versucht wurde, auf dem er die berühmteste Rede der Weltgeschichte hielt – die „Bergpredigt“, dem Berg der Verklärung, auf dem er schon fast in den Himmel aufgenommen wurde. Und sagt gezeichnet aber strahlend:
Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.
Mit wichtig – in unserem Text heißt es so schön menschlich: die Jünger fielen vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Selbst in so einem Moment glauben nicht alle! Denn zweifeln können wir alle: Macht, Gewalt – die gehörtdoch eigentlich einem Emperor, dem Kaiser. Dem Cäsar, der in einem Feldzug wie gegen die Gallier, ein Million getötet hat und eine andere Million in die Sklaverei geschleift hat. das war keine Witzfigur wie in ASTERIX … Oder wenigstens einem System wie dem Raubtierkapitalismus, der die Superreichen feiert. Die Bezos, Gates, Zuckerbergs dieser Welt, die andere herausdrängen, sich die Rechte sichern, sie multiziplieren und sich Staaten kaufen können, wenn sie wollen.
Die Macht, denken wir – die gehört doch einem Pilatus, demStatthalter, der die pax romana, den Frieden Roms aufrechterhält, indem er einen Unschuldigen wie Jesus kreuzigen lässt in dem sicheren Wissen: dieser wird es nicht einmal in eine Fußnote in der Weltgeschichte schaffen.
Aber auch als Historiker und Philosoph, als Agnostiker und Naturwissenschaftler muss man anerkennen. Dieser Jesus hat es geschafft:
Heute sind zwischen 2-3 Milliarden der Weltbevölkerung christlich. Manches Mal habe ich den Eindruck, nicht wegen der europäischen Missionare sondern trotz ihrer … In Afrika sind selbstbewusste Kirchen, die die Herablassung Europas nicht verstehen. Aus Südkorea werden mehr Missionare entsandt als aus jedem anderen Land der Welt. Im pseudokommunistischen China, das seine totalitäre Seite unter Xi Jinping immer mehr zeigt, wurden in den letzten 20 Jahren ohne wesentliche ausländische Unterstützung von 20 Millionen auf 100-130 Millionen Christen heute. Das Kreuz Jesu ist zu dem bekanntesten Markenzeichen der Welt geworden.
Haben Sie sich auch schon einmal die Frage gestellt:
Wie konnte der Gekreuzigte zu dieser Macht werden?
Der berühmte Historiker und Tom Holland trug da schon den Gedanken an das Buch mit sich herum: Dominion: The Making of the Western Mind. Herrschaft – wie die westliche Mentalität entstanden ist.
Jahrzehnte war er fasziniert von Macht. Als Junge wandte er sich vom Glauben ab, weil die Dinosaurier nicht in das enge religiöse Weltbild passten, indem er erzogen war. Und von den blutgierigen riesigen Jägern wandte er sich der Geschichte der grausamsten Herrscher und Tyrannen zu, die ihn faszinierten.
Die Großreiche der Gegner Israels interessierten ihn mehr als dieser Gekreuzigte
Nietzsche und dessen Willen zur Macht und zur unbedingten Beherrschung schien ihm eher der Schlüssel zur macht zu sein. »Kämpfe immer tapfer und sei anderen überlegen.«[51] aus der Ilias.
Aber Tom Holland wurde auch nachdenklich. Warum kannte fast niemand mehr außer ein paar Griechischlehrern die Heldentaten eines Alexander oder eines Attila? Warum sind fantastische Großreiche und Imperien längst Geschichte, während der Galiläer Jesus von seinem Berg immer noch eine unglaubliche Wirkung entwickelt?
Tom Holland stellte auch fest, dass der liberale Agnostizismus, dem er im Glauben an die Wissenschaft anhing, auch nur ein Glauben war, der ihm in Momenten der Entscheidung auf Leben und Tod, im Sterben für etwas nicht weiterbrachte und selbst die universalen Menschenrechte schienen ohne den Glauben an einen Gott, der die Welt und die Menschen liebt, ebenso ohne Begründung zu sein.
»Du hast gesiegt, bleicher Galiläer«, schrieb der viktorianische Dichter Algernon Charles Swinbourne, womit er die apokryphe Klage des Julian Apostata wiederholte, des letzten heidnischen Kaisers von Rom: »Die Welt ist grau geworden unter deinem Atem.« Instinktiv stimmte Tom Holland ihnen zu.
Wie konnte der Gekreuzigte zu dieser Macht werden?
Diese Frage trieb ihn um. Da unternahm Tom Holland eine Reise in den Irak, um dort einen Film zu machen. Sindschar ist eine Stadt, die, als er sie besuchte, direkt an der Grenze zum Islamischen Staat lag. Sie war dessen Kämpfern nur wenige Wochen zuvor wieder entrissen worden. 2014, als der Islamische Staat Sindschar erobert und besetzt hatte, war es die Heimatstadt vieler Jesiden gewesen, einer religiösen Minorität, die beim Islamischen Staat als Teufelsanbeter galten. Ihr Schicksal war grauenvoll gewesen, genau wie das jener Personen, die sich den Römern widersetzt hatten. Männer wurden gekreuzigt; Frauen wurden versklavt. Wenn man inmitten der Ruinen von Sindschar stand und wusste, dass nur drei Kilometer flachen, offenen Geländes entfernt genau die Leute saßen, die solche Gräueltaten begangen hatten, dann konnte man nachvollziehen, wie in der Antike der Gestank der Hitze und der Leichen einem Eroberer als sicheres Kennzeichen seiner Macht und seines Erfolges dienen konnte. Kreuzigung war nicht nur eine Bestrafung. Es war ein Mittel, sich Überlegenheit zu verschaffen: eine Überlegenheit, die bei den Unterworfenen nacktes, tiefstes Grauen hervorrief. Das Grauen vor der Macht war der Maßstab für Macht. So war es immer gewesen, und so würde es immer bleiben. So war die Welt.“
Mit diesem Geruch von Verwestem in der Nase und einem erschütterten Weltbild kehrt er zurück und schreibt in 750 Seiten eine sehr persönliche Geschichte des Christentums – pointiert von Cäsar über Gestalten wie Bonifatius und Abelard, Darwin bis hin zu dem Künstler Otto Dix und Himmler zu den unterschiedlichen Entscheidungen, die Merkel und Orban 2015 in der Flüchtlingsfrage trafen, die sich beide in christlicher Tradition wähnten.
Am Ende erzählt Tom Holland von seiner alleinstehenden Patentante und stellt fest: „Vielleicht wurde die Weltgeschichte mehr auf dem Schoß von Frauen geschrieben als von Weltherrschern.“ Er staunt: Dass es diese Menschen immer noch gibt. Die lieben und barmherzig sind. Und sich eher an dem Bergprediger Jesus orientieren als an dem Augustus. Die sich der Angst vor Leid und Schmerz nicht beugen. Die größere Macht als das Grauen ist schließlich die Liebe. Christen haben das immer verstanden.
Tom Holland weiß auch:
Viele Christen werden und wurden in dieser Zeit allerdings selbst zu Handlangern des Grauens. Als ständige Drohung lag ihr Schatten über den Schwachen; sie verursachten Leid und Verfolgung und Sklaverei. Doch die Maßstäbe, nach denen sie deswegen verurteilt werden, sind ihrerseits christlich; heute werden überall ihre Denkmäler als Sklavenhalter gestürzt.
Ich – Jan-Peter Hanstein – warte auf die Zeit, in der auch endlich die schrecklichen Hindenburgs und Bismarcks, die Friedrich Wilhelms und andere Große aus unseren Straßennamen verschwinden und wir ihre Bronzedenkmäler einschmelzen, um daraus leichte und wunderbare Kunstwerke der Barmherzigkeit zu machen. Wegen mir auch Kruzifixe. Oder die Pieta von Käthe Kollwitz, als Mutter mit ihrem gim Weltktieg I getöteten Sohn auf dem Schoß! Auf jeden Fall Denkmäler der Opfer und nicht ihrer Schlächter!
Auch wenn die Kirchen in Europa leerer werden, sieht es nicht so aus, als würde sich an diesen Beurteilungs-Maßstäben so schnell etwas ändern.
»Was schwach ist vor der Welt, hat Gott erwählt, dass er zuschanden mache, was stark ist.«
TOM HOLLAND schreibt, oder besser er bekennt: „Christ sein bedeutet zu glauben, dass Gott Mensch wurde und einen so schrecklichen Tod erduldete wie kaum ein anderer Sterblicher. Deshalb bleibt das Kreuz, dieses uralte Folterwerkzeug, was es immer war: das angemessene Symbol der christlichen Revolution. Es ist die Kühnheit, in einem gequälten, zu Tode geschundenen Leichnam die Herrlichkeit des Schöpfers des Universums zu erkennen, die mit größerer Gewissheit als alles andere die schiere Befremdlichkeit des Christentums und der Zivilisation, die aus dem Christentum entstand, erklären kann. Heute ist diese Befremdlichkeit so einflussreich und lebendig wie eh und je. Sie drückt sich in der großen Bekehrungswelle aus, die sich im Laufe des letzten Jahrhunderts in Afrika und Asien ausbreitete; in der Überzeugung von Millionen und Abermillionen Menschen, dass der Atem des Heiligen Geistes gleich einem lebendigen Feuer noch immer über der Welt weht; und in Europa und Nordamerika in den Einstellungen vieler weiterer Millionen, die nie auf die Idee kämen, sich als Christen zu bezeichnen. Sie alle sind Erben derselben Revolution: einer Revolution, die als ihr feuerflüssiges Herz das Bild eines an einem Kreuz zu Tode gefolterten Gottes hat.
Tom Holland endet:
Darauf hätte ich zweifellos schon früher kommen können.
Es geht um die größte Geschichte aller Zeiten. Der Geschichte Jesu und seinen Jüngern. Diese Geschichte ist größtenteils unsichtbar. Aber sie wiederholt sich in jeder Taufe. In jeder Konfirmation. In der Hoffnung jeder Patin oder jedes Paten, die dafür beten, dass ein Kind diese Liebe erfährt. Eine Konfirmandin, die glaubt, ist mächtiger als der tote Cäsar. Der glaubende Jugendliche, der/die einst vielleicht selbst diesen Ruf hört und aufbricht. Nicht mit einer Botschaft. Sondern mit Leib und Leben diesen Gekreuzigten bezeugt. mit “Jünger” ist das schon besser übersetzt von Luther als mit “Schüler”, weil es diese tiefe Verbindung ausdrückt. Mir gefällt in der Übersetzung Bibel in gerechter Sprache – da steht: um mit anderen zu lernen.
Im neuen Gemeindebrief, im BLICK in der Sommerausgabe haben wir das Thema Kirchengemeinde Lauf weltweit in den Blick genommen: ich war überwältigt, wieviele Patenschaften und Partnerschaften MitarbeiterInnen dieser Gemeinde schon über Jahrzehnte pflegen: in den Kongo nach Im Hospital der Christusträger Vanga. Hier auf Youtube findet ihr das tolle Benefizkonzert von Christoph Zehnder als Dankeschön an die Basarfrauen – aber auch der Kreativshop mit Jujuj in Argentinien, Wantoat Papua-Neuguinea, Haiti, Serbien. Ich grüé alle, die von dort aus zusehen!
Aus unserer Gemeinde sind Menschen ausgesendet worden in Gebiete von Zentralasien. Um zu unterstützen, zu lernen, auf eine ganz bescheidene Weise sich darunter stellen bis die Menschen dort fragen: Warum tust du das eigentlich? Und wir bei ihrer Rückkehr noch mehr lernen: – Dass dieser eine Name – Jesus – über allen Namen ist – und vor allen anderen schon da ist. Bis an die Enden der Welt. Diese Macht Jesu schafft erst die eine Welt in allen Völkern. Das ist niemals unumstritten. Immer umkämpft und umliebt. Ohnmächtig mächtiger als alles andere. Immer wieder sind wir auf der Suche. Glauben ist keiner Statistik erfassbar und von keinem anderen messbar. Die Jünger und die Gemeinden sind so schwach und doch so hoffnungsvoll. Niemals fertig, niemals zu Hause. Unterwegs – unterwegs durch die Zeiten – nur auf seinem Ruf und seinem Befehl. Des Gekreuzigten und Auferstandenen. Der lebt, damit wir auch leben. Der sagt:
Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.