Alles ist alles ist alles Dir ist alles erlaubt und alles gegeben Alles geglaubt und alles vergeben Und alles wär drin und alles daneben Es wär alles ertragen und alles vergebens Und gut
Und gut?
Ach – so vieles war und ist nicht gut. Was ist alles Unversöhnliche gerade am Karfreitag geschehen unter dem Zeichen des Kreuzes. Hass und Vernichtung statt Versöhnung. Wir gedenken der früher regelmäßig ausbrechenden Progrome, der Hass gegen die Juden als den vorgeblichen Mördern des Gottessohnes. Wie oft wurde Jesus noch einmal gekreuzigt durch die christliche Verfolgung der Juden! Deshalb ist es wichtig, unseren Geschwistern dieser Tage zum Pessachfest Glückwünsche zu übermitteln. Wir beten, dass sie friedlich feiern können. Bei uns in Deutschland und in Israel.
Alles gut unter dem Kreuz? Für unsere islamischen Mitbürger, für die ist das Kreuz das gefürchtete Zeichen unbarmherziger Ritter, die ihre Herkunftsländer überfielen, tausende töteten und ausplünderten und dann noch vom Heiligen Krieg sprachen. Am 9. April, am Ostersonntag nach Sonnenuntergang sind wir Laufer eingeladen mit ihnen das Fastenbrechen in der Moschee zu feiern, mitten im Ramadan. Ich werde hingehen.
Alles ist alles ist alles Dir ist alles erlaubt und alles gegeben Alles geglaubt und alles vergeben Und alles wär drin und alles daneben Es wär alles ertragen und alles vergebens Und gut
Nein. Noch nicht alles ist vergeben und vergessen. Wie weit sind wir entfernt von der Versöhnung, die in Christus begonnen wurde. Wie weit entfernt vom Frieden. Geschweige denn von der Erlösung. Weiter als ich es jemals gedacht habe.
Aber ich habe einen Wunsch. Keinen Traum, sondern erfüllbar. Ich werde es erleben!
Vielleicht werde ich nicht warten, bis der Krieg in der Ukraine zu Ende ist, sondern ich werde endlich tun, was ich schon lange wollte: Ich werde in die Ukraine fahren. Natürlich auch nach Winnyzia fahren. Die Freunde Larissa, Valeri und Ingret und viele andere dort besuchen und mit Ihnen in diesem kleinen Gemeindehauskirche das Abendmahl feiern. Valeri wird grillen und wir werden feiern. Verhalten, unter Tränen, mit Sorge und mit der Frage: Wann endlich wird es Frieden geben und wieviel länger noch – bis Ukrainer und Russen sich versöhnen?
Deshalb werde ich weiter fahren bis nach Odessa. Dort steht die alte lutherische St.Pauls-Kirche, mit bayerischer Hilfe 2010 saniert. Wie durch ein Wunder hat sie alle Katastrophen und Kriege und Zeitenwenden überlebt. Vorne an der Altarwand hängt ein gestiftetes Kruzifix aus Wenzendorf vor einer modernen Wand-Malerei von Tobias Kammerer.
Christus (St. Paul, Odessa, Tobias Kammerer 2002)
Zuerst denkt man an einen Sonnenuntergang. Dann sieht man den großen Blutstropfen vom Himmel und darunter angedeutet der Abendmahlskelch, der diese Flüssigkeit auffängt.
„Dieser Kelch ist der neue Bund durch mein Blut.“
Herzblut. Wie eine blutige Träne Gottes. Dort am Kreuz. Gottes letztes Opfer, das er selbst bringt. Wann werden wir aufhören, andere zu opfern und zu töten um irgendwelcher politischen und religiösen Ziele willen?
Aber die Versöhnung nimmt ihren Weg durch uns. Wer hätte gedacht, dass die Ukrainer jemals uns Deutschen vergeben, nach allem, was ihnen im Dritten Reich angetan wurde.
Martin Luther hat gesagt: Christus ist der „Spiegel des väterlichen Herzens Gottes“ (Luther)
Nur die Kirche, nur die Glaubenden, das ist Gott zu wenig. Die Erlösung steht aus. Darauf warten wir mit allen Glaubenden. Muslime, Christen und Juden.
Vielleicht habt ihr gemerkt, dass wir heute das Glaubensbekenntnis nach dem Evangelium nicht gesprochen haben. Weil der Predigttext so ein Bekenntnis ist. Oder mehr eine Hymne für den, der vor allem war, alles geschaffen hat und allen alles geworden ist und am Ende alles in ihm versöhnt sein wird. Lasst uns diese Worte aus dem Brief an die Kolosser gemeinsam bekennen.
S.1097 im EG:Wir lesen:
Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene vor aller Schöpfung.
Denn in ihm wurde alles geschaffen,
was im Himmel und auf Erden ist,
das Sichtbare und das Unsichtbare,
es seien Throne oder Herrschaften
oder Mächte oder Gewalten;
es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.
Und er ist vor allem,
und es besteht alles in ihm.
Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde.
Er ist der Anfang,
der Erstgeborene von den Toten,
auf dass er in allem der Erste sei.
Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen
NÜRNBERGER LAND (lra) – Der offizielle Festakt zur Eröffnung des ersten Familienstützpunktes im Landkreis fand in den neuen Räumen des evangelischen Familienhauses in der Siebenkeesstraße 5 in Lauf statt. Eingeladen waren neben Kommunalpolitiker*innen auch die Träger der Jugendhilfe.
Diakon David Geitner begrüßte die Gäste zusammen mit Nadja Bauer und Caroline Gibisch, den Leiterinnen des Familienstützpunktes. Sie freue sich sehr, so Bauer, dass das Familienhaus für einen Familienstützpunkt ausgewählt wurde. Somit könnten bisherige Angebote auch gemeindeübergreifend weiterentwickelt und ausgebaut werden. Das in Lauf hält bereits seit vielen Jahren vielfältige Beratungsangebote vor. Mit dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten, finden die Angebote nun dort sowie auch in anderen Räumlichkeiten in der näheren Umgebung statt.
Im Anschluss sprachen bei der feierlichen Eröffnung Landrat Armin Kroder, Pfarrer Jan-Peter Hanstein und Laufs Bürgermeister Thomas Lang. Alle waren sich in ihren Reden einig, dass die Familie weiter gestärkt und unterstützt werden müsse, vor allem auch nach den zurückliegenden Corona Jahren. So unterstrich Landrat Armin Kroder, „Mit dem Aufbau der vier Familienstützpunkte im Landkreis wird die Familienfreundlichkeit im Landkreis noch weiter gesteigert. Ich freue mich wirklich sehr, dass der Landkreis die Familienstützpunkte zusätzlich zu der staatlichen Förderung bezuschusst. Hier wird Geld für die richtigen Dinge ausgegeben.“ Im Rahmen der Eröffnungsfeier überreichte Kroder die Wort-Bild-Marke für den neuen Familienstützpunkt an die Leiterinnen.
Die vier Familienstützpunkte sollen Eltern dabei unterstützen ihren Alltag besser zu meistern. Sie sind Kontakt- und Anlaufstellen, in denen Familien sich bei auftretenden Problemen und Fragen miteinander austauschen können, aber auch fachliche Unterstützung finden. Sie sollen helfen, individuell passgenaue Angebote zu finden und auch selbst Angebote für Familienbildung bereitstellen. Weitere Informationen zu den Familienstützpunkten gibt es auf Koordinierungsstelle Familienbildung und Familienstützpunkte – Landkreis Nürnberger Land (nuernberger-land.de)
v.l.n.r. Annette Zimmermann (Bündnis für Familie), Özden Koca (Koordinierungsstelle Familienbildung), Dekan Tobias Schäfer (Dekanat Hersbruck), Julia Meyer (Koordinierungsstelle Familienbildung), Amanda Müller (Amt für Familie und Jugend, Leiterin), Caroline Gibisch (Leitung Familienstützpunkt), Nadja Bauer (Leitung Familienstützpunkt), Landrat Armin Kroder, Bürgermeister Thomas Lang, Diakon David Geitner (Geschäftsführer für Kindertagesstätten im Dekanat Hersbruck) Pfarrer Jan-Peter Hanstein (evang. Pfarramt Lauf), Anja Wirkner (Gleichstellungsbeauftragte), Ruth Thurner (Kreisrätin)Foto und Bildrechte: Landratsamt Nürnberger Land
Elke Kaufmann ist geschäftsführende Vorständin des Diakonischem Werks der Dekanate Neumarkt, Altdorf und Hersbruck. Als gelernte Sozialpädagogin begann sie in der Dekanatsjugend, arbeitete als Gerontologin im Sozialdienst und Quartiersmanagement bei DIAKONEO und übernahm am Zentrum für Altersmedizin zunehmend mehr Geschäftsführungsaufgaben.
PREDIGT:
Liebe Schwestern und Brüder,
Welcher Versuchung können Sie nicht widerstehen?
Schokolade? Mal schnell die neuesten Nachrichten am Handy checken?
Das letzte Wort zu haben?
Immer wieder erliegt der Mensch den Versuchungen von Besitz, Macht und Geltungsdrang.
Auch Jesus war diesen Versuchungen ausgesetzt; doch er hat sie überwunden. Er wanderte ohne Habe durch die Welt, er wollte die Macht über Leben und Tod nicht und er wollte auch nicht als großer Heiler dastehen.
In unserem heutigen Predigttext geht es um die wohl größte Versuchung, die man sich vorstellen kann: Das Leid.
Hiob 2, 1-13
21Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den Herrn traten, dass auch der Satan mit ihnen kam und vor den Herrn trat. 2Da sprach der Herr zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen. 3Der Herr sprach zu dem Satan: Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben.
4Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. 5Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht fluchen! 6Der Herr sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben!
7Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des Herrn und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel. 8Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche. 9Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb! 10Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.
11Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn sie wurden eins, dass sie kämen, ihn zu beklagen und zu trösten. 12Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt 13und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.
Amen.
Hiob leidet – unverschuldet.
Ganz viele Beispiele fallen mir dazu ein und nicht wenige erst aus den letzten drei Jahren: Das qualvolle Ersticken der Menschen am Anfang der Covid-Pandemie, die Einsamkeit vieler auf dem Höhepunkt der Lockdowns, die Bomben auf die Ukraine, die Verschütteten in der Türkei und in Syrien jetzt bei uns die zunehmende Armut in manchen Familien, weil das Geld nur für Strom oder Kinderschuhe in der richtigen Größe reicht.
Das Leid gehört zum Leben dazu.
Das Leid wirft verschiedene Fragen auf, Fragen des Miteinanders und des gelingenden Lebens:
Erstens: Was kann ich als Freund oder Freundin, als Verwandte, als Nächster tun?
Zweitens: Wie gehe ich als Betroffene gut damit um?
Drittens: Die Frage nach dem Warum? Wie kann Gott das zulassen?
– Bitte sehen Sie es mir nach: Diese letzte Frage will ich den Experten, den Theologinnen und Theologen überlassen.
Ich stehe hier als Sozialarbeiterin, als Dienstgeberin, als Mensch und suche nach Antworten auf die ersten beiden Fragen.
Die Geschichte erläutert die Fragen nach dem Leid nicht nur, ja sie inszeniert sie richtiggehend wie in einem dramatischen Bühnenstück.
Hiob wird in Szene gesetzt als das Opfer eines bizarren Handels zwischen Gott und dem Satan. Der Satan argwöhnt: Hiob sei nur fromm, weil es ihm gutgeht. Gott glaubt an die Treue Hiobs, er glaubt daran, dass Hiob sich nicht in Versuchung führen lässt – Deshalb lässt er sich darauf ein.
Das Buch Hiob erzählt keine Wirklichkeit, sondern ist eine Art „geistlicher Roman“, wie ich gelesen habe. Ein Roman, der uns Antworten geben kann, auf unsere Fragen.
Also sehen wir mal:
Zur ersten Frage, was kann ich als – Freund oder Freundin, als Nächster – tun?
Zwei Beispiele bietet der Text: Die Ehefrau und die Freunde.
Zunächst zu den Freunden: Sie reagieren schockiert, sie solidarisieren sich, sie schweigen mit ihm.
Die Freunde sind die Sympathieträger in diesem Stück.
Sie stehen Hiob wortlos bei, 7 Tage und Nächte lang. So viel Mitgefühl und Stärke muss man erst einmal aufbringen. Dabeibleiben, sich dazusetzen, Schweigen, Stille und Tränen aushalten, auch wenn man sich hilflos fühlt. Die Freunde bieten keinen schalen Trost, sondern setzten sich zu ihm in den Dreck. Eigentlich sind sie gekommen, um ihn zu trösten, aber angesichts seines Elends bleibt ihnen jeder lapidare Zuspruch im Hals stecken. Sie sehen wie begrenzt ihre Möglichkeiten sind, sie spüren die Grenzen ihrer Macht.
Meiner Erfahrung nach liegt hier die erste große Versuchung im Umgang mit dem Leid: Zu glauben, dass man die Macht hat, zu retten. In der Sozialen Arbeit nennt man das „Helfersyndrom“: Wenn jemand anderen hilft, nicht aus Erbarmen oder Solidarität, sondern weil es ihm oder ihr selbst ein gutes Gefühl gibt.
Die Freude hingegen leisten Hiob Beistand, so gut es eben geht. Beistand leisten – das ist das, was wir als Nächste tun können!
Das zweite Beispiel für den Umgang mit dem Leid, liefert die Ehefrau:
Sie hat die wenig attraktive Rolle in dem Bühnenstück, ein wenig wie der Hofnarr an früheren Fürstenhäusern. Sie spricht aus, was alle denken, aber keiner zu sagen wagt; sie ist wütend, provokant, latent aggressiv – und – wenn wir uns Hiob wirklich auf dem Müllberg vor dem Dorf vorstellen – in aller Öffentlichkeit.
Ist sie ihm darin nicht auch eine Nächste? In dem sie nüchtern zur Sprache bringt, was auch eine Möglichkeit wäre – und Hiob damit den Anstoß gibt, sich zu positionieren.
Ich glaube, die Ehefrau wird ihm zum Nächsten durch ihr ehrliches Aussprechen, durch ihre Wut.
Er kommt nämlich erst mit den provokanten Äußerungen seiner Frau aus seiner Wortlosigkeit, die vielleicht auch eine innere Erstarrung war. Sie bringt Bewegung in die Sache! Manchmal bringt uns erst eine klare Forderung von außen dazu, uns zu überlegen, was wir eigentlich wollen und denken.
Seine Frau wird ihm darin zur Nächsten, dass sie ihn in Bewegung bringt. Seine Frau empfiehlt gerade das, was die Absicht des Satans war. Hiob schilt sie deshalb „töricht“, das ist – so hab ich es gelesen, nach der Bibel jemand, der nicht mit Gott rechnet.
Vermutlich wird hier eine weitere Versuchung, die das Leid anderer mit sich bringt, in Szene gesetzt: Nämlich aufzugeben, die Hände in den Schoß zu legen und zu jammern: Es hilft doch alles nichts! Wenn man in den Nachrichten von all dem Elend rings um uns her hört, von dem politischen HickHack, kommt man schon leicht in Versuchung zu sagen: Ich kann eh nichts ändern.
Doch: Wir können etwas ändern! Wie können den Leidenden zum Nächsten werden! Ich glaube, Beides tut Not: Wut und Beistand.
Die Wut, um auf die Straße zu gehen und Ungerechtigkeiten zu benennen, Veränderungen auf den Weg zu bringen, die Erstarrung und den Verdruss aufzulösen. Die Wut hilft, einen Missstand öffentlich zu machen und nicht wegzusehen. Der öffentliche Aufschrei rüttelt manchmal auch die Betroffenen selbst wach, die sich des Unrechts, das ihnen geschieht, gar nicht bewusst sind.
Und natürlich braucht es auch den Beistand, Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Es braucht das Pflegen, das Kleiden, das Beherbergen, das Beraten, das Begegnen.
Als Diakonie ist das genau unsere Aufgabe: Hinzusehen, Ungerechtigkeiten zu erkennen und klar zu benennen und den Leidenden beizustehen, sich zu solidarisieren und Hilfe anzubieten
Nun zur zweiten Frage:
Wie kann ich als Betroffene besser mit eigenem Leid umgehen? Wie geht Hiob mit dem Leid um, das ihm widerfährt?
Hiobs Reaktion auf seine Erkrankung wird in V. 8 fast teilnahmslos geschildert. Kein Wort über die Schmerzen, kein Wort über die Verzweiflung, keine Klage, keine Frage, überhaupt kein Laut kommt aus seinem Mund.
Eine ganz normale erste Reaktion auf Leid, Schicksalsschläge und Traumata ist das. Elisabeth Kübler-Ross beschreibt in ihrem Buch über Sterben und Trauer die Erstarrung als eine notwendige Reaktionsform auf eine fürchterliche Nachricht. Der Gedanke „Jetzt reicht es, ich mag nicht mehr!“ ist ganz normal.
Die Versuchung liegt wohl darin, in dieser Erstarrung steckenzubleiben, jeden Vorschlag, jeden Beistand abzulehnen, weil es ja doch nichts bringt und zu glauben, dass man auch selbst nichts ändern kann.
Hiob fügt sich in sein Schicksal: Seine Hautkrankheit verlangt, dass er die menschliche Gemeinschaft verlassen muss, er setzt sich außerhalb des Dorfes auf den Aschen – und Abfallhaufen.
Er übt sich in Demut – Bewundernswert mutig fügt er sich in sein Schicksal.
Das mit der Demut fällt mir selbst – offen gesagt – nicht so leicht. Ich sehe hier Hiobs Verhalten als Einladung, als Anregung auszuprobieren, wie sich das anfühlt, das Vertrauen in den Mittelpunkt zu stellen. Der gläubige Hiob geht weiter, als ich es mir vorstellen kann und will. Hiob nimmt das Leid an.
Erst auf die Vorhaltungen seiner Frau hin, löste er sich aus seiner Erstarrung. Und im darauffolgenden Kapitel findet Hiob Worte für sein Elend. Immer entschiedener verlangt Hiob schließlich Antwort von Gott selbst. Er klagt Gott an: Er hat meinen Weg vermauert … und Finsternis auf meinen Steig gelegt. … Er hat mich zerbrochen und meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum…Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch und nur das nackte Leben brachte ich davon.
In seiner Klage kann Hiob uns ein weiteres Beispiel geben. Er schimpft, er zetert, er fordert Gott heraus und er bleibt im Kontakt mit ihm. Er glaubt daran, dass Gott Gutes und Böses in seiner Hand hält und jedes Schicksal wenden kann.
Also, was kann ich als Betroffene versuchen, wenn ich leide?
Ich kann mich in Demut üben, die kann die Erstarrung überwinden, mich trösten lassen, Hilfe annehmen
und – wie wir bei Hiob sehen – wichtig ist es, in Verbindung mit Gott zu bleiben – wenn es sein muss mit Weinen und Wehklagen, so wie es in dem Lied heißt: All Eure Sorge werft auf ihn.
Wie kann also es gelingen mit Leid umzugehen – mit dem eigenen und mit dem eines anderen?
Das Beispiel Hiob zeigt, wie im Angesicht des Leides, ein Weiterleben und vor allem ein Bleiben im Glauben möglich ist. Mit Demut und Klage, mit Wut und Beistand.
Amen.
Wochenlied: 347, 1-4 Ach bleib mit deiner Gnade
Predigtlied: 369, 1-6 Wer nur den lieben Gott lässt walten
631 All Eure Sorge werft auf ihn
Quellen:
Gottesdienstinstitut der ELKB, Lesegottesdienst 2023_02_26, Autorin: Christiane Murner
Erfolgreicher Start der neuen Reihe „passion:piano::st. jakob“
Kilian Langrieger beim Einspielen am Bechstein-Flügel in St. Jakob. Foto: Hanstein
Etwa 45 bis 50 Zuhörer erlebten am vergangenen Samstag den 11.2. einen fulminanten Konzertabend der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Lauf a. d. Pegnitz. Der 24 Jahre junge Pianist Kilian Langrieger aus Schierling im Landkreis Regensburg, Absolvent des Konservatoriums F. A. Bonporti Trient/Italien, begeisterte sein Publikum in St. Jakob mit vier Präludien und Fugen von J. S. Bach, zwei Sonaten von W. A. Mozart und F. Chopin am Flügel und einer Zugabe.
Pfarrer Jan-Peter Hanstein begrüßte unter den Gästen auch die Eltern des Pianisten, die ihm seit seiner ersten Pfarrstelle in Neustadt/Donau seit 20 Jahren freundschaftlich und musikalisch verbunden sind.
Kilian Langrieger gab zunächst vier Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier Band 1 von Bach. Darunter waren die beiden ersten in C-Dur und c-Moll, deren Präludien vielen aktiven Klavierspielern bekannt sein dürften, deren Fugen jedoch gehobene Anforderungen stellen. Dagegen sind Nr. 12 in f-moll und Nr. 20 in a-moll nur von geübten Pianisten zu bewältigen. Bach ist für Langrieger elementar für alle nachfolgende Musik. Er spürte mit Emotion und Intensität den überwältigenden Wendungen und Lösungen nach, die für Bach charakteristisch sind. Hierbei blitzte schon die tiefe Gestaltungskraft und Darstellungsgabe Langriegers auf, die zu luzider Entflechtung der kompositorischen Dichte der beiden vierstimmen Fugen in C-Dur und a-moll führten. Die monumentale Größe der letzten in a-moll, die er in berückender Geschwindigkeit anging, brachte ihm den ersten begeisterten Applaus. Hier zeigte er erstmals die Klangfülle, die das für die Orgel komponierte Stück erfordert und die Möglichkeiten des etwas verstimmten Bechstein-Flügels bis an dessen Grenzen erprobte.
Es folgte die Sonate Nr. 12 in F-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart. Bei Mozart ist gleichsam jeder Ton weltberühmt. Alles ist bei seinen Kompositionen perfekt: keine Note zu viel, keine zu wenig und alles am richtigen Platz. Es klingt so leicht und ist gleichzeitig so schwer. Rein und klar glitzerten Langriegers Läufe, niemals den für Mozart angemessenen zurückhaltenden Kammerton überschreitend. Die drei Sätze mit dem Allegro zu Beginn, dem folgenden Adagio und dem Allegro assai perlten makellos von den Tasten ins Oval von St. Jakob. So mitreißend jugendlich zeigte Kilian Langrieger seinen höchst entwickelten Anschlag, dass manchem Zuhörer der Atem stockte. Danach ging man geistig beschwingt in die Pause und konnte sich an der Bar erfrischen.
Aufmerksame Spannung lag vor der dritten Sonate in h-moll von Frédéric Chopin, dem unbestreitbare Hauptwerk des Abends, das schon drei Jahre nach seinem öffentlichen Erscheinen in Druckform vom Pariser Konservatorium zum Pflichtstück der Abschlussprüfungen aller Pianisten angesetzt wurde. Langrieger nahm die zunehmend staunenden Zuhörer auf eine spirituelle Reise mit. Episoden emotionaler Ausbrüche wechseln sich ab mit fröhlichen tänzerischen Erinnerungen und abgründigen Reflexionen. Sogar eine Fuge als Hommage an Bach ist eingebaut. In jeder Passage spürte man die Dichte und jahrelange Auseinandersetzung mit diesem Werk, das Kilian Langrieger mit seinem ganz eigenem Ausdruck und Stil meisterhaft interpretierte. funkelnde Läufe und wahnwitzige Kaskaden wechseln sich ab mit unerhörten Inversionen, in dem sich Hörer in einer dunklen Unterwasserhöhle wähnen. Der 38-jährige Chopin hat diese letzte von nur drei Sonaten nach dem Tod seines Vaters komponiert und sie stellt emotional und technisch höchste Anforderungen an die Pianisten. Unendlich große Schwierigkeiten sind zu überwinden. Ob Chopins Klangreichtum oder seine Melodien von hinreißender Schönheit, schließlich seine kraftvollen Akkordkaskaden: alles, wirklich alles ist dem jungen Pianisten hier in überzeugender Weise gelungen. Im Scherzo vivace, das noch immer gestandene Pianisten vor manches technische Rätsel stellt, ließ Langrieger dieses aufs knappster Strecke sich entfaltende Tongedicht brillant aufblitzen. Das Largo erschütterte manchen Zuhörer in Innersten, es gelang so elfenhaft zart und paradiesisch schön, wie man sich es nicht schöner hätte vorstellen können. Das Finale „Presto man non tanto“ hob im notierten Marcatissimo an, verharrte kurz auf der Fermate, ehe das Agitato in einem wahren Höllenritt ausartete.
Am Ende stand ein langer Applaus der faszinierten Zuhörer, die sich einig waren, dass sie dem Anfang der großen Zukunft eines jungen Meisters beiwohnen durften, der hoffentlich bald wieder in Lauf Piano spielt und sie in nie gehörte Welten führen wird. Mit einer innig-mystischen Zugabe von Arvo Pärt schloss der künstlerische Teil des Abends.
Der Beginn der neuen Reihe „passion:piano::st. jakob“ in Lauf ist fulminant gelungen und macht Lust auf mehr!
Text: Jan-Peter Hanstein mit Zitaten aus Gesprächen und Texten von und mit Hannes und Kilian Langrieger
Die neue Reihe passion:piano :: st. jakob bietet Ihnen Musik im ansprechenden Ambiente von St. Jakob, einem modernen Ort der Gemeinschaft und des Gebets. In St. Jakob präsentieren professionelle KünstlerInnen wunderbare Stücke aus ihrem Repertoire am Bechstein-Flügel. Begleitet z.B. von einem Akkordeon, einem Cello, einer Geige, der Stimme einer Sopranistin, einer Tänzerin oder ganz allein, kann das Piano mit Passion gehört werden und Kunst uns beflügeln.
Bei einem schweren Erdbeben im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei sind mindestens 20.000 Menschen ums Leben gekommen, zahlreiche weitere sind verletzt. Unsere Partner sind vor Ort und leisten Nothilfe. Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende!
LAUF – In Gedenken an die Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien lädt die Stadt Lauf am Samstag, 18. Februar, um 14 Uhr zu einer Veranstaltung auf den Oberen Marktplatz in Lauf ein. Wer will, kann auch Geld spenden.
Mehr als 35.000 Menschen sind durch die Erdbeben in der Nacht auf den 6. Februar 2023 in der Türkei und in Syrien ums Leben gekommen, viele weitere Menschen haben ihre Häuser und Wohnungen verloren und werden nun von Hilfsorganisationen mit dem Nötigsten versorgt.
Überall auf der Welt ist die Betroffenheit groß, auch in Lauf. Viele türkischstämmige Lauferinnen und Laufer haben ihre Wurzeln in der betroffenen Region und trauern nun um Angehörige, Freunde und Bekannte, so die Stadt Lauf in einer Mitteilung.
Anlässlich der schrecklichen Tragödie findet am kommenden Samstag, 18. Februar 2023, um 14 Uhr eine Gedenkveranstaltung auf dem Oberen Marktplatz statt. Dazu lädt Bürgermeister Thomas Lang alle Lauferinnen und Laufer ein.
Auch der stellvertretende Landrat Helmut Brückner, Röthenbachs Bürgermeister Klaus Hacker, Vertreter von Ditib Lauf sowie der katholischen und evangelischen Kirchengemeinden und Vertreter von Hilfsorganisationen werden vor Ort sein.
Vor Ort wird es die Möglichkeit geben, Geld für die Betroffenen der Katastrophe zu spenden. Dieses Geld wird anschließend zweckgebunden dem Bayerischen Roten Kreuz zur Verfügung gestellt. Natürlich sind aber unabhängig davon auch Spenden an andere Organisationen, etwa an das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe, bestehend aus Deutschem Rotem Kreuz, Caritas, Unicef und Diakonie (IBAN: DE65 100 400 600 100 400 600, BIC: COBADEFFXXX, Stichwort: Erdbeben Türkei Syrien) oder an Ärzte ohne Grenzen (IBAN: DE72 3702 0500 0009 7097 00, BIC: BFSWDE33XXX, Bank für Sozialwirtschaft) möglich.
Unterstützung möglich über Spendenkonto der Diakonie-Katastrophenhilfe
Bei einem schweren Erdbeben im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei sind mindestens 20.000 Menschen ums Leben gekommen, zahlreiche weitere sind verletzt. Unsere Partner sind vor Ort und leisten Nothilfe. Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende!
Liebe türkische und syrische Freunde und Nachbarn in Lauf,
erst langsam zeichnet sich das gigantische Ausmaß der Erdbeben-Katastrophe in Euren Herkunftsländern ab. Wir trauern mit euch um Vermisste und Getötete und beten für sie in unseren Gemeinden. Wir rufen auch unsere Mitglieder auf, die Überlebenden im Winter, die Verletzten und obdachlos Gewordenen zu unterstützen durch unsere Organisation Diakonie Katastrophenhilfe. Wenn wir in Lauf Euch in irgendeiner Weise bestehen können, wendet Euch bitte vertrauensvoll an uns.
Jan-Peter Hanstein, 1. Pfarrer im Namen der Hauptamtlichen und des Kirchenvorstands Lauf
Nach dem schweren Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion hat die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, den betroffenen Menschen ihr Beileid ausgesprochen und Christinnen und Christen zur Unterstützung aufgerufen.
„Erschrocken haben wir die schockierenden Nachrichten vom massiven Erdbeben und der furchtbaren Zerstörung in der Katastrophenregion und den angrenzenden Gebieten aufgenommen. Die verzweifelte Situation, in der sich die Menschen dort gegenwärtig befinden, geht mir zu Herzen,” so die Ratsvorsitzende. „Ich denke auch im Gebet an die Familien der Verstorbenen und die vielen Vermissten und Verletzten.“
„Diese Region und alle, die dort leben, sind ohnehin gebeutelt durch große wirtschaftliche und politische Probleme. Dass die Einheimischen nun auch noch von dieser Katastrophe heimgesucht werden, ist entsetzlich,“ so Präses Kurschus. „Jetzt ist wichtig, Solidarität zu zeigen und zu helfen, so gut es geht. Die unmittelbare Hilfsbereitschaft der internationalen Staatengemeinschaft ist dabei weit mehr als ein tröstliches Zeichen. Wir sind im ständigen Austausch mit unseren Partnern vor Ort und stehen für jede Unterstützung bereit, die sie in dieser schweren Zeit brauchen.“
Die Diakonie Katastrophenhilfe stellt zunächst 500.000 Euro für Nothilfemaßnahmen zur Verfügung und ruft unter dem Stichwort „Erdbebenhilfe Türkei Syrien“ auf zu Spenden auf ihr Konto bei der Evangelischen Bank: IBAN: DE68 5206 0410 0000 5025 02 | BIC: GENODEF1EK1
wir feiern Weihnachten in den dunkelsten Nächten des Jahres. Auch bei Josef und Maria im Stall stelle ich es mir ziemlich dunkel vor. Der Wirt hat ihnen bestimmt verboten mit Kerzen und Licht zu hantieren, weil es zu gefährlich war in einer Scheune mit Futter und Stroh. Vielleicht war da irgendwo ein Öllämpchen, in deren Licht die jugendliche Maria ihren Sohn bekam.
Aber dann geht draußen auf dem Feld das Licht an. Die ganz große Lampe. Perilampsein Rundum-Licht – so heißt es in der Weihnachtsgeschichte. Der Engel des Herrn mit Gottes ganzer Herrlichkeit, seinem Glanz und Schein. Wenn Gott kommt, kommt Licht und Wärme. Energie. Von Anfang an der Schöpfung und auch in dieser dunkelsten Nacht draußen bei den Hirten.
Da sagt dieser lichtumstrahlte Engel: „Fürchtet euch nicht, denn ich bringe euch eine gute Nachricht, das Evangelium! Euch ist heute der Heiland geboren zu großen Freunde aller Menschen!“
Euch ist der Heiland geboren. Uns. Mir auch! Der Retter, der SOTER. Wörtlich der Erlöser. Nicht nur für die Hirten, nicht nur für Bethlehem nicht nur für Israel. Für alle Menschen. Er sagt ihnen den Ort, die Stadt Davids, „Ihr werdet ihn finden in Windeln gewickelt“. Sie und wir werden uns gedulden müssen, bis er aufgewachsen ist.
Und dann singen die himmlischen Heerscharen dieses Lied und auch wir singen es mit, das Wunderbarste, was Gott uns ansagen kann, zuruft in all seiner Macht und Liebe!
„Ehre sei Gott in den höchsten Höhen und Friede in den tiefsten Tiefen, auf Erden mit den Menschen, die er liebt, an denen er Wohlgefallen hat!“ Lk 21,4
Darüber will ich heute predigen.
Gott ehren und Frieden halten gehört zusammen. Die Gerechtigkeit Gottes und wir, die wir ihm gefallen, wenn wir Frieden halten und Frieden stiften.
Große Worte – das muss ich euch übersetzen.
Als Weihnachten noch kribbelte und aufregend war und einfach schön! Als ich Kind war waren meine Großeltern noch jung. Jünger als ich jetzt. Wir Enkel durften dann in den Ferien bei den Großeltern übernachten. Damals ahnte ich nicht, dass das eine Aktion zur Entlastung meiner Eltern war. Wir fühlten uns gar nicht abgeschoben, sondern privilegiert. Morgens schliefen die Großeltern immer viel länger als wir drei Hummeln. Dann krochen wir drei in das kleine Doppelbett der Großeltern. Schmissen die Oma raus, die Frühstück machte. Wir aber sahen uns den Hals meines Opas genau an. Vorne neben den Kehlkopf war die Kugel eingedrungen und hinten neben den Halswirbeln wieder ausgetreten. Eine Durchschussnarbe. Er musste sein Oberteil ausziehen und wir zeichneten mit dem Finger die Schrapnell-Narben am Rücken nach und gruselten uns an dem Wissen, dass ein Metallrest noch ganz nah an seinem Herzen sich inoperabel abgekapselt hatte. Sein Leben lang hat er als Lehrer seinen Unterricht bis zur Rente mit 65 Jahren mit einer Flüsterstimme gehalten, weil der Kehlkopf so beschädigt war. Wenn ich an Krieg denke, erinnere ich mich an diesen verwundeten Opa Günter.
Er war mit diesem Durchschuss und weiteren Splitterverletzungen aus dem Kessel Stalingrad herausgeflogen worden und seine Kameraden hatten gesagt: den sehen wir nie wieder. Tatsächlich hatte er überlebt und kein einziger von den anderen.
Später in einem Dorf in Nordhessen wurde er Dorfschullehrer, obwohl er eigentlich Lehrer für Biologie und Sport war. Dort schrieb er 7 Jahre lang jedes Jahr ein neues Krippenspiel für die kleine Kirchengemeinde, die sich im einklassigen Schulhaus zum Gottesdienst traf. Er übte mit allen seinen Schulkinder und seinen eigenen vier Kindern auf den Leib geschriebenen Rollen ein. In immer neuen legendären Variationen dichtete er seine Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung mit den älter und verständiger werdenden Kindern. „Nie wieder Krieg.“
Ein Weihnachts-Licht in diesem kleinen Dorf Bellenhausen, in dem bis heute von diesen Krippenspielen des Lehrers Günther Wesche geredet wird. Und das mich irgendwie an Bethlehem erinnert.
MUSIKSTÜCK
Die tapfere lutherische Pfarrerin in der Ukraine, Larissa Kostenko, deren Mann als Offizier im Krieg gegen Russland keinen Fronturlaub zu Weihnachten erhalten hat, sie predigt in dieser Stunde über die Sehnsucht nach Frieden. Wie wäre es, wenn es einen Waffenstillstand gäbe, wie damals 1914 der berühmte Christmas-Truce in den Schützengräben des 1. Weltkriegs als teilweise tagelang der Krieg unterbrochen worden war und die verfeindeten Soldaten miteinander Weihnachten feierten, bis die Soldaten wohl unter Drohungen die Kämpfe wieder aufnahmen. Und das christliche Europa in einem Blutbad unterging, dessen Auswirkungen wir bis heute spüren.
Da hinein – gerade da hinein spricht der Engel „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen seines Wohlgefallens!“
Weihnachten Gott ehren und Frieden machen! Wie schön wäre das. Auch die Menschen in der gequälten Ukraine singen das und sie kämpfen für den Frieden. Für eine friedliche menschliche Welt, wie sie Gott wohlgefällt.
Liebe Gemeinde, wenn wir etwas gelernt haben in den gegenwärtigen Krisen, sei es Corona, sei es Krieg und Inflation: Lasst uns Feste feiern wie sie fallen. Lasst uns nichts verschieben oder verpassen. Jetzt ist die Zeit. Jetzt geht das Licht an. Das große Weihnachtslicht mit dem Engel nicht verpassen, der sagt: „Fürchtet euch nicht, denn ich bringe euch eine gute Nachricht, das Evangelium! Euch ist heute der Heiland geboren zu großen Freunde aller Menschen!“
Heute sind manche ganz allein. Andere fühlen sich einsam und unverstanden mitten im Trubel ihrer Familien. Ich kenne das nur zu gut. Aber ihr seid hier zusammengekommen. In der Kirche. Hier wiederholen wir diese Wahnsinnsbotschaft mit den großen Worten vom Allergrößten und allerniedrigsten.
„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen seines Wohlgefallens!“
Jetzt ist die Zeit. Wir singen dieses Lied mit, mit den Violinen und Cellos wie unsere Stadtstreicher, mit Trompeten und Posaunen, wie die Orgel mit Zimbeln und Glocken. Das ist es, was wir angesagt bekommen. Wir singen die wunderbare Nachricht, was dieser Heiland gebracht und hat und immer bringen wird. Heilung und Frieden. Da geht das große Licht an mitten in der dunkelsten Nacht.
Da öffnet sich der Himmel für einen Moment. Die geschundenen Menschen, wie die Hirten, wissen nicht, warum ihnen das geschieht, und was das alles bedeuten soll. Für einen Moment ist da wunderbares warmes Licht auf diesem kalten Feld mit den kleinen Lagerfeuern. Auch in der Ukraine in der zerstörten Städten und den altertümlichen Schützengräben im Winter.
Stellt euch mal vor, wie finster wäre unsere Welt, ohne diese Sehnsucht nach Frieden. Ohne Weihnachten. Ohne die Kinder, die diese wunderbare Geschichte lernen und singen. Ohne Hoffnung auf einen Frieden wie Gott ihn uns ansagt, den uns das kleine Gotteskind schenkt. Was gibt es Friedlicheres und gleichzeitig Hilfsbedürftigeres als das Bild eines Säuglings, den seine Mutter liebevoll stillt? Dahinein hat sich Gott bewusst in seiner Liebe zu den Menschen begeben. Gottes tausende Heerscharen sind friedlich singende Engel, nicht die Millionen von schwerbewaffneten Soldaten. Die Engel und die Hirten und die Feiernden sind die größte Demonstration für den Frieden, die es jedes Jahr wieder gibt.
Gott steht in diesem Jesuskind für Leben und Frieden.
Geht hin wie die Hirten und erzählt das weiter. Werdet eurerseits Engel – Angelos, Boten Gottes in euren Familien, in eurer Arbeit, als Bürger eines Staates und Menschen dieser Welt. Feiert dieses Fest mit den Menschen, die bei euch sind. So unvollkommen und unpassend es gerade erscheinen mag. Himmelhochjauchzend und erdentief weinend.
„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen seines Wohlgefallens!“
Es ist eine große Freude für mich, auch über diese Homepage meine erste Weihnachtsbotschaft mit Ihnen zu teilen.
Wir haben immer noch mit den Schwierigkeiten der Post-COVID-Ära zu kämpfen und leben weiterhin im Krieg. Viele Menschen erleben den Verlust eines geliebten Menschen. Wir sind noch dabei, uns an neue Normen zu gewöhnen.
Trotz alledem glauben wir als Christen, dass die Hoffnung nicht verloren ist. Der Prophet Jesaja sagte: Uns ist ein Kind geboren worden, ein Sohn ist uns geschenkt worden, und die Regierung wird auf seinen Schultern lasten. Und sein Name wird sein. Wunderbarer Ratgeber, Mächtiger Gott, Ewiger Vater, Fürst des Friedens. (Jes 9,6)
Die Prophezeiung wurde erfüllt, als der Messias in der kleinen Stadt Bethlehem geboren wurde. Engel kündigten es den Hirten an, und ein hell leuchtender Stern brachte drei weise Männer, die sie besuchten und ihre Geschenke überreichten.
Heute feiern wir die Geburt unseres Herrn Jesus Christus, aber es bleibt eine wichtige Frage zu beantworten:
Was bedeutet die Geburt Christi für uns Christen in diesen schwierigen Zeiten? Ich wage zu behaupten, dass die Geburt Christi uns Hoffnung gibt, dass Gott gekommen ist und die Probleme lösen wird, die wir nicht in den Griff bekommen. Die Geburt Christi gibt uns die Gewissheit, dass Gott uns von allen Formen der Unterdrückung – geistig, körperlich, emotional oder psychologisch – befreien wird.
Alles, was wir tun müssen, ist, uns Gottes weisem Rat zu unterwerfen. Wenn wir unser Herz öffnen, um Christus anzunehmen, können wir mit den Engeln in Lukas 2,14 mitsingen: Ehre sei Gott im höchsten Himmel, und auf Erden Friede denen, an denen er Wohlgefallen findet. (Lukas 2,14) Ich wünsche uns allen ein frohes Weihnachtsfest und ein sehr erfolgreiches Jahr 2023.
Pfarrerin Larissa Kostenko aus Lutherischen Kirchengemeinde Winnyzia, Ukraine
Predigtskizze von Pfarrerin Larissa Kostenko
Text: Lukas 2,1-20. Liebe Schwestern und Brüder! Wie Sie verstehen, habe ich oft über Weihnachten und die Botschaft dieses Festes nachgedacht. Die Frage hat mich schon lange beschäftigt:
Was kann, was soll ich beim diesjährigen Weihnachtsfest verkünden?
Was ist die Botschaft an die Menschen bei diesem besonderen Weihnachtsfest?
Was ist also die Botschaft für uns hier in Winnyzia für Weihnachten 2022?
Text des Evangeliums Lk 2 1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung[1] war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. 4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe[2]; die war schwanger. 6 Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. 8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens[3]. 15 Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Wir haben diese große Weihnachtsgeschichte gehört, die uns der Evangelist Lukas erzählt hat. Wir sangen Lieder und stimmten so in die Geschichte ein. Vor allem ein Gefühl hat uns geprägt:
Die Weihnachtsgeschichte ist so vielfältig! Zum Predigen muss ich mich entscheiden, was ich daraus wähle.
Worauf können wir uns dieses Jahr konzentrieren?
Ich denke, wir sollten uns dieses Mal auf den Lobgesang der Engel konzentrieren: “Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden”. Die Geburt Jesu hat uns eine tiefe und große Wirklichkeit vor Augen geführt: Trotz aller Rückschläge, trotz aller Unruhen, trotz der Kriege in vielen Gebieten unseres Landes gibt es eine viel entscheidendere, viel mächtigere Wirklichkeit: den Frieden für uns. Es ist dieser Friede, der uns tatsächlich ausmacht, der uns trägt, der uns Zuversicht und Mut gibt. Es war die überwältigende Erfahrung in der Nacht der Geburt Jesu; es war die Erfahrung, die auch Lukas erschütterte: Wir brauchen nicht zu verzweifeln. Nein: Wir können erkennen, dass wir in der Realität dieser Welt [Gottes] leben. Dies ist der wahre Grund für unsere Existenz. Wenn wir zulassen, dass uns diese erstaunliche, diese überwältigende Botschaft erreicht, dass sie uns erfüllt – dann wird es für uns Weihnachten! Ich bin der Meinung, dass wir diese Botschaft brauchen, weil wir für den Frieden beten wollen.
Deshalb zeigt uns Lukas: Die Engel offenbaren diese Wahrheit in ihrem Lobgesang:
Ich habe einen Augenzeugenbericht über solche Ereignisse gelesen:
Als der Erste Weltkrieg, von dem man eigentlich dachte, er sei in wenigen Wochen vorbei, sich dem Ende zuneigte, hatten Ende 1914 die verantwortlichen Offiziere und ihre Soldaten an den deutschen und britischen Frontabschnitten den Mut, sich zu Weihnachten mit der anderen Seite zu treffen und gemeinsam zu feiern: Tausende deutsche und britische Soldaten an der Front in Belgien und Frankreich stellten die Kämpfe ein, trafen sich im Niemandsland und feierten Weihnachten: tauschten sich aus, verteilten Geschenke, gemeinsam Auf deutscher Seite waren an diesem “Weihnachtsfrieden” vor allem sächsische und bayerische Soldaten beteiligt. Ein bayerischer Soldat berichtete daraufhin nach Hause: “Zwischen den Schützengräben standen die verhassten und erbittertsten Gegner um einen Weihnachtsbaum und sangen Weihnachtslieder. Diesen Anblick werde ich für den Rest meines Lebens nicht mehr vergessen.”
Später gingen die Aktiven zurück zu ihren Seiten und das grausame Morden ging weiter.
Trotzdem – so denke ich – das Zeichen der Weihnacht, der Hinweis auf diesen wahren Frieden jenseits unserer Kriege, war für alle, die es gesehen und mitgestaltet haben, überwältigend: und Frieden auf Erden den Menschen, die Gott wohl gefallen! Also: gegen die Realität des Krieges, diese Erleuchtung über die wahre Bestimmung unseres Lebens: Frieden, nicht Krieg. Gibt es eine Realität, die diese Intuition rechtfertigt? Ja, diese Realität wird zuerst von den Engeln bezeugt: “Ehre sei Gott in der Höhe!” Denn alle, die Gott ehren, legen damit den Grundstein für den Frieden.
Diese Predigt habe ich selbst gehört 1988 als junger Theologiestudent und ich habe sie nie vergessen. Was soll ich predigen? Was kann ich predigen? Wie soll ich je besser predigen als mein freundlicher Lehrmeister Rudolf Landau, der in unserer Kirchengemeinde wohnte und versuchte, in Erlangen über die “Christologie der heutigen Predigt” zu habilitieren. Wer seine Predigt hört, wird verstehen, warum er sich nach einiger Zeit angeödet von der lauen Christologie seiner Zeitgenossen von diesem Thema abwendete… JPH 2022
Liebe Gemeinde! Auch über das von Erdbeben und Kriegen und vom Flugzeugabsturz verwüstete Land ruft es:
Tröstet!
Auch über die Rätsel menschlicher Not und über die Dunkelheiten und Ängste eines Menschenherzens ruft es:
Tröstet!
Alle, alles ist umfangen von diesem Ruf, der eine Wendung, um greifend und wohltuend, ansagt. Anfang und Ende umgreift er, Thema gibt er: Tröstet!, und noch einmal, damit niemand sagen kann, er habe es nicht gehört oder er habe sich verhört: Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott! Darin und dadurch ist er unser Gott, dass er tröstet, am Anfang und am Ende und mittendrin auch, tröstet, »wie einen seine Mutter tröstet«.
Ach, wie gut das tut: dass zum Herzen geredet wird! Nicht geredet, um Kopf- und Gedankenspiele zu treiben; einmal nicht, um zu argumentieren und Gründe und Gegengründe zu erforschen und aufzuzählen gegen all die Not und Todesgebanntheit in der Welt; nicht, um sich zu verlieren im Nachgrübeln und Überdenken, sondern um es dahinein zu sagen und da zu hören, wo ja doch alles Schwere und Dunkle, alle Grübeleien Wurzeln schlagen wollen in uns, dorthinein, wo alles dumpf und hart uns manchmal umstricken will, dahinein, wohin es längst abgesunken ist aus dem Kopf und wo es Atmen und Denken und Tun und Lassen und Sehnen und Hoffen bestimmt: ins Herz! Dahinein, in die Mitte unserer Existenz hinein, von wo aus wir leben und sind: Tröstet! Redet freundlich!
Liebe Gemeinde: Adventsbotschaft fasst sich zusammen in diese Worte, nichts anderes wird gesagt, gepredigt, gerufen, geseufzt in diesen Adventswochen; alles fasst sich zusammen in diese Worte – vom geschlagenen, verängstigten, zukunftslosen Volk Israel in der babylonischen Gefangenschaft her bis hin zu den Rätseln und den Gefangenschaften der V ölker, der Knechtung und Verachtung von Rassen und Menschen, von Gruppen und Gesichtern, hin zu den fast nicht mehr zu überblickenden und erst gar nicht zu bewältigenden [24] Problemen und Fragen und Ängsten bei uns. Von Gott her seit alten Zeiten zu uns hin: das Wort des lebendigen, heiligen, ewigen Gottes, der kommt und hilft und nahe ist und durchträgt: Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott!
Und umfangen ist das auch vom Ende her, das wir sogleich mit hören wollen, das erst den ganzen Ernst und die Schwere und die Bedeutsamkeit des Trostes ausmacht, damit niemand denke, es gehe mal wieder nur um die so wohlbekannte alljährliche christliche Weihnacht: Stimmungströstung, kurzfristig und oberflächlich, hinwegtäuschend über all die Kluften und Steilen und Abhänge des Lebens, an nichts heranreichend, alles nur überspielend und in silbrige Lamettafäden hüllend: Nein, mithören sollen wir das Ende, und vom Ende her sollen wir hören, was die Botschaft trägt und hebt und endgültig und zu einer macht, die allein noch und nur vom lebendigen Gott her kommt auf uns sterbliche, vergängliche Weltmenschen hin: Das Wort unseres Gottes aber bleibt in Ewigkeit!
Nicht wahr, so etwas braucht es, damit wir Christen es ja nicht vergessen; auch im Advent weht uns Osterluft, Auferstehungsgeist wind an: etwas, was gültig bleibt, was Bestand hat, was eben nicht aufgezehrt und aufgefressen und angenagt wird und nicht verdirbt in den Tiefen und Verliesen der müden Herzen und der schwermütigen Gedanken, die argwöhnen, und was nicht verschlissen wird im Lauf der Dinge, die uns zuraunen, ob das denn wirklich alles wahr sei, was da gesagt, verkündet, gepredigt wird in der Kirche unter und für uns. Da braucht es dies Tiefenwort, das Tiefenschärfe gibt nun in unser Leben und ins Leben und Vergehen der Welt und ins Leben und Treiben und Kämpfen und Verzweifeln der Völker, die gefangen sind und geknechtet werden von boshaften und todbringenden Mächten und ihren Helfershelfern. Dahinein braucht es Wahrheit von Gott, die sagt: Er kommt! Er umfängt uns von Anfang bis Ende! Seine Herrlichkeit soll offenbart werden allen miteinander …
Um diesen Gott geht es da in der Krippe, liebe Gemeinde, um diesen Gott da, der Jesus: »Gott rettet« heißt und der hört auf den schönen hebräischen Namen Immanuel: »Gott für uns, Gott mit uns«. Um den geht es, das ist der eine Name, der hinter der Botschaft des Propheten Jesaja schon steht, noch verborgen und nicht genannt, aber doch Triebkraft und Liebeswillen göttlichen Handelns von Anfang der Schöpfung an ist, und den wir Christen neu kennen und lieben und ehren und bezeugen und predigen dürfen: Jesus Christus, Gott für alle, der rettet. [25]
Und der allein bleibt. Ewig. Was heißt: unzählbar, unabsehbar lange für uns. Und weil unabsehbar lange für uns, deshalb auch unbeeinflussbar in seinem herrlichen, klaren Rettungswillen, frei in seiner umfassenden, niemanden ausscheidenden Liebe, herrscherlich entschlossen und nicht zu hindern. Dessen Werk kann niemand hindern, das er tut uns zu gut. Die Herrlichkeit dieses Herrn soll offenbart werden.
Und da wollen wir denn doch demütig und bescheiden bekennen: dass wir diesen Herrn und Gott nun nicht erwartet haben, ihn nun gerade nicht erwarten. Dass es uns längst nicht mehr aufreißt und hochreißt, in Bewegung versetzt, uns Christen, dass wir da sicherlich keine tiefen Täler auftragen und keine Berge abtragen würden, ihm den Weg zu bereiten auch zu unserem Nächsten hin und in die geschundene Menschheit hinein, dass wir ihn doch lieber kerzenhell und kaminwarm in unseren vier Herzenswänden einsperren, ein Exklusivgötzlein für unser angeschlagenes Seelchen, aber doch kein freier, hoher, allumfassender erbarmender Weltheiland. Nein, liebe Gemeinde, wir sind weithin angepasste Christen, wir sind eine Kirche, die müde und matt und gefangen und so oft heimlich und offen resigniert ist angesichts all der Ängste und des Unglaubens und der Torheiten und Frechheiten und Vergeblichkeiten und Krankheiten im eigenen und nächstliegenden Menschenleben. Krippenchristen, die den Herrn Jesus mit abgedroschenem Herzensstroh warm und liebreizend zudecken, damit er uns nicht hineintreibt in die kalte und herzlose und gefährliche Welt! Ist es nicht so, ihr Lieben, dass wir das eben bestenfalls noch mit dem Kopf hören, dass er der Weltheiland ist, und das im Kopf speichern für ein paar Augenblicke, dass aber alle anderen Welt und Menschenbilder uns viel mehr bedrängen und hilflos machen und ängstigen? Und dass wir unsere private Zukunft reduzieren auf die Rettung der Seele, aufs Durch- und Fortkommen im Beruf, auf Sorgen um Gesundheit und Zukunft im Alter, um Kinder und Enkelkinder noch – doch den Tröster nicht rufen hören: »Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit!«?
Dass Advent und Weihnachten nun doch jährlich wiederkehrende und abgedroschene, von Mal zu Mal aufgeblasene Ereignisse sind, wo die Pfarrer ins Hetzen und Herumreden und Herumandachten und also an das Ende ihrer Kräfte und völlig aus der Ruhe geraten und die Christen und Menschen in unserem Land etwas gefühlvoll und geschäftig werden – und doch wendet das keine Not, bringt keine bleibende Tröstung, schafft kein währendes Licht, was wir tun und spenden [26] und sagen und predigen – ist es nicht so? Und: Ist das nicht ein großes, hartes, geheimes Gericht über sein Volk, seine Kirche, dass wir diesen berge- und tälerversetzenden Gott, den Schöpfer und Erhalter alles Lebens, vergessen, diesen völker- und herrscherstürzenden, also: diesen wahrhaft und einzigen und einzigartigen, Natur und Geschichte revolutionierenden und seiner Gerechtigkeit zuführenden Gott so klein, so unscheinbar, so armselig, so verachtet gelassen und so beiseite geschoben haben?
Und nun, gegen allen Augenschein und gegen alle Herzensmüdigkeit und Gedankenschwere, gegen unser Gemüt und gegen die Botschaften der Welt gilt es:
Euer Gott kommt!
Noch hat man damals nichts gesehen. Da wird uns nur dies im Exil dahindämmernde und verzagende Volk Israel vor zweieinhalbtausend Jahren zum Gleichnis, steht es neben uns, der Kirche. Gott sei Dank, zum Gleichnis des immer wieder und immer neu gültigen Gottesgeschehens. Ja, dadurch zum Gleichnis, weil sich alles geheilt, erklärt, aufgeklärt hat, was damals noch im Dunkel und in der Verdeckung vieldeutiger Ereignisse blieb, was aber im Schauen und Deuten und Entdecken erkannt und bekannt wurde von Israel und erkannt und bekannt werden darf von uns, im Glauben nun sichtbar und klar werden darf. Gleichnis: des Volkes Verbitterung und Mutlosigkeit all dem von Gott Berichteten und Gepredigten und Erzählten gegenüber und seinen Boten gegenüber: dass ER der Schöpfer und der Lenker und Herr der Geschichte ist, dass, wie man hört, die Herren dieser Welt gehen müssten, dass aber unser Herr komme, dass das alles zwar gesagt und gehört wurde, aber nicht geglaubt, nicht zum Trost wurde, nicht in die Herzen derer drang, die da saßen im Schatten des Todes und in der Lähmung innerer und äußerer Gefangenschaft. Und die keine Hoffnung mehr zu haben wagten!
Und dahinein klingt dieses Aufbruchsignal! Ganz von außen, in keines Menschen Herz wurde es ersonnen, von keinem Menschenhirn wurde es erdacht, auch gar nicht mehr erhofft: das Signal der Rettung und des Trostes.
Gewiß kennen einige von Ihnen die Beethoven-Oper Fidelio. Da ist der Florestan im Kerker unschuldig gefangen, von einem ungerechten und düsteren und gemeinen Tyrannen, dem er die Wahrheit sagte und der ihn aus dem Weg räumen ließ und nun dort unten ermorden will, heimlich und im Dunkel. Florestans Frau, als Kerkermeistergehilfe Fidelio – was heißt: die Treue – verkleidet, findet ihren Mann am Ende seiner Kräfte, todgeweiht, soll gar helfen, ihm das Mördergrab zu graben, kann ihm nur noch das Totenlied vielleicht singen und seufzen. Weiß zwar von einer vielleicht nahenden, rechtzeitig eintreffenden Befreiung, aber der soll durch schnellen und heimlichen Mord vorgebaut werden; von einer Befreiung, wie die Menschen zu allen Zeiten es ahnten und wie es immer wieder ins Bewusstsein einzelner und von Gruppen heraufstieg: dass es doch eine Wende, eine Rettung aus tödlicher ungerechter Knechtschaft geben müsse und aus Folter und Haß und Todesverfolgung durch ungerechte, wahnhafte Herrscher
– Namen und Gestalten müssen wir ja nun wahrlich nicht nennen, solche kleinen und großen machtbesessenen Blutherrscher geistern durch die Menschengeschichte und lassen zigtausende Schlachtopfer sich bringen und ihrem blutigen besessenen Machtwahn. Und da hinein, in den Kerker des Menschen Florestan, da tönt plötzlich von außen das Signal, ein helles Trompetensignal. Die Musik hat den Atem angehalten, alles zittert vor dem erhobenen Mörderarm und dem Todesstoß – da tönt es, laut und klar, von außen: Rettung ist da, kommt, von außen bricht sie herein in den Kerker: »Beglänzt von seinem Lichte hält euch kein Dunkel mehr, von Seinem Angesichte kam euch die Rettung her!« Tröstet, tröstet mein Volk, redet zu Jerusalem freundlich: ihre Kerkerschaft hat ein Ende.
Liebe Gemeinde: dieses Trompetensignal des Beethoven-Fidelio, dieses Signal der unerschütterlichen Treue und des unumstößlichen Rettungswillens Gottes, das anzeigt, meldet, rufen lässt: der gerechte und wahre Herr kommt, den ungerechten, tyrannischen, todesrünstigen Statthalter zu strafen und die Gekerkerten zu befreien: dieses Signal von außen hat Ernst Bloch, der Philosoph und Rettungssehnsüchtige, einmal das erschütterndste und hellste und deutlichste Signal der Musik genannt. Und wie anders kann es einmünden dann im himmelhoch jauchzenden Freudenjubelgesang der Geretteten: »Oh, du namenlose Freude!«
Ja, ihr Lieben, das erschütterndste und klarste und hellste Signal
unsres Lebens und des Lebens dieser Menschen- und Völker- und aller Kreaturwelt aber ist dieser Ruf am Anfang des Advents Jesu Christi: Tröstet, tröstet mein Volk! Hinwegräumen der Hindernisse, der Wüsten und Berge, der Schluchten und Abhänge, der Grate und Riffe: das geschieht für ihn und uns. Nicht durch uns! Für uns!
Ach, wie sollten wir auch räumen, begradigen, ab- und auftragen, Wege bauen können in unserer Zagheit und Zweifellage, in unserer [28] Müdigkeit und Armseligkeit? Aber Er ruft, ja: Gott arbeitet: »Mir hast du Mühe gemacht, mit deinen Sünden«, aber aus lauter Liebe tritt er selber ein: »Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht!« Welch ein Adventsgott: 0, du namenlose Freude!
Seelenschutt und Lebensangst, Schöpfungsseufzer und Kreatur schrei, Jammer und Not: was haben wir für einen Gott, der da herein bricht und hilft, Wendung und Rettung trompeten und durchführen lässt! Ja, jetzt wird es deutlich, das Ende, das wir erwarten, und das Ende, das uns umfängt, das er bringt: Ja, ja, alles vergeht, und die Katastrophen und das Erdbeben in Armenien und der Flugzeugabsturz in Remscheid und die Kriege und Morde im Iran und in Afghanistan, die erschütternden Folter- und Mord- und Todesnachrichten sind die Botschaften der Herrscher dieser Welt, alle wissen es, schieben es beiseite, aber bekommen es unübersehbar wieder und wieder vor Augen geführt: Alles vergeht, alles verbrennt unter dem Gluthauch des Wüstenwindes Gottes.
Alles Fleisch ist wie Gras! Die frühlingsblühende, blumenfeldweite Landschaft Galiläas steht als Bild, über die dann im Sommer der heiße Wüstenwind weht, alles verbrannt, kahl und braun und steinig zurück lassend: so, so ist es mit dem Leben, so ist es mit den Mächtigen, so ist es mit denen, die immerwährend zu blühen scheinen in ihrer eigenen Kraft und Macht.
Jedes hat sein Ende, die irdische Herrlichkeit und auch die blühendste Not: weil Er kommt und weil nur eines gilt, bleibt und hält und den heißesten tödlichen Sturm übersteht: Sein Wort aber bleibt ewiglich.
Was aber, liebe Gemeinde, sagt sein Wort? Nicht billig ist sein Trost, nicht dies kümmerliche Bildersprüchlein an der Wand: »Immer, wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Licht lein her.« Nein! Nicht dies kindliche »Heile, heile Gänschen, es wird bald wieder gut!« 0, wie gottlos und hilflos sind solche Sprüchlein und wie trostlos solche Pflästerlein, wenn die Bilderwände einstürzen und der Todesgluthauch weht! Sind allesamt doch nicht besser als Drogen und Alkohol und Vergessenheitsspender für kurzfristiges Leben herüberretten in einen neuen Tag. Oh nein: hier wird aufgerüttelt, hier wird nicht vergessen, sondern abgeschafft; hier wird nicht vertröstet, sondern Neues, Gerechtigkeit, geschaffen durch den Lebenswillen Gottes; hier erscheint der wahre und gerechte und heilbringende [29] Erlöser: »Nun komm, der Heiden Heiland!« Der Heiland: der macht sich auf und provoziert diesen Ruf, diesen Trost, diese weltändernde Bahn schafft er.
Und wir Christen, seine Gemeinde? Was tun wir? Zuerst, zunächst und immer noch: hören, aufmerken, es uns vom Himmel hoch singen und sagen lassen, es als gute, neue Mär gelten lassen für uns: »Die Herrlichkeit unseres Heilandes soll noch offenbar werden über aller Welt!«
Keiner hat das damals sehen können. Im Himmel, bei Gott, war die Rettung vorbereitet für sein Volk, waren die Rettungspläne, die Wegebegradigungs- und Aufbau- und Abbaupläne fertig und genehmigt, und das Arbeitspersonal war berufen: der Perserkönig Kyros – der sich für den mächtigsten und alleinbestimmenden Herrscher, Eroberer und Sieger von Babylon hielt: nur ein Werkzeug, ein Aus führender im Architekturplan Gottes. Wie alle die Mächtigen und Regenten dieser Welt: so müsst ihr sie sehen, die gernegroßen Kleinen und die kindischen Großen: Erfüllungsgehilfen Gottes in seinem Rettungs- und Hilfsplan! Alles ist vorbereitet, das Signal abgesprochen, das wir hören dürfen: den hellen Trompetenstoß: Tröstet, tröstet mein Volk – damit beginnt es und geht es fort unaufhaltsam: »Was er sich vorgenommen und was er haben will, das muss doch endlich kommen, zu seinem Zweck und Ziel!«
Was sie damals hörten, war nur das Signal, nur der Ruf, eben: die Predigt, die Freudenbotschaft ins Herz hinein, das in Worten gemalte Befreiungsgemälde von der königlichen Prachtstraße der Rettung und Führung ins Leben. Und es ging in Erfüllung. Sie haben es gesehen, erkannt, wiedererkannt: Gott lässt seine Welt nicht, seine Schöpfung nicht, seine Menschen nicht, sein Volk Israel nicht, seine Kirche nicht, er lässt uns nicht, dich auch nicht, sondern beugt sich zu dir herunter und sagt dir hinein ins Herz, lässt dir freundlich mitteilen in dein Leben hinein, in die Kerker deiner Angst oder deiner Selbstzufriedenheit oder deiner Schuld, deiner selbstgemachten und geglaubten Gottesferne: Die Knechtschaft hat ein Ende, ihr gehört dem Heiland, ihr seid Menschen Gottes!
Advent, liebe Gemeinde: Gott kommt zu dir, dir das anzusagen;
Advent: du kommst zu Gott, dir das sagen zu lassen und dich zu freuen: 0, du namenlose Freude. Das ist seine Gemeinde: die sich das sagen lässt und nun der Freude einen Namen gibt, damit der hineingerufen werde in die dunkelsten Menschenecken und erleuchtetsten [30] Menschenköpfe: Jesus, Jesus von Nazareth, »zu Bethlehem geboren, in der Stadt Davids«. Und dann, da du nun um Namen, Zeit und Ort dieses Retters weißt, und das alles in deinem Herzen bewegt hast, dann gehst du hin, liebe Gemeinde, und verkündigst, erzählst, berichtest von dem gekommenen Gottessohn. Und wirst drüber zur Freudenbotin: ein anderes Amt, eine andere Aufgabe, einen anderen, wie man so sagt, Sinn, hat unser Leben nun nicht mehr, das genügt: zum ersten nach dem Trost des Reiches Gottes zu trachten …
Dann reden wir zu den anderen tröstlich und gewiss, und der Nächste wird hineingeholt in die Gottesbewegung, auf den Rettungsweg, auf dem ihm die Herrlichkeit des Herrn entgegenkommt, sein Leben neu zu machen, erstrahlen zu lassen im Glanz, in der Pracht nun nicht mehr des vergänglichen Fleisches, sondern allein noch Seines Wortes. Was wir zu sagen haben und nach welcher Richtschnur wir nun adventlich zu leben und in diese Welt hineinzusehen und in ihr zu wirken haben, das ist uns vom Propheten längst vorgesagt, und jetzt· habt ihr es auch wieder gehört:
Alles Fleisch ist Gras; und all seine Pracht ist wie eine Blume des Feldes. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt. Aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. Amen.
Rudolf Landau 11.12.1988 3.Advent in Neunkirchen am Brand
Aus seiner Predigtsammlung. „Gottes Sohn ist kommen“ Predigten und Bilder zur Weihnacht. Herausgeber Rudolf Landau, Stuttgart 1994, S.24-30